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Gedenken an Kriegstote
Schlammschlacht beim Volksbund der Kriegsgräberfürsorge

Beim deutschen Volksbund der Kriegsgräberfürsorge kracht es. Der Widerstand gegen die Reformen von Vereinspräsident Markus Meckel ist massiv. Meckel findet, dass sich der Volksbund zu langsam von seiner Vergangenheit löst, als er lieber schwieg statt Position zu beziehen.

Von Sabine Adler | 19.07.2016
    Der "Ehrenfriedhof Vossenack" am Dienstag (12.04.2005) in der Gemeinde Hürtgenwald in der Eifel. Hier tobte von September 1944 bis Februar 1945 die Schlacht im Hürtgenwald. Hier liegen 2.221 gefallene Deutsche unter ihnen 930 namentlich unbekannt.
    Ehrenfriedhof Vossenack in der Gemeinde Hürtgenwald in der Eifel. Künftig will der Volksbund noch mehr Bildungsarbeit für die nachfolgenden Generationen betreiben (picture-alliance / dpa / Horst Ossinger)
    Feierliche Beisetzung auf dem deutschen Friedhof von Sologubowa in der Nähe von Sankt Petersburg. Jahrzehnte nach Kriegsende werden deutsche Wehrmachtssoldaten zu Grabe getragen.
    "Wir kennen ihr einzelnes Schicksal nicht. Es werden viele darunter sein, gerade zum Ende des Krieges, die jung waren, die nichts anderes als Nationalsozialismus kennengelernt haben und deren Gedankengut. Wir können ihnen nicht alle deutsche Schuld auf die Schultern laden. Aber wir können auch davon ausgehen, dass sie Teil einer Gewalt waren, die furchtbares angerichtet hat."
    Wie Markus Meckel als Präsident des Volksbundes der Kriegsgräberfürsorge an den aufgereihten Särgen spricht, klingt kein Grüß-August, kein Frühstücksdirektor. Eher wie einer, der sich einmischen und den Volksbund aus der Ecke der wie er sagt Ewiggestrigen in die Zukunft holen will. Und damit gehörig aneckt. Im Volksbund wollen viele ihn loswerden. Einer der 16 Landesverbandschefs sagt, es stehe 16 zu Null, alle gegen Meckel und fährt seine Geschütze auf. Angeblich nicht gegen Meckels Reformen, sondern gegen sein Ausgabeverhalten, seinen Führungsstil, reihenweise würden Mitarbeiter kündigen.
    Das kann die Geschäftsführerin Daniela Schily nicht bestätigen, doch auch sie liegt mit Meckel überkreuz.
    "Es gibt zwischen uns ein Verhältnis, was wir lösen müssen, dass wir die Kompetenzen klar abgrenzen. Ich bin hauptamtlich und in dem Sinne habe ich die Verantwortung für die Personalführung, für die Budgetplanung, für das Arbeitsrecht usw. Wobei er laut Satzungsrecht der oberste Vorgesetzte ist, ich aber in der Durchsetzung stark eingreifen muss. Es ist dann schwer, wenn in so einem Apparat das dann doppelt gemacht wird oder aneinander vorbei. In dem Fall von ihm an mir vorbei."
    Markus Meckel, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, spricht am 16.03.2016 in Hamburg auf der Pressekonferenz zur Verleihung des Deutschen Nationalpreises.
    Markus Meckel, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, löst mit seinem Führungsstil Unmut aus (dpa / picture alliance / Dominik Flügel)
    Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, so der Landeschef, der seinen Namen nicht genannt wissen möchte. Meckel wehrt die Vorwürfe ab. Er habe die Weisungsbefugnis. Das Berliner Büro sei nicht teuer neu möbliert worden, er säße am Schreibtisch seines Vorgängers. Eine zu hohe Handy-Rechnung erwies sich als Fehler der Telefongesellschaft, die Kosten der mitreisenden Ehefrau würde diese selbstverständlich selbst tragen.
    "Ich arbeite 60 Stunden die Woche für den Volksbund"
    "Hier gibt es eine innere Revision und die Dinge – sozusagen - lösen sich auf. Wichtig ist, dass allein schon der Versuch, auf einer solchen Ebene mir zu begegnen, mich natürlich zutiefst erschüttert hat. Weil dies mit meiner Arbeit nichts zu tun hat. Ich arbeite 60 Stunden die Woche für den Volksbund, und zwar ehrenamtlich."
    Für 1000 Euro im Monat. Karl Starzacher, Ex-Finanzminister Hessens und Vorsitzender des dortigen Volksbundes, will die Vorwürfe nicht bewerten.
    "Ich möchte den Eindruck vermeiden, dass ein Vorwurf zu Unrecht erhoben wird."
    Der mit 22 Amtsjahren dienstälteste Landeschef, von der SPD wie Meckel, weist den Verdacht zurück, die Schlammschlacht im Kriegsgräberbund finde wegen Meckels Reformpolitik und dem von ihm angeregten neuen Leitbild statt.
    "Dass ein Entwurf, den eine Arbeitsgruppe erarbeitet, dann am Ende in der Organisation einfach abgenickt wird, davon kann man einfach nicht ausgehen. Und wenn am Ende einer kritischen Diskussion dann einvernehmlich ein Leitbild auf den Weg zum Bundesvertretertag gebracht werden kann, dann halte ich das für ein gutes und akzeptables Ergebnis."
    Meckel dagegen findet, dass sich der Volksbund der Kriegsgräberfürsorge zu langsam von seiner Vergangenheit löst, als er lieber schwieg statt Position zu beziehen. Das neue Leitbild bewertet jetzt den Zweiten Weltkrieg als Angriffs und Vernichtungskrieg.
    "Das hat zu heftigen Debatten geführt, weil der Volksbund sich mit solchen Fragen nicht befasst hat. Selbst die Debatte über die Wehrmachtsausstellung der 90er-Jahre hat, ist in irgendeiner Weise an dem Volksbund vorbeigegangen. Man hat gesagt, darum brauchen wir uns nicht zu kümmern, wir kümmern uns um die Angehörigen."
    Dass sich Meckel mit seinem Leitbild nicht durchsetzen konnte, zeigt die verabschiedete Formulierung.
    "Es gab den Versuch, das die ganze Frage der Bewertung des Zweiten Weltkrieges überhaupt wegzulassen. Das ist nicht gelungen. Hier wird durchaus der Zweite Weltkrieg als Angriffskrieg benannt. Auch der Holocaust wird benannt. Was jetzt weniger deutlich wird, sind die Verbrechen im Osten Europas, die tauchen so klar nicht mehr auf."
    Verein will klären, welche Toten und Täter in Gräbern liegen
    Als 2013 Markus Meckel das neue Gesicht des Volksbundes wurde, freuten sich die, denen das Gedenken an die Kriegstoten zwar wichtig war, die es bisher aber zu undifferenziert fanden. Dennoch tut Parteifreund Starzacher sich schwer, Meckel einen guten Präsidenten zu nennen.
    "Das ist schwierig zu beantworten. Die, die von den internen Problemen betroffen sind, werden das anders sehen als eine Öffentlichkeit, die den ehemaligen letzten Außenminister der DDR als einen in der Wirkung sehr positiven Präsidenten des Volksbundes sieht. Da gibt es sicher sehr unterschiedliche Wahrnehmungen."
    Das Präsidium verhängte eine Ausgabensperre, weil unklar war, ob die Mittel für ein geplantes Ausstellungsprojekt reichen. Auf über 60 Soldatenfriedhöfen sollte erklärt werden, welche Toten und Täter in den Gräbern liegen.
    "Wir müssen ja wissen, dass nicht nur Soldaten auf den Friedhöfen liegen, sondern auch die Täter neben ihren Opfern, auch die Zivilisten, auch Opfer der Wehrmachtsjustiz. Dies braucht man, damit die Friedhöfe auch für die nicht mehr Erlebnis-Generation auch zum Sprechen kommen. Für die Bildungsarbeit, aber auch für das öffentliche Gedenken."
    Bis zur Bundesvertreterversammlung im September muss der Machtkampf Präsident gegen Generalsekretärin, Hauptamtliche gegen Ehrenamt aus sein. Ansonsten wird sich Meckel nicht halten können. Da mögen seine Reformen noch so überzeugen, mag er noch so viele Klinken in Parlament und Regierung für die Finanzierung putzen, weil die Spenden und Erbnachlässe von Kriegswitwen immer weniger werden.