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Gedankenexperiment zur Genom-Optimierung
Große, kluge Designerbabys vorerst nicht in Sicht

Für viele Menschen ist das eine erstrebenswerte Vorstellung, ein Kind wie aus einem Katalog zu bestellen. Warum sollte man seinem Nachwuchs nicht die bestmögliche genetische Ausstattung mit auf den Weg geben? Aber die Genom-Optimierung bleibt bislang Science-Fiction.

Michael Lange im Gespräch mit Arndt Reuning | 22.11.2019
Sie sehen ein symbolisches Bild für Designer-Babys: Die Silhouetten von Embyonen in grellen Farben.
Die Wahl des "richtigen" Partners bleibt vorerst die einzig praktikable Methode, seinem Nachwuchs bestimmte Wunscheigenschaften auf den Weg zu geben (imago)
Arndt Reuning: Bei einer künstlichen Befruchtung wird üblicherweise überprüft, ob der im Reagenzglas erzeugte Embryo schwere Erbkrankheiten in seinem Genom trägt. Präimplantationsdiagnostik nennt sich das, PID. Und diese Methode ließe sich im Grunde genommen auch dazu verwenden, um andere Merkmale oder Eigenschaften auszuwählen, etwa die Augenfarbe oder den Intelligenzquotienten. In der Bioethik wird diese Frage schon lange diskutiert, so lange, wie es die PID gibt. Forscher aus Israel haben nun einfach mal in Gedanken durchgespielt, ob dieses Szenario überhaupt realistisch ist. Mein Kollege Michael Lange hat die Veröffentlichung im Fachmagazin Cell gelesen. Diese Designerbabys aus dem Gedankenexperiment der Forscher, wie sollen die denn überhaupt aussehen?
Michael Lange: Die Wissenschaftler haben sich auf zwei Merkmale konzentriert: Das ist einmal die Körpergröße, die hat vor allen Dingen den Vorteil, dass sie sich sehr einfach messen lässt. Und das andere ist der Intelligenzquotient, der lässt sich nicht so einfach messen, wie wir wissen. Aber auch von dem ist immer die Rede, wenn von Optimierung von Menschen die Rede ist. Deshalb haben die Forscher die beiden Größen untersucht.
Partnerwahl oder Embryonenwahl
Reuning: Und wie lässt sich das denn theoretisch erreichen, die zu verändern? Wie kann man diese Merkmale beim Nachwuchs gezielt bevorzugen?
Lange: Sie haben sich zunächst zwei Verfahren angeschaut - rein hypothetisch, alles als Gedankenexperiment: Zum einen durch Partnerwahl. Das findet auch praktisch statt, das ist natürlich eine sehr mächtige Methode, indem man einfach den Partner wählt, der möglichst groß ist. Dann bekommt man größere Kinder. Und das andere ist Embryonenwahl, das ist genau das, was Sie eben mit der PID beschrieben haben, also Präimplantationsdiagnostik, man hat eine Gruppe von Embryonen und wählt sich den aus mit den Genen, die dann für Größe stehen. Und dazu haben sie insgesamt in ihrem Computer über 1000 Paare aus Israel und hundert Männer aus Griechenland hineingebracht sozusagen - deren genetische Daten, die mussten dazu vollständig erfasst werden. Dann wurde alles mit allem gemischt, und es wurde geschaut - und es war so, dass die natürliche Partnerwahl ein viel stärkeres Mittel ist als die Wahl bei den Embryonen; die hat also viel mehr Einfluss auf Intelligenz und Größe. Das war aber auch logisch, weil die Embryonen ja alle miteinander verwandt sind - das heißt, da ist die genetische Auswahl einfach nicht so groß.
Optimierungs-Effekte überraschend gering
Reuning: Aber trotzdem kann man sich oder könnte man sich doch aus diesen Embryonen diejenigen auswählen, bei denen die gewünschten Merkmale, also Größe und Intelligenz, am besten im Erbgut angelegt sind? In welchem Umfang könnte ich denn diese beiden Eigenschaften durch gezielte Auswahl beeinflussen?
Lange: Die Werte, die da erreicht wurden, betrugen im Maximalfall 2,5 Zentimeter bei der Körpergröße. Das ist erstaunlich wenig, man muss sie schon nebeneinander stellen, um so einen Größenunterschied auch feststellen zu können. Und noch kleiner, oder überraschend klein ist der Effekt beim Intelligenzquotienten: 2,5 Einheiten auf der Skala, wenn man einen Durchschnitt von 100 nimmt; sind also 2,5 Einheiten etwa 2,5 Prozent bei der Intelligenz. Auch das ist so ohne weiteres nicht im Alltag spürbar, ob jemand 2,5 Prozent mehr oder weniger intelligent ist.
Reuning: Warum ist das so? Warum sind diese Effekte denn so gering?
Lange: Das ist durchaus überraschend. Zumal bei der Körpergröße geht man von einer Veränderlichkeit von 80 Prozent aus, bei der Intelligenz immerhin noch von 50 Prozent - da hätte man schon etwas mehr erwarten können. Aber es sind sehr viele Gene; auch wenn man teilweise über hundert Gene verglichen hat - das ist immer noch ein kleiner Anteil anscheinend von den Genen, die wirklich eine Rolle spielen. Und man hat die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den Genen einfach nicht im Blick. Und man hat natürlich eine ganz große Blackbox, eine ganz große Unbekannte: die Umwelt, da kann man ja überhaupt keinen Einfluss darauf nehmen. Und dann gibt es noch die Epigenetik mit diesen Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Genetik. Und das alles zusammen führt dazu, dass man eine enorme Schwankungsbreite hat und dass man mit diesen Auswahlmethoden erstaunlich wenig erreichen kann.
Unvertretbare Risiken bei Genomchirurgie
Reuning: Wie sieht es denn aus mit Werkzeugen aus der Genomchirurgie, also zum Beispiel mit einer Genschere, mit der man dann einzelne Embryonen ganz gezielt im Erbgut verändert? Wäre es damit möglich, solche Designerbabys zu erzeugen?
Lange: Die Wissenschaftler haben das nicht konkret untersucht. Aber wenn man die Ergebnisse darauf anwendet, was sieht man? Man müsste enorm viele Gene verändern, und man hat unglaublich viele Wechselwirkungen. Und die könnten auch zu Schaden im Erbgut führen, also die könnten nicht nur dazu führen, dass jemand vielleicht zwei Zentimeter größer wird. Die könnten das Krebsrisiko erhöhen, das Risiko für chronische Krankheiten erhöhen. Und das will natürlich niemand haben. Also - es ist definitiv nicht praxisreif.