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Geburt von Curd Jürgens vor 100 Jahren
Der rastlose Weltstar aus Deutschland

Curd Jürgens war einer der wenigen deutschen Weltstars nach 1945 und konnte es sich leisten, in den Fünfziger Jahren einen großen Bogen um die damals beliebten wie seichten Heimatfilme zu machen. In den Sechzigern und Siebzigern wurde der blauäugige Hüne zu einer Institution des öffentlichen Lebens. Vor 100 Jahren kam er zur Welt.

Von Hartmut Goege | 13.12.2015
    13. Dezember 1975: Zu seinem 60. Geburtstag bekommt Curd Jürgens einen Papagei überreicht. Rechts sitzend: Uschi Glas.
    13. Dezember 1975: Zu seinem 60. Geburtstag bekommt Curd Jürgens einen Papagei überreicht. Rechts sitzend: Uschi Glas. (picture-alliance / dpa - Horst Ossinger)
    "Seien wir doch mal ehrlich: Als die '33 dran kamen, haben wir doch ganz genau gewusst, dass ein kleiner Weltkrieg angerichtet wird, aber die Luftwaffe ohne mich ... nee! Das hätte ich nicht ausgehalten."
    Curd Jürgens als Fliegerass und zynischer Opportunist General Harras in Helmut Käutners "Des Teufels General". Für diese Rolle des zerrissenen Helden wurde er 1955 auf den Filmfestspielen in Venedig zum besten Darsteller geehrt. Es sollte die Paraderolle seines Lebens werden.
    "Vaterland? Was verstehen Sie denn darunter, he? Buchstabieren Sie doch mal: V wie Volksgerichtshof - A wie Aufhängen - T wie Totschlagen - E wie Erschießen - R wie Rassenverfolgung - L wie Lager - Auschwitz, Neuengamme, Dachau ... Sehen Sie, so buchstabiert man heute in Deutschland Vaterland."
    Der Film löste die erste Wehrmachtsdebatte nach Kriegsende aus
    Der Film nach einem Bühnenstück von Carl Zuckmayer stach nicht nur aus der Schwemme der rührseligen Heimatfilme hervor, er löste auch die erste politische Debatte in der noch jungen Bundesrepublik über die Rolle der Wehrmacht während der Nazizeit aus und fand weltweite Beachtung.
    Curd Jürgens, am 13. Dezember 1915 in München als Sohn einer großbürgerlichen Familie geboren, wuchs wohlbehütet in Berlin auf. Sein Vater, ein Kaufmann dänischer Abstammung, und seine französische Mutter hatten ihn zweisprachig und weltoffen aufgezogen. Schon früh nahm er Schauspielunterricht und debütierte 1935 in dem Musik-Lustspiel "Königswalzer". In den darauffolgenden 20 Jahren war er - zumeist in Nebenrollen - stets auf den smarten Liebhaber oder den jungen Helden festgelegt. Die Rolle des Harras aber markierte einen Wendepunkt in Jürgens Karriere. Noch im gleichen Jahr wurde er nach Hollywood eingeladen.
    "Ich habe eine Menge Drehbücher vorgelegt bekommen. Wir haben uns auf eine Rolle noch nicht fest geeinigt, aber jedenfalls auf einen Vertrag, der mich für fünf Filme in vier Jahren verpflichtet."
    Ab 1957 stieg Curd Jürgens in die Liga der Weltstars auf, spielte charmante Charaktere oder konterkarierte seinen Typ als Draufgänger. Er war der meistbeschäftigte und bestbezahlte deutsche Schauspieler seiner Zeit. Vielfach glänzte der blauäugige Hüne als Uniformträger, etwa in "Jakobowsky und der Oberst" mit Danny Kaye, spielte neben anderen Stars wie Yves Montand und Orson Welles, war Partner von Ingrid Bergmann oder ging als deutscher U-Boot-Kommandant auf Tauchstation in "Duell im Atlantik" - mit Robert Mitchum als ebenbürtigem Kapitän eines amerikanischen Kreuzers.
    "Der Kerl ist ein Teufel, Heini! Es gibt nur eins ... entweder wir hängen ihn ab ... oder bringen ihn um!"
    In diesem US- Kriegsfilm von 1957 treffen zwei ritterliche Kontrahenten aufeinander. Erstmals wird hier nach Ende des Zweiten Weltkriegs Hollywoods Stereotyp des verbrecherischen Deutschen aufgebrochen. Westdeutschland war neuer NATO-Partner geworden und Curd Jürgens wurde beiderseits des Atlantiks zur Identifikationsfigur. Nur noch selten, aber dafür in ambitionierten Produktionen, wie 1960 in der Verfilmung von Stefan Zweigs "Schachnovelle", stand er in Deutschland vor der Kamera.
    "Das ist ein Film, den ich sehr, sehr gerne habe, der in Deutschland eigentlich nicht so viel Echo und Erfolg gefunden hat wie im Ausland. Aber das ist eigentlich mein liebster Film."
    Als die großen Filmrollen wegen der Kinokrise - das Fernsehen war auf dem Vormarsch - ab Mitte der 60er-Jahre ausblieben, konzentrierte sich Jürgens auch auf Theater. Presse und Publikum aber fokussierten sich zunehmend auf sein Privatleben. Ob er eine Villa auf den Bahamas oder einen Rolls Royce erwarb, die Klatschspalten füllten sich, doch Curd Jürgens nahm es gelassen:
    "Ich habe mich ein bisschen nach dem amerikanischen Grundsatz gerichtet, solange der Name richtig geschrieben ist, ist alles in Ordnung ..."
    Sein rastloses Leben mit über 140 Filmen aber forderte seinen Tribut. Nach mehreren Herz-Operationen hatte er noch einmal einen großen Auftritt. Sichtlich gezeichnet mit Tränensäcken unter den Augen, spielte er 1977 den Bösewicht Stromberg als Gegenspieler von James Bond in "Der Spion, der mich liebte":
    "Ihre Angriffsziele haben sie bereits erhalten, um 12 Uhr werden sie ihre Abschusspositionen erreicht haben. Und Minuten später haben Moskau und New York aufgehört zu existieren."
    Fünf Jahre später, 1982, starb Curd Jürgens im Alter von nur 67 Jahren in Wien. Tausende Fans begleiteten den Mimen zu seiner letzten Ruhestätte.