Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Geben und Nehmen in den Religionen: Buddhismus
Reich ist, wer teilen kann

Großzügigkeit muss geübt werden, etwa durch Meditation. Auch Beschenktwerden ist eine Kunst. Wenn eine Gabe nicht gefällt, wird sie lächelnd angenommen - und an jemanden weiterverschenkt, der sie besser gebrauchen kann.

Von Mechthild Klein | 18.12.2019
Buddha mit Abhaya Mudra, einer Geste, bei der Buddhas linke Hand nach oben geöffnet auf dem Schoß liegt, während die Fingerspitzen seiner rechten Hand den Boden berühren. Die Statue befindet sich in dem Fo Guang Shan Tempel in Bussy-Saint-Georges, Frankreich.
Im Buddhismus werden Altäre häufig mit Gaben für den Buddha geschmückt (imago / UIG)
Jetzt nicht enttäuscht sein. Es gibt keinen buddhistischen Nikolaus, der Geschenke verteilt. Auch kein buddhistisches Weihnachtsfest, bei dem sich alle beschenken.
"Nein das gibt es nicht. Es gibt nichts Vergleichbares wie den Julklapp zum Beispiel oder das Nikolausfest. Aber man beschenkt sich zum Beispiel zum thailändischen Neujahr, zum Songkran-Fest", sagt Volker Grabowsky, Thaiist an der Universität Hamburg.
Demnach gibt es nur ein buddhistisches Fest im Großraum Thailand und Laos, bei dem man sich beschenkt: "Aber dann sind es die Jüngeren, beziehungsweise die Untergebenen, die die Älteren, die Eltern oder die Vorgesetzten beschenken, aber nicht umgekehrt Geschenke von diesen erhalten."
Geschenkt wird also vornehmlich nur in eine Richtung. Nach oben, an den Vorgesetzten oder an eine Respektsperson:
"Nein, ich würde das jetzt nicht Bestechung nennen. Ich würde sagen, das ist ein Zeichen des Respektes. Aber das ist nicht reziprok, dass jeder jeden beschenken kann."
"Großzügigkeit ist eine der zentralen Tugenden"
Es gibt einen zentralen Begriff im Buddhismus, das ist "dana". Dana erhalten beispielsweise auch buddhistische Lehrer für ihre Unterweisungen. Volker Grabowsky:
"Dana ist ja das Geben von Geschenken. Oder Großzügigkeit, Generosität. Das ist eine der zentralen Tugenden im thailändischen Buddhismus. Und hierdurch werden dann eben auch Verdienste, die dann die karmische Disposition verbessern für spätere Existenzen."
Das Geben wird im Buddhismus sehr positiv gesehen. Es hat sich ein umfangreiches Stiftungswesen in Asien entwickelt, teilweise auch in Europa und den USA. Wer konnte, spendete oder schenkte für den Bau von Tempeln, für Klöster, für Statuen und für Renovierungen und vieles mehr. Daran lässt sich auch der soziale Status ablesen.
"Wenn Thailänder stiften, dann wird diese Tat auch dokumentiert. Deswegen findet man häufig an Klostergebäuden die Namen der Stifter", sagt Grabowski.
"Verdienste sind nicht Pluspunkte auf dem Karma-Konto"
Sylvia Wetzel erklärt: "Eigentlich muss die Person, die gibt, immer dankbar sein, dass sie die Gelegenheit hat, so eine wunderbare Gelegenheit, etwas geben zu dürfen. Weil das heißt: Wenn man mit dem Herzen gibt, ohne Dank zu erwarten, schafft man ganz viel positive Energie oder Verdienste."
Wetzel ist Buchautorin, Feministin und buddhistische Lehrerin. Sie berichtet, was sie in asiatischen Ländern immer wieder gehört hat: "Und dann sagen sie immer: Je heilsamer, ethischer die Person ist, der man etwas schenkt, desto größer ist der Verdienst, sind die Verdienste. Sie sagen: Gaben an die Buddhas, Gaben an die Bodhisattvas, Gaben an ethisch lebende Menschen, sind von sehr, sehr hohem Wert. Aber sie immer betonen auch, man soll an Bedürftige geben."
Sylvia Wetzel auf der Bühne von Deutschlandfunk Kultur, mit Mikrofon und gestikulierend.  
Beim Dana geht es um das reine Geben, sagt Sylvia Wetzel (Deutschlandradio / Andreas Wünschirs)
Sylvia Wetzel beschäftigt sich seit vier Jahrzehnten mit dem Buddhismus. Sie nahm Unterweisungen in allen buddhistischen Schulen und unterrichtet die buddhistischen Lehren traditionsübergreifend. Mit der volkstümlichen buddhistischen Haltung wie "Gutes tun, um gutes Karma zu erwerben" – davon hält sie nicht viel.
"Ich denke, das hat mit einer verflachten Interpretation zu tun. Da gibt es dann auch irgendwann Listen: Je höher entwickelt die Person ist, der man schenkt, desto mehr Verdienste bekommt man. Wo dann wieder das "Um-zu-Denken" wirkt – ich gebe etwas, damit ich Verdienste bekomme. Das wird immer wieder betont, darum geht es nicht! Sondern man soll 'rein' geben. Weil man sich reich fühlt. Und es ist eine andere Formulierung, die allgemein indisch ist: Reich ist, wer teilen kann."
Gaben für die Buddhas
In Asien ist die reiche Stiftungstradition bis heute erhalten, trotz aller Säkularisierung, sagt Volker Grabowsky. Der Thaiist verweist darauf, dass zum Beispiel viele Thais einen Teil ihrer religiösen Verdienste an bereits verstorbene Angehörige weitergeben, zu deren Wohl für künftige Wiedergeburten.
"Wenn Verdienste übertragen werden, dann sind es eigentlich immer die Eltern und andere sehr nahe Angehörige."
In vielen buddhistischen Ländern, aber auch in Deutschland stehen auf den Altären Blumengestecke oder Schüsseln mit Wasser – die Gläubigen bringen den Buddhas Gaben dar.
Sylvia Wetzel erklärt: "Wenn man zum Tempel geht, wenn man zu einer Buddha-Statue hingeht, zu einem Symbol des Buddhismus, zu einem Stupa, dass man dann Gaben darbringt. Eben Licht, Räucherwerk, Nahrung. Das ist üblich."
Man beschenkt auch Gastgeber oder Dharma-Lehrer. Das gehört auch zu Dana. Die Geschenke werden immer angenommen, sagt Sylvia Wetzel. Das gilt für ganz Asien. Der Schenkende darf nicht das Gesicht verlieren, indem man die Gabe zurückweist. Man bedankt sich und schenkt es weiter, wenn es nicht gefällt. Wetzel erzählt von einem besonderen Erlebnis:
"Und das habe ich bei einem Lama erlebt. Ich hatte einen ganz tollen, teuren Schwarztee mir ausgesucht. Und dachte, das schenke ich diesem Lama. Und wir sitzen da in der Reihe vor seinem Zimmer, haben Einzelgespräche, kriegen einen kleinen Segen. Ich gebe mein Geschenk ab und sitze dann noch eine Weile ein paar Meter entfernt mit jemand zusammen. Und dann sehe ich, wie eine Person mit meinem Tee wieder rauskommt. Die schenken das einfach weiter. Das, was sie gerade brauchen können, das behalten sie. Und auf Reisen, was sollen die mit zehn Packungen Tee. Der wird sofort weitergeschenkt. Das war auch eine große Lehre für mich."
Geschenkt ist geschenkt! Das gilt auch für Buddhisten. Sylvia Wetzel hat diese Weiterschenk-Praxis auch übernommen. Als Dharma-Lehrerin wird sie ebenfalls beschenkt. Räucherstäbchen oder Dinge zum Hinstellen, die sie nicht mag. Da hilft nur eines:
"Und dann frage ich: Ist das geschenkt? Darf ich, wenn ich das gelesen habe, oder eine Weile besessen habe, darf ich das dann weiterverschenken? Dann gucken sie mich an und sagen: Ja, du darfst."
Großzügigkeit als Übungsfeld
Viele Asiaten sind bekannt für ihre Großzügigkeit. Im Buddhismus wird sie gefördert. Großzügigkeit, aber auch Ethik – das sehen viele Buddhisten als Übungsfeld. Das müsse man nach und nach entwickeln.
"Und wenn man Großzügigkeit übt, dann merkt man, woran man hängt. Das heißt, man gewinnt auch Einsicht in die eigenen Muster. Und man entdeckt Geiz, man entdeckt Neid – der kann mehr geben als ich. Oder was weiß ich. Man merkt seine eigenen Muster, wenn man gibt."
Es ist spannend, wenn man dann ein paar unschöne Selbstbilder und Vorurteile in sich entdeckt, die man mit sich herumträgt. Dann kann man diese Handlungsmuster auf buddhistische Art und Weise analysieren und angehen. Schenken kann auch einen Erkenntnisgewinn bescheren.