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Gedenken in Barcelona
Diskussion um Mahnmal für Terroropfer

Ein zwölf Meter langes Spruchband im Boden soll an die Opfer des Terroranschlags in Barcelona von 2017 erinnern. Bei dem Attentat auf der Rambla waren 14 Menschen getötet worden. Das Mahnmal gefällt aber nicht allen - vor allem an der Wahl des Ortes gibt es Kritik.

Von Julia Macher | 12.12.2018
    Zahlreiche Menschen stehen am 19.08.2017 auf der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona (Spanien) im Kreis um niedergelegte Blumen und Kerzen. Auf der Straße war am 17.08. ein Lieferwagen in eine Menschenmenge gefahren. Bei dem Terroranschlag auf der Promenade wurden mindestens 13 Menschen getötet und zahlreiche verletzt. (zu dpa "Kerzen, Blumen und Stofftiere - Barcelona gedenkt der Terroropfer" vom 19.08.2017) Foto: Matthias Balk/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
    Zahlreiche Menschen trauerten am 19.08.2017 nach dem Terroranschlag auf der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona. (dpa)
    Die Rambles in Barcelona. Touristen strömen über die Flaniermeile, fotografieren sich auf dem bunten, medaillonförmigen Miró-Mosaik. Hier, am "Pla de l'Os" stoppte der Lieferwagen, der am 17. August 2017 vierzehn Menschen in den Tod riss. In Erinnerung daran soll im Frühjahr wenige Meter vor dem Mosaik ein zwölf Meter langes, metallenes Spruchband in den Boden eingelassen werden - darauf Datum und Uhrzeit des Anschlags und der in vier Sprachen übersetzte arabische Satz: "Der Friede sei mit dir, oh, Stadt des Friedens".
    Kopfschüttelnd betrachtet Fermín Villar die künftige Gedenkstätte. Für den Präsidenten der "Amics de la Rambla", einer Interessensvertretung von Geschäftsinhabern und Gastronomen der Rambles, ist der "Pla de l'Os" der falsche Platz: "Wir möchten nicht, dass dem Terror die Macht zugestanden wird, die Bedeutung des Miró-Bildes zu verändern. Der Lastwagen ist 600 Meter über die Rambles gefahren – da gibt es doch genug alternative Stellen, an denen man gedenken könnte. Außerdem fehlt uns eine Hommage an die Hilfe und Solidarität, die die Bürger der Stadt sofort nach dem Attentat und in den Tagen danach leisteten."
    Angehörige und Betroffene sind mit dem Mahnmal zufrieden
    Im Rathaus kann man die Kritik nicht nachvollziehen. Die Bürger seien doch quasi Ko-Autoren des Mahnmals gewesen: Der Satz aus dem künftigen Spruchband stammt von den spontanen Beileidsbekundungen, die Besucher nach dem Anschlag niedergelegt oder an Kioske und Bäume gepinnt hatten. Jede einzelne der 4654 Botschaften wurde für ein frei zugängliches Online-Archiv digitalisiert. Auch einen anderen Standort schließt man kategorisch aus: Das Mosaik gehört zu einem vierteiligen Werk, das Joan Miró 1976 seiner Heimatstadt schenkte um Besucher, die zu Luft, zu Wasser oder auf dem Landweg nach Barcelona kamen, willkommen zu heißen.
    Allein schon deswegen sei ein Bezug zum Attentats-Mahnmal unvermeidbar, sagt Ricard Vinyes, Gedenkbeaufragter der Stadt Barcelona. "Dass der Wagen ausgerechnet in der Nähe eines Willkommenssymbols stoppte , machte es notwendig mit diesem Ort umzugehen, ihn sich wieder anzueignen. Der ausgewählte Satz "Der Friede sei mit dir, oh, Stadt des Friedens" ist ja auch ein Willkommensgruß, beide Werke ergänzen sich und treten miteinander in Dialog."
    Mit Ausnahme des Interessenvereins "Amics de la Rambla" scheint der Konsens für das geplante Mahnmal groß. Die Joan-Miró-Stiftung unterstützt das Vorhaben. Auch Angehörige und Betroffene sind zufrieden: Sie waren bei den Planungen beteiligt und haben den Satz auf dem Metallband ausgewählt.
    Problematischer Umgang auch mit Gedenken an ETA-Terroropfer
    So reibungslos funktioniert das Miteinander von Betroffenen und Verwaltung nicht immer. Mehr als drei Jahrzehnte litt das Land unter dem Terror der baskischen Terror-Organisation ETA, fast tausend Tote forderte der Konflikt auf beiden Seiten. Doch im Umgang mit dem Gedenken tat sich die Politik oft schwer. Als die ETA 1987 bei einem ihrer verheerendsten Anschläge in Barcelona 21 Menschen ermordete, dauerte es lange, bis Angehörige und Überlebende einen Gedenkort bekamen: Erst 2002 wurde eine allen Opfern des Terrorismus gewidmete Granitskulptur des US-amerikanischen Bildhauers Sol LeWitt eingeweiht, erinnert Robert Manrique, Präsident des Opfer-Verbandes UAVAT.
    "Die Verwaltung hat sich des Themas frühzeitig angenommen, allen Opfern und Betroffenen, mit denen ich gesprochen habe, gefällt das Mahnmal. Das ist gut so. Die Zeiten haben sich geändert. Inzwischen hat nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Politik verstanden, dass ein Attentat jeden treffen kann – und dass Terror nicht nur ein politisches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem ist."
    "Man hat die Opfer politisch benutzt"
    Jahrzehntelang habe man in Spanien zwischen Opfern erster, zweiter und dritter Klasse unterschieden, moniert Manrique – je nachdem, aus welchen sich politisch Kapital schlagen ließ. Das Problem war auch Ricard Vinyes bewusst: "Man hat die Opfer politisch benutzt und instrumentalisiert und so großen Schaden angerichtet – das haben wir versucht zu vermeiden."
    Dass sich die Angehörigen und Betroffenen für einen Satz auf Arabisch entschieden hätten, hält Vinyes für bemerkenswert – das sei ein Zeichen dafür, dass Erinnerungspolitik auch ohne ideologische Scharmützel oder Pauschalisierungen auskommen kann.