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Geburt eines "Wunderteams"

Noch ist ungewiss, ob sich Österreich für die Fußball-EM 2012 qualifizieren kann. Das war einmal anders. Österreichs National-Elf wurde einst als "Wunderteam" bezeichnet. Alles soll angefangen haben mit zwei Sportreportern in einem Caféhaus.

Von Martin Hartwig | 16.05.2011
    "Geschweidl bemächtigt sich des Balls mit wunderbarem Kopfstoß ...."

    8:2 fertigte das österreichische Team die Ungarn - eine der besten Mannschaften des Kontinents - am 29. April 1932 ab. Die österreichischen Fußballer bestätigten damit einmal mehr ihren Ruf als "Wunderteam". Der Legende nach begann das "Wunder" in einem Caféhaus.

    "Vor dem Schottlandspiel war Österreichs Verbandskapitän Hugo Meisl an einer fieberhaften Erkrankung bettlägerig. Da Kollege Müller vom Sporttagblatt und ich befürchteten, dass die beiden Manager Robert Lang und Max Seemann den Verbandskapitän bei der Teamaufstellung beeinflussen könnten, übernahm ich die Mission, Hugo Meisl eine Teamaufstellung die Müller und ich gemixt hatten, zu überbringen","

    erinnert sich der Sportjournalist Robert Nazl-Brum. Er und seine Kollegen versuchten im Vorfeld des Länderspiels gegen Schottland ihren Liebling Matthias Sindelar zurück in die Mannschaft zu schreiben, nachdem Verbandskapitän Hugo Meisl zuvor verkündet hatte, ihn nicht mehr neben dem gesetzten Friedrich Gwschindl aufstellen zu wollen. Doch die von Meisl als "Schmieranskis" verachteten Sportreporter blieben hartnäckig.

    ""Nach einigen Tagen kam dann der Verbandskapitän in das Wiener Ringcafé und warf einen Zettel, der unsere Teamaufstellung enthielt, mit den Worten auf den Tisch an dem wir saßen: Da habt's euer Schmieranskiteam!"

    Am 16. Mai 1931 trat dieses Team dann in Wien gegen Schottland an, eine gefürchtete Mannschaft von der Insel, auf der der Fußball erfunden wurde. Josef Smistik, Mittelläufer des österreichischen Teams:

    "Hugo Meisl hat uns gesagt, wir sollen am Anfang defensiv spielen, das heißt die Schotten anrennen lassen. Na, wie die Schotten sind gekommen und wir ham gesehen das es uns heute lauft."

    Es wurde nicht die erwartete Lehrstunde für die Österreicher, die, wie um die Gäste zu ehren, ein System spielten, das als "schottische Furche" bekannt war: eine Aufstellung mit zwei Verteidigern, drei Mittelfeldspielern und fünf Stürmern.

    "Der Ball ist am Boden gewandert, früher das Scheiberlspiel, und jedermann, bitte. Wir haben einen sehr guten Tag gehabt uns ist fast alles gelungen und den Schotten sehr wenig."

    Das Scheiberlspiel, das schnelle Spiel mit trickreichen Kombinationen, überraschte die Schotten, die 5:0 untergingen. Ein Ergebnis, das international für Aufsehen sorgte. Erst recht, da die Mannschaft nur eine Woche später in Berlin Deutschland mit 6:0 schlug. Ihr Torwart Rudi Hiden war einer der Helden des Tages.

    ""Nach dem Spiel haben mich die begeisterten deutschen Fußballanhänger vom Platz getragen, was allerdings die schönste Ehre war für einen Österreicher, der in Deutschland gespielt hat."

    Die deutsche Presse feierte die Österreicher danach als "Wunderteam" - ein Begriff, den die österreichische Presse sofort übernahm und den sie fortan noch häufig benutzen konnte. Das Team legte in den nächsten zwei Jahren eine Siegesserie hin und wurde 1932 Europameister - bis heute der einzige Titel, den eine österreichische Nationalmannschaft gewann. Ihr Mittelstürmer Matthias Sindelar repräsentierte, wie kein anderer, die Spielkultur der Mannschaft. Der Schriftsteller Alfred Polgar schrieb ihm einen Nachruf:

    "Er spielte Fußball wie ein Meister Schach spielt. Mit zweiter gedanklicher Konzeption, Züge und Gegenzüge vorausberechnend, unter den Varianten stets die aussichtsreichste wählend, ein Fallensteller und Überrumpler ohnegleichen. Er hatte sozusagen Geist in den Beinen."

    Die einzige Niederlage, die das Wunderteam erlitt, war ein 4:3 im Dezember 1932 gegen England an der Londoner Stamford Bridge. Das Spiel trug trotzdem zum Ruhm der Mannschaft bei. So nah an den Rand einer Niederlage im eigenen Land hatte die Engländer noch niemand gebracht. Allerdings näherte sich die kurze Ära des Wunderteams damit auch schon fast ihrem Ende. Josef Smistik:

    "Wir sind als Favoriten in das Spiel gezogen, aber nach ein paar Minuten haben wir gesehen: Die Tschechen, unsere Angstgegner, die haben das Spiele laufen lassen, die Mala Ulica und wir sind sehr, sehr schwer ins Spiel gekommen."

    Als Mala Ulica, tschechisch für "Kleine Gasse", wurde das Kurzpassspiel bezeichnet, für das die Prager Mannschaften berühmt waren. Und mit diesem Kurzpassspiel beendete die tschechoslowakische Fußballnationalmannschaft am 9. April 1933 die Serie des Wunderteams. Die Mannschaft gehörte zwar noch für Jahre zur europäischen Spitze, doch die Zeit der spektakulären Siege war vorbei. Das "Wunderteam" löste sich langsam auf - ein neues wurde nie formiert.