Samstag, 30. März 2024

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Gebührenpläne für Klimaschutz
Mit 100-Euro-Parktickets gegen Tagestouristen

Rauf mit den Parkgebühren auf 100 Euro pro Tag! Mit dieser Forderung sorgt der Bund Naturschutz in Oberstdorf im Oberallgäu für Aufmerksamkeit. Ziel der Aktion: Tagestouristen sollen nicht mit dem Auto, sondern dem Nahverkehr in die Region zu kommen. Doch es gibt viel Kritik an der Idee.

Von Susanne Lettenbauer | 02.10.2019
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Stau im Oberallgäu (Lettenbauer, Susanne)
Dienstag, vormittags: Stau auf der Bundesstraße B19 zwischen Kempten und Oberstdorf. Autos, Lkw und Motorräder schleichen Stop-and-go Richtung Berge. Am Wochenende sei es noch viel drastischer, sagt Landwirt Willi Hörmann desillusioniert. Seine Familie betreibt seit 150 Jahren einen Bauernhof in Fischen-Langenwang, direkt an der Bundesstraße kurz vor Oberstdorf.
"Eine Zeitlang hat es sich am Wochenende abgespielt und mittlerweile ist es so, dass es unter der Woche genau so ist."
Mit seinem Traktor oder anderen landwirtschaftlichen Geräten komme er oftmals nicht mehr zu seinen Wiesen und Weiden. Seine Kühe, die das touristische Bild vom Allgäu mitprägen, treibt er schon längst nicht mehr auf die Weiden jenseits der Bundesstraße. Die Gäste erwarten aber trotzdem heimische Milch und Produkte vom Allgäuer Bauernhof:
"Wenn wir in der Erntezeit sind, und wir haben ja sämtliche Flächen Richtung Oberstdorf und eben auf der B19, wo wir sie anfahren müssen, wenn die einen Traktor sehen, da geben die Gas. Manche Gäste sehen es ein, die lassen Dich rein, aber andere, die geben Gas, damit sie den Schlepper nicht vor sich haben."
Alle fahren mit dem Auto in die Natur
Über 20.000 Autos seien auf der B 19 an schönen Sonnentagen unterwegs, pro Tag, sagt Michael Finger vom Bund Naturschutz. Das könne so nicht weitergehen. Mit einem provokanten Vorschlag, passend zur Klimadebatte, hat Finger jetzt eine Diskussion ausgelöst: Die Parkgebühren für Tagestouristen sollten von 6 Euro auf 100 Euro pro Tag erhöht werden. Das Geld könne dann dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der seit Jahren erfolglos von den Lokalpolitikern propagiert wird, zugute kommen:
"Das ist eine Möglichkeit der Weglenkung. Mit dem Wertgewinn, den wir daraus erwirtschaften, können wir endlich den viel beredeten ÖPNV fördern und auf die Beine stellen. Einfach mal sagen, wo geht da eine neue Tür auf? Von München in 90 Minuten nach Oberstdorf, na, wer will denn dann noch mit dem Auto fahren?"
Touristen nicht abschrecken, sondern Besuche lenken
Im Rathaus von Oberstdorf distanziert man sich von dem Vorstoß mit dem Statement, dass es sich, Zitat:
"Bei dieser Forderung um eine Forderung des BUND Naturschutz (handelt), die nicht die Meinung von Tourismus Oberstdorf widerspiegelt."
Stichwort Touristenlenkung: Warum die Tagesgäste nicht bereits vor Oberstdorf abfangen, sagt Angelika Soyer, vom Landesverband Bauernhof-Landurlaub, die rund 500 Betriebe im Allgäu unter dem Label "Mir Allgäuer" vertritt. Nur wenige Kilometer abseits der Durchfahrtsstraßen wie in Rettenberg am Grünten würde man sich über mehr Touristen sehr wohl freuen, betont die Betreiberin eines Urlaubsbauernhofes. Deshalb müssten die aus den 60er Jahren stammenden Ski- und Wanderlifte am markanten Allgäuer Berg Grünten modernisiert werden. Was von Tages- wie Übernachtungsgästen auch erwartet werde.
"Das sind elf uralte, dieselbetriebene Anlagen, die werden komplett zurückgebaut, das ist eine reine Qualitätsverbesserung. Es soll auch die Kapazität der Beförderung nicht erweitert werden, sondern nur verbessert. Die alten Anlagen werden zurückgebaut und nur drei Anlagen werden neu gebaut, elektrifiziert."
Das übliche Feindbild: Tourismus versus Umweltschutz
Das 30 Millionen Euro teure Vorhaben stößt auf massive Kritik bei Umweltschützern. Wälder müssten gerodet werden, Beschneiungsanlagen wären notwendig. Aus der Diskussion um den Ausbau am nahegelegenen Riedberger Horn hätten Politiker und Touristikmanager nichts gelernt, kritisiert der BUND Naturschutz. "Fridays for Future"-Aktivistinnen, die ÖDP und Max Stark von der Bürgerinitiative "Rettet den Grünten" rufen für den Donnerstag zu einer Demonstration am Berg auf:
"Am sinnvollsten in unseren Augen ist, das Ganze eben abzubauen und dann den Berg, bezüglich Winterbetrieb, auszulegen auf die alternativen Varianten wie Schneeschuhgänger, Skitourengänger et cetera. Da ist es dann einfach so: Wenn Schnee liegt ist es machbar, wenn kein Schnee liegt muss man nicht künstlich Energie reinstecken."
Die grundsätzliche Frage: Lieber einige wenige große Ski- und Wandergebiete oder doch eher viele kleine, um den Tagestourismus zu entzerren?
Die Argumente aller Seiten liegen nach mehrfachen Treffen auf dem Tisch, jetzt muss das Landratsamt Oberallgäu entscheiden. Dort will man sich nicht äussern, mit Verweis auf das laufende Genehmigungsverfahren. Landrat Anton Klotz (CSU) würde das Modernisierungsprojekt aber befürworten, heißt es.