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Gebietsreform
Geografische Befindlichkeiten in Frankreich

Die Sozialisten unter François Hollande wollen aus den bisher 22 französischen Regionen 13 machen. Doch die Reform stößt auf Widerstand: in der Bevölkerung aufgrund von kulturellen Unterschieden und bei manchen Politikern aus wirtschaftlichen Gründen. Nur eine Partei profitiert von der kontroversen Diskussion.

Von Christiane Kaess | 23.07.2014
    Eine französische Landkarte mit dem Fokus auf die Region Paris.
    Eine französische Landkarte mit dem Fokus auf die Region Paris. (AFP/Joel Saget)
    Anfang Juni ging der Präsident in die Offensive. François Hollande präsentierte seine Idee einer Neuordnung. In pastellfarbenem lila, gelb oder grün druckten die Zeitungen die neuen Regionen auf der Karte des Landes. 14 sollten es künftig sein, nicht mehr 22. Premierminister Manuel Valls war überzeugt:
    "Das Wichtigste ist, dass wir die Regionen reduzieren, um sie stärker und wettbewerbsfähiger zu machen. Sie werden viel mehr Kompetenz haben."
    Und das soll sich auf das ganze Land übertragen. Kaum aber war die Karte auf dem Tisch, ging der Streit los. Im Westen wollten die Bretonen nicht mit der Region Pays de la Loire fusionieren. Im Norden hatten die Einwohner von Picardie andere Sympathien als die für die ihnen zunächst zugeordneten Nachbarn der Champagne-Ardenne. Und im südlichen Département Gard fühlte man sich viel zu weit weg von Toulouse, das nach der Fusion zweier großer Regionen die neue Hauptstadt werden soll. Unter den Generalräten der Departements und den regionalen Räten stimmt niemand dieser Reform zu, nicht einmal die sozialistischen Mandatsträger – so hieß es aus dem Pariser Senat. Dort beugte man sich zuerst über die neue Landkarte - und lehnte sie kurzerhand ab. Auch in der Nationalversammlung gerieten die Abgeordneten aneinander. Die sozialistische Mehrheit setzte den Rotstift an. Unter anderem wurden aus den vorgesehenen 14 Regionen 13. Innenminister Bernard Cazeneuve, der selbst die stundenlangen Tag- und Nachtsitzungen in der Nationalversammlung mitgemacht hat, hofft, dass der jetzt vorliegende Entwurf einen Beschluss erlaubt.
    "Wir haben eine sehr intensive Debatte gehabt. Die hat allen Parlamentariern ermöglicht, ihre Meinung zu sagen. Ich glaube, die Karte, die wir jetzt haben, vereinigt alle diese unterschiedlichen Ansichten."
    Aus zwei Armen wird kein Reicher
    Und er schränkt ein: es werde nie eine Karte geben, die wirtschaftliche Effizienz mit den geografischen Gesichtspunkten, wie Flüssen und Tälern, und auch noch die Herzenswünsche der Bürger miteinander verbinde. Er hatte recht. Zwar soll die Reform mit all ihren Einzelheiten bis Ende des Jahres unter Dach und Fach sein, damit der vorgeschriebene Zeitplan für neue Wahlen eingehalten werden kann.
    Aber das hält Widerspenstige auch in den Reihen der Sozialisten nicht zurück. Prominentes Beispiel: die ehemalige Vorsitzende der Partei, Martine Aubry. Die beliebte Vertreterin des linken Flügels und Bürgermeisterin der nördlichen Stadt Lille ist gegen die Fusion ihrer Region Nord-Pas-de-Calais mit der Region Picardie. Ihr Argument: Zwei Arme haben noch nie einen Reichen gemacht.
    "In dieser Krisenzeit haben wir hier zwei Regionen, die mit einer enormen Armut und Jugendarbeitslosigkeit kämpfen – wir können uns da nicht selber raus zu ziehen."
    Aubry möchte die zwei Regionen mit der Normandie verschmelzen – für ein besseres wirtschaftliches Gleichgewicht. Ihr Vorwurf: bei der Gebietsreform werde Monopoly gespielt. Und sie nutzt die Gelegenheit zu einem Rundumschlag.
    "Es ist noch nicht zu spät diese Amtszeit zu einem Erfolg zu machen! Es ist nicht zu spät, diese Reform zu einem Erfolg zu machen! Ich glaube seit zwei Jahren, wenn man für alle Bereiche eine große Vision gehabt hätte, hätten wir weniger Probleme. Wir haben gute Sachen gemacht, andere sind daneben gegangen. Ich glaube, wenn wir zu einer Vision zurückkehren für die zukünftige Gesellschaft, können wir diese Amtszeit zu einem Erfolg machen!"
    Solch scharfe Kritik von einer prominenten Linken an einer der wichtigsten Reformen: Das hat gesessen - angesichts einer Regierung und einem Präsidenten, die im Umfragetief dahin dümpeln und mittlerweile auch immer mehr die Kritiker in den eigenen Reihen fürchten müssen.
    Front National nutzt Stimmung für sich
    Einer dagegen freut sich: der rechtspopulistische Front National. Florian Philippot, dessen Vizepräsident, geht davon aus, dass in der neuen nördlichen – wie er sagt – Superregion – ein Wahlsieg seiner Partei garantiert ist. Schon bei den Europawahlen kamen die extremen Rechten in Pas de Calais und Picardie auf gut 38 und 35 Prozent. Die Frage einer Journalistin danach macht Stéphane Le Foll angriffslustig.
    "Wer bitteschön ist Florian Philippot? – der Vizepräsident des Front Nationale antwortet die Moderatorin. Wenn sie den fragen, ob er in einer Region gewinnt - kontert der Minister - dann wird er natürlich sagen ja.
    "Dann müssen sich eben die Sozialisten – anstatt schon an ihre Niederlage und den Sieg des Front National zu denken - so organisieren, dass sie gewinnen. Das ist auch Politik: Nicht einfach das Schlimmste vermuten, sondern versuchen, der bessere zu sein. So gewinnt man!"