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Gebrannte Kinder Nordeuropas

Ob aus den Plänen einer gemeinsamen Finanztransaktionssteuer noch etwas wird, steht in den Sternen: Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Angela Merkel, die beiden vehementesten Verfechter der sogenannten Finanztransaktionssteuer stoßen weiter auf energischen Widerstand vieler europäischer Finanzminister. Und das liegt nicht nur an den Briten.

Von Marc-Christoph Wagner | 14.03.2012
    EU-Kommissionspräsident Barroso im vergangenen Herbst. Vor dem Europäischen Parlament plädiert er für die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer. Eine Steuer, die ihm zufolge mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr an Einnahmen bringen könnte.
    "Die Mitgliedstaaten, genauer genommen die europäischen Steuerzahler, haben dem Banken- und Finanzsektor in der Krise Gelder in Höhe von 4,6 Billionen Euro garantiert. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch der Finanzsektor seinen Beitrag leistet für das europäische Gemeinwesen."

    Eine Argumentation, die den Schweden und der schwedischen Regierung durchaus bekannt vorkommen muss. Denn seit Monaten wird hierzulande über die Gewinne der Banken und die Boni ihrer Vorstände sowie über die Besteuerung des Finanzsektors debattiert. Vor allem Besitzer von Immobilien klagen, die stetig fallenden Zinsen an den Finanzmärkten würden von den Finanzhäusern nicht an die Verbraucher weitergegeben. Selbst in der bürgerlichen Regierung mehren sich die Stimmen, die Abgaben der heimischen Banken seien viel zu niedrig. Finanzminister Anders Borg:

    "Die Reichsbank hat ihre Kosten gegenüber den Banken gesenkt, die Unruhe an den Finanzmärkten hat sich deutlich gelegt, jetzt müssen auch die Banken die Verbraucher entlasten. Auch die Banken sind Teil unserer Gesellschaft und zur Not müssen wir Politiker und Behörden dafür sorgen, dass sie sich dieser Verantwortung bewusst werden."

    Eine Warnung an den Finanzsektor, die allerdings nur auf nationaler Ebene zu gelten scheint. Denn bei der europäischen Transaktionssteuer stellt sich Schweden quer.

    Weltweit oder gar nicht - so der eigens für die Finanzmärkte zuständige Minister Peter Norman. Schweden, so der Mittfünfziger, sei bei der Besteuerung der Finanzmärkte ein gebranntes Kind. Bereits in den 1980er Jahren haben man eine vergleichbare Steuer eingeführt - und dabei entsprechend schlechte Erfahrungen gemacht.

    Peter Norman:

    "Diese Diskussion auf europäischer Ebene über eine Transaktionssteuer halten wir für einen Holzweg. Eine solche Steuer führt zu einer Abwanderung der Banken, und die Steuereinnahmen sind am Ende minimal. Hinzu kommt, es sind vor allem die großen Pensionsfonds, die beim Aktienhandel sehr aktiv sind. Und das würde bedeuten, dass wir vor allem die Rentner besteuern und diese Gelder nach Brüssel abführen."

    Auch der für seinen Pragmatismus bekannte Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt von den schwedischen Konservativen will bei der Transaktionssteuer hart bleiben. Zwar trage er den vom deutsch-französischen Tandem vorangetriebenen Stabilitätskurs des Europaktes mit, obwohl Schweden beim Euro selbst außen vorstehe. Doch um grundlegende Reformen komme nicht allein der Süden Europas nicht herum - auch die anderen Mitgliedsstaaten bräuchten eine neue Kultur des Haushaltens und könnten nicht immer nur an der Steuer- und Abgabenschraube drehen.

    Fredrik Reinfeldt:

    "Schweden selbst war einst ein Agrarland und ein Land der Schwerindustrie. Heute verdienen wir bis zu 80 Prozent unseres Geldes mit Dienstleistungen, die Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Was wir geschafft haben, können andere auch - und dafür müssen nicht immer neue Steuern erfunden werden."

    So gehört Schweden - gemeinsam mit den Briten - zu den entschiedensten Gegnern der vor allen von Deutschland und Frankreich propagierten Transaktionssteuer. Ob in London oder Stockholm: Hier wie dort heißt es, die Besteuerung von Aktien und Anleihen mache nur Sinn, wenn es eine global gültige Regelung gebe. Andernfalls wandere das Geld einfach ab - dorthin, wo es ungehindert, nämlich steuerfrei, fließen könne.