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Gebt mehr Gummi

Sex ist heute überall. Im Kino, in der Werbung und auch auf den Lehrplänen ist Aufklärung ein fester Bestandteil. Dennoch fand erst jetzt in Wiesbaden der "Erste Deutsche Verhütungskongress" statt.

Von Julia Möckl | 05.04.2011
    "… Tina, wat kosten die Kondome? …"

    Kondome kaufen – das ist heute wohl keinem mehr peinlich. Eine aktuelle Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt: Rund drei Viertel der deutschen Erwachsenen verhüten beim Geschlechtsverkehr und mehr als jeder Dritte benutzt dabei Kondome - vor allem beim "ersten Mal". Häufiger als das Kondom wird nur die Pille verwendet - sagt Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:

    "1987 haben wir mit der Aids-Kampagne begonnen, seitdem haben wir auch intensiv darüber aufgeklärt, dass vor einer Ansteckung mit HIV ein Kondom schützt und seitdem hat sich das Kondom als ganz normaler Hygieneartikel auch sehr breit in der Gesellschaft etabliert. Aber viele Frauen wollen sich nicht alleine auf das Kondom verlassen, zumal ja ein Kondom auch mal abrutschen oder reißen kann, und deswegen wollen viele Frauen zusätzlich für sich trotzdem die Sicherheit der Pille haben."

    Gerade Jüngere benutzen häufig Kondom UND Pille: Das Kondom zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten und die Pille, um keine Kinder zu bekommen. Aber egal ob allein oder in Kombination - im Jahr ihres 50. Geburtstags ist die Pille das am häufigsten benutzte Verhütungsmittel. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen verlässt sich auf die Pille. Trotz ihrer Nebenwirkungen, zu denen nicht nur Kopfschmerzen und sexuelle Lustlosigkeit zählen. Vor allem bei Raucherinnen erhöht die Pille die Gefahr einer Thrombosebildung. Die Konkurrenz durch andere hormonelle Verhütungsmethoden ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Doch Vaginalringe, Hormonspritzen, -pflaster oder -implantate spielen so gut wie keine Rolle im Verhütungsverhalten deutscher Frauen.

    "Ich kann Ihnen die Pille schon verschreiben." - "Ist sie denn auch wirklich sicher, die Pille?"

    Im Aufklärungsfilm von 1977 musste es noch ausdrücklich erklärt werden: Wenn sie regelmäßig eingenommen wird, schützt die Pille nahezu hundertprozentig vor unerwünschtem Nachwuchs. Andere hormonelle Verhütungsmittel sind zwar ähnlich sicher, aber nicht so einfach anwendbar, meint Dr. Thomas Rabe, Gynäkologe an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg:

    "Bei Hormonimplantaten, bei den Ringen ist man nicht so einfach in der Lage, ein unterschiedliches Schema anzuwenden, das individuell auf die Patientin abgestimmt ist. Das sind fixe Kombinationen, fixe Anwendungswege, das sind Langzeitformen der Kontrazeption, da ist man nicht so flexibel wie bei der Pille."

    Heutige Hormonspritzen wirken in der Regel drei Monate lang empfängnisverhütend, Implantate sogar bis zu drei Jahre. Vor allem bei der Spritze ist die verabreichte Hormonmenge allerdings recht hoch - dadurch treten verstärkt Nebenwirkungen auf.
    Solche Nebenwirkungen zu reduzieren, ist Hauptanliegen der Forschung auf dem Gebiet alternativer hormoneller Verhütungsmittel.

    "Man versucht, neue Hormonpflaster zu entwickeln, die spezifischer sind und kleiner, weniger Nebenwirkungen mit sich führen. Das Public Council in New York entwickelt beispielsweise mit einem neuen Gestagen einen Vaginalring, einen Ring, den man im Wochenbett tragen kann, mit dem natürlichen Gelbkörperhormon und einen anderen Ring, der eine Liegedauer von 12 Monaten haben wird."

    Nach Ansicht von Dr. Thomas Rabe wird es wohl noch eine ganze Weile dauern bis derartige Verhütungsmittel der Pille ihren Rang ablaufen.
    Auch die Pille für den Mann lässt weiter auf sich warten. Studien zu diesem Verhütungsmittel gab und gibt es zwar viele. Aber noch hat es kein Pharmakonzern auf den Markt gebracht. Viele der männlichen Testpersonen klagten über Nebenwirkungen, vor allem über Stimmungsschwankungen. Vielleicht liegt die mangelnde Akzeptanz in den Studien aber auch daran, dass die Pille für den Mann bislang noch gar keine Pille ist – sondern eine Spritze.