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Geduld gefordert

Nach dem Nein der Franzosen und Niederländer zur europäischen Verfassung verharrte die Gemeinschaft drei Jahre lang in einer Denkpause, bis der Vertrag von Lissabon im vergangenen Dezember von allen 27 Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet wurde und eine Lösung versprach. Die Zuversicht währte ein halbes Jahr, bis das Nein der Iren einen Strich durch die Rechnung machte.

Von Doris Simon, Barbara Schmidt-Mattern und Volker Finthammer | 20.06.2008
    Krisengipfel sehen anders aus. Vor drei Jahren noch, als neben den Franzosen auch die Niederländer die europäische Verfassung abgelehnt hatten, saß der Schock tief und die Staats- und Regierungschefs der EU konnten die Depression kaum verbergen. Ganze zwei Jahre lang Jahre verharrte die Gemeinschaft in einer Denkpause, bis der Vertrag von Lissabon im vergangenen Dezember von allen 27 Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet wurde und eine Lösung versprach: Ein Vertrag, der zwar keine Verfassung mehr sein aber dennoch den Aufbruch in ein neues Zeitalter markieren sollte: Eine handlungsfähige EU die das Zusammenspiel der 27 Staaten nach innern erleichtern und ihr nach Außen ein Gesicht und eine Stimme geben sollte. Die Zuversicht währte ein halbes Jahr, bis das Nein der Iren am Freitag, den 13. Juni einen Strich durch die Rechnung machte. Doch dieses Mal ließen sich die Staats- und Regierungschefs nicht so sehr irritieren. Eine erneute grundsätzliche Debatte soll vermieden, der Ratifizierungsprozess weiter vorangetrieben und die Iren für ein neues Referendum gewonnen werden:

    "Wenn wir nur die Lage die Frage bewerten, dann heißt ja die Fragestellung: ist das, was wir mit dem Lissabonner Vertrag haben, besser, um die Bedenken der Menschen ernst zu nehmen, oder ist das, was wir mit Nizza haben, also heute haben, wenn sich gar nichts ändert, besser? Und ich komme nach jeder Prüfung, und ich habe mich das auch oft gefragt, natürlich zu dem Ergebnis, dass wir das, was wir mit Lissabon vorgelegt haben, in einem übrigens ja achtjährigen Diskussionsprozess, der auch nicht nur in Hinterstuben stattgefunden hat, sondern in Konventen, in Beteiligung der nationalen Parlamente, dass dieses Ergebnis ein Ergebnis ist, das vielen Bedenken Rechnung trägt, vielleicht noch nicht allen, aber vielen."

    Und deshalb, so Bundeskanzlerin Angele Merkel, lautet die nüchterne und pragmatische Schlussfolgerung, dass man den Iren Zeit einräumen will, damit sie für sich Lösungen finden können, die ein zweites Referendum rechtfertigen können. Diese Auszeit ist dringend geboten. Der neue Regierungschef Brian Cowen ist gerade mal einige Wochen im Amt und steht einer Regierung vor, die den Vertrag von Lissabon unterstützt. So gesehen war klar, dass Cowen keine umfassende Analyse der Hintergründe würde vorlegen können und sich weitere Zeit ausbedungen hat:

    "Wir haben um Zeit gebeten um das Ergebnis des Referendums bewerten zu können, weil es da viele Entwicklungen und Meinungen zu berücksichtigen gilt, und die müssen wir alle einbeziehen, um zu einem klaren Ergebnis zu kommen. Daneben müssen wir auch mit unseren europäischen Kollegen über Auswege sprechen, die am Ende für alle gangbar erscheinen, und das ist nicht nur wichtig für uns sondern auch für die EU und unseren Platz in dieser Gemeinschaft. "

    Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zeigte sich trotz aller Bedenken, und der Fragezeichen, ob die irische Bevölkerung ein zweites Referendum akzeptieren werde, zuversichtlich, dass der Vertrag doch noch umgesetzt werden kann.

    "Wir werden die Lage im Oktober noch einmal besprechen und ich denke es lohnt sich nicht jetzt weitreichende Spekulationen anzustellen. Das hilft niemandem, Aber ich glaube, dass es möglich sein wird, den Prozess der Ratifizierung des Vertrages von Lissabon abzuschließen. "

    Damit haben die Iren aus Brüssel eine klares Signal erhalten, was von ihnen erwartet wird. Vier Monate bleiben ihnen nun, um der EU auf dem nächsten Gipfel im Oktober einen Fahrplan zu präsentieren und die drängenden Fragen der anderen zu beantworten: Wie kann Irland und damit auch die Europäische Union aus der Sackgasse wieder rauskommen, in die sie nach dem Nein beim Referendum geraten ist? Derek Scally, Korrespondent der Irish Times, warnt davor, zu viel Druck aufzubauen:

    "Ich glaube, das ist richtig richtig gefährlich. Ich glaube, die Iren sind sehr bemüht, dass sie kriegen ihren Platz und Raum, und sie sagen, wir kommen zurück, wenn wir zurück kommen. ... Und wenn Deutschland oder Frankreich sagt, jetzt wollen wir Antworten haben, das sieht in Irland sehr schlecht aus, und das könnte ein zweites Nein herbeiführen."

    Doch die irische Regierung muss zweigleisig fahren. Will sie die öffentliche Meinung in Irland zugunsten eines Ja zum Lissabonner Vertrag umkehren, ist jetzt Fingerspitzengefühl gefragt. Ein Stimmungswechsel auf der Grünen Insel lässt sich nur mit Geduld und Besonnenheit herbeiführen. Andererseits fordert der Rest Europas einen klaren Fahrplan. Premierminister Brian Cowen hat den Druck seiner Amtskollegen auf diesem Gipfel deutlich zu spüren bekommen, sagt Irish Times Korrespondent Derek Scally.

    "Unglaubliches Druck. Natürlich öffentlich ist alles nur Blumen und schöne Wörter, aber im Hintergrund hören wir von Frankreich, von Deutschland, dass sehr klar ausgedrückt worden ist, ja, das Ergebnis ist schade, aber ihre Unterschrift steht auf diesem Vertrag und sie haben sich verpflichtet diesen Vertrag zu ratifizieren, also macht schon, dalli dalli. Und die Sprache, ich glaube hier eher zum zweiten Tag, die Sprache wird noch mehr offen, aber natürlich nur hinter geschlossener Tür."

    Die Gegner des Lissabonner Vertrages zeigen unterdessen Flagge. Flankiert von französischen und niederländischen Euroskeptikern - also aus den beiden Ländern, die die den Vorgänger-Vertrag, die europäische Verfassung, 2005 per Referendum ablehnten, stellte die irische Europa-Abgeordnete Mary Lou Mc Donald von der europaskeptischen Sinn Fein Partei gestern in Brüssel klar, dass es für ihre Partei nur eine Konsequenz gibt nach dem Nein der Iren:

    Tot sei er, dieser Lissabonner Vertrag. Die Sorge vor einer zunehmender Militarisierung und einem schwindendem irischen Einfluss in Brüssel habe ihre Landsleute zum Nein bewogen. Das, sagt Mary Lou McDonald, seien jedoch nicht die einzigen Gründe:

    "Die irischen Wähler haben diesen Vertrag mit großer Mehrheit abgelehnt, weil in ihm die tief sitzende Sorge um Arbeitnehmerrechte in Europa nicht genügend angesprochen wird. Diese Rechte - sowohl der Arbeiter in Irland wie auch im Rest Europas - werden immer weiter ausgehöhlt, auch dazu findet sich im Vertrag von Lissabon keine Zeile. Die irischen Wähler haben aber auch nein gesagt, weil sie keine weitere Liberalisierung unserer grundlegenden öffentlichen Dienste, zum Beispiel der Stadtwerke oder Verkehrbetriebe, wollen. Sie wollen einen Vertrag, der diese so wichtigen öffentlichen Dienste vor Privatisierungen schützt."

    Und dann sagt die irische Europa-Abgeordnete noch, was aus ihrer Sicht nun passieren muss:

    "Was wir jetzt brauchen, ist eine neue Diskussion, neue Verhandlungen und ein neuer Vertrag."

    Ein Szenario, das die Mehrheit der EU-Staaten, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel verhindern will. Statt neuer Denk- oder Reflexionsphasen geht es jetzt um Handlungsfähigkeit. Deshalb wollen die EU-Länder die Ratifizierung des Reformvertrages in den noch ausstehenden sieben Mitgliedsstaaten um jeden Preis zu Ende bringen. Dann könnten die Iren dem Dokument in einem zweiten Anlauf doch noch zustimmen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg - und zudem nur einer von vier Optionen. Sebastian Kurpas vom Zentrum für europäische politische Studien in Brüssel beschreibt, welche Alternativen der Europäischen Union bleiben, sollte der Lissabonner Vertrag nicht zustande kommen:

    "Ja, es gibt zunächst einmal die Sache, dass man einfach so weiter macht, wie bisher. Das würde einfach das Signal senden: Europa ist nicht reformfähig, Europa, so, wie es jetzt im Moment läuft, funktioniert, aber man darf dann keine größeren Erwartungen, vor allem in den neuen Politikbereichen erwarten. also in der gemeinsamen Energiepolitik, eine verstärkte Arbeit im Bereich Verteidigung, ein stärkeres Europa im Bereich der Justiz und Innenpolitik. Ein zweites Szenario ist das, dass dann ein Gruppe von Ländern sagt, wir machen gemeinsam weiter, nicht alle, wir haben das eigentlich schon, wir haben das beim Euro, wir haben das beim Schengenabkommen. Man könnte auch avisieren eine komplett neue Vertragsverhandlung, dafür sehe ich derzeit eigentlich keinen politischen Willen, ja, und die vierte Möglichkeit ist, dass man den Iren diesen Vertrag noch einmal vorlegt und sagt, überlegt es euch doch noch einmal, vielleicht mit einem Protokoll, in dem bestimmte Zugeständnisse gemacht werden."

    Doch nicht allein das Was zählt, sondern auch das Wie. Irlands Premierminister Brian Cowen muss sich als guter Verkäufer zeigen, wenn er denn im Falle eines zweiten Referendums ein Ja seiner Landsleute zum Lissabonner Vertrag erreichen will. Das meint Irish-Times Korrespondent Derek Scally:

    "Sie(Die Regierung) müssen einfach ganz klar sein. Einige von Euch waren böse auf uns, aber jetzt seht Ihr die Folgen. Einige von Euch hatten Ängste, und wir möchten die jetzt ansprechen, aber am meisten werden sie einfach sagen, jetzt erleben wir die Konsequenzen. Ihr habt die Reaktionen bemerkt. Wir geben Euch die zweite Chance, das anzuschauen, und wenn Ihr nochmals mit diesen Konsequenzen leben wollt - und sie werden die Konsequenzen ausmalen, dann vielleicht an der Peripherie in Europa sein - wenn dann ein zweites Nein kommt, dann müssen wir alle damit leben."

    Sollte denn ein zweites Referendum in Irland stattfinden, werden nicht nur Argumente, sondern auch die richtige Psychologie zählen. Im Herzen seien sie doch Europäer - das haben selbst die Euroskeptiker in Irland gebetsmühlenartig wiederholt in den letzten Tagen. Selbst die Sinn Fein Abgeordnete im EU-Parlament, Mary Lou Mc Donald bekannte:

    "Es gibt absolut keinen Zweifel, dass Irland ein vollwertiges Mitglied der Europäischen Union ist - und nichts anderes. Die Debatte um ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, um Länder die dabei sind, oder draußen bleiben, diese Debatte ist vollkommen unerträglich. Wir sind absolute Europäer, und jeder Vorschlag, Irlands Mitgliedsstatus zu ändern, oder sogar die verrückte Vorstellung, Irland könnte sich aus der EU zurückziehen, muss mit aller Deutlichkeit ausgeschlossen werden. Für die Ja- wie auch die Neinsager in Irland ist glasklar: Wir sind ein pro-europäisches Land."

    Wenn die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages wirklich scheitert, dann fällt die Europäische Union nicht ins Bodenlose. Aber einen neuen Anlauf werden die 27 Regierungen nicht nehmen, betonte Frankreichs Staatspräsident Sarkozy auf dem Brüsseler Gipfel :

    "Es wird keine andere Verfassung oder einen anderen Vertrag geben. Entweder Lissabon oder wir bleiben beim Nizza-Vertrag. "

    Seit sieben Jahren macht die EU Politik auf der Basis dieses Nizza Vertrages: mehr recht als schlecht schon zu Beginn damals mit 15 Mitgliedsländern, mit 27 ist es ein Krampf, vor allem ohne die überfällige Reform der europäischen Institutionen, die eigentlich vor der großen Runde der Osterweiterung hätte abgeschlossen sein sollen.
    Bei der Aussicht, europäische Politik weiterhin auf dieser Grundlage machen zu müssen, graust es allen Politikern, ob politisch rechts oder links, ob aus alten oder neuen Mitgliedsländern. Einer aus dem Kreis der Staats- und Regierungschefs fasste es so zusammen: Das einzig Gute am diesem Vertrag sei, dass man ihn damals so schlecht ausgehandelt habe, dass nun wirklich jede Regierung den Lissabonner Vertrag wolle, um endlich über eine vernünftige Arbeitsgrundlage in Europa zu verfügen. In vielen Bereichen ist die Reform nötig, um mehr Effizienz und auch Transparenz in europäische Entscheidungen zu bringen.

    Denn bleibt es beim Vertrag von Nizza, dann bleibt beispielsweise auch der Zwang zu einstimmigen Beschlussfassung der Europäischen Union: Wäre dagegen der Reformvertrag ratifiziert, dann würde allein durch das Wissen darum, dass notfalls auch Projekte mit Mehrheit durchgesetzt werden können, so manche Entscheidung unter 27 Ministern schneller fallen. Müssen die Mitgliedsstaaten auf der Grundlage des Nizza Vertrages weiterarbeiten, dann bleibt auch ein weiteres großes EU-Projekt auf der Strecke, der EU-Außenminister, der seine Stärke beziehen sollte aus seiner Stellung als stellvertretender Kommissionspräsident und aus dem ihm unterstellten diplomatischen Apparat. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier:

    "Die Neuregelungen, die wir vereinbart haben im Lissabon Vertrag, sind notwendig, um die Möglichkeit, einheitliche gemeinsame europäische Außenpolitik zu betreiben sicher zu stellen. "

    Doch derzeit beschäftigen konkretere Sorgen die Politiker in Europa. Im nächsten Juni wählen die Bürger in allen 27 Mitgliedsländern ein neues europäisches Parlament. Der Lissabonner Vertrag sollte über seine Inhalte hinaus ein Signal sein, dass Europas Politiker den Ruf nach Demokratie und Transparenz ernst nehmen: So soll das Europaparlament mit der Reform erstmals wichtige Mitsprache- und Kontrollrechte erhalten, zum Beispiel im Bereich Inneres und Justiz und in der Agrarpolitik - dort beschränkten sich die Rechte der Europaabgeordneten bisher vor allem auf Appelle. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok:

    "Dieser Vertrag gibt mehr Möglichkeit, dass es mehr Bürgerbeteiligung gibt. Wir werden mehr im Sinne der Bürger entscheiden können, es wird ne klare Kompetenzabgrenzung geben, damit wir nicht zu viel Zentralismus machen - mit Kontrollmöglichkeiten der nationalen Parlamente - es wird diesen Wertebezug geben, es wird die Möglichkeit des Bürgerbegehrens geben und auch mehr Transparenz indem Gremien offen tagen oder auch der Ministerrat ... "

    Ändern soll sich auch die Zusammensetzung des Parlamentes, die Stimme kleiner Länder soll stärker berücksichtigt werden: Einige große, wie Deutschland, geben Sitze ab, Länder wie Malta, Luxemburg und Bulgarien bekommen Mandate hinzu. Auch dieser Plan steht nun auf der Kippe: Denn wenn nicht in allen 27 EU-Ländern der Lissabonner Vertrag bis spätestens Anfang 2009 ratifiziert ist, dann reicht die Zeit nicht mehr aus, um das Europäische Parlament nach den neuen Regeln wählen zu lassen. Das ist der Hauptgrund für die Eile und für den Druck der anderen auf die Regierung in Dublin: Denn ein zweites irisches Referendum müsste eigentlich bis zum Jahresende angesetzt werden. Viele Europaabgeordnete fürchten zudem einen Wahlkampf, in dem sie für das Scheitern der Reform der EU verantwortlich gemacht werden, und das, ohne auf andere Erfolge verweisen zu können - wie die im Vertrag vorgesehenen größeren Kontrollmöglichkeiten. Ernsthafte Alternativen zur vorgesehenen Reform des Parlamentes sieht dessen Präsident nicht. Hans-Gert Pöttering, (Präsident des Europaparlaments):

    "Es wäre nicht sinnvoll jetzt über diese Frage Initiativen zu ergreifen, denn es muss jetzt darum gehen, dass wir das Gesamtpaket verwirklichen, das heißt, dass der Reformvertrag verwirklicht wird, und deswegen sollte man keine Schritte einleiten, die dieses in Frage stellen könnte. Wir müssen uneingeschränkt den Ratifizierungsprozess fortführen und sollten spätestens beim Europäischen Rat im Oktober dieses Jahres ein Verfahren festlegen, das ein Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages rechtzeitig vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 ermöglichen kann. "

    Doch ein endgültiges Scheitern des Lissabonner Vertrages bedeutet nicht nur das Aus für viele Pläne und manche Verbesserung in Europa. Gelingt die Ratifizierung der Reform der EU nicht, dann wird die Europäische Union viel von ihrer Ausstrahlung und Anziehungskraft verlieren, die sie zu einem Stabilitätsanker weit über die Grenzen ihrer Mitgliedsstaaten hinaus gemacht hat. Mit der Perspektive auf einen Beitritt hat die EU über Jahrzehnte hinweg Europa befriedet. Das könnte bald Geschichte sein, wie Frankreichs Staatspräsident Nicholas Sarkozy auf dem Gipfel deutlich machte:

    "Ganz sicher ist der Erweiterungsprozess, solange wir das institutionelle Problem nicht gelöst haben, unterbrochen - rechtlich und tatsächlich. Wir werden nicht mit einer Erweiterung fortfahren, wenn wir schon keine Einigung unter 27 erreichen können."

    Noch glauben viele konservative Politiker in Europa, dass man auch ohne Reformvertrag wenigstens Kroatien noch werde aufnehmen können. Doch der ebenfalls konservative französische Staatspräsident glaubt nicht daran:

    "Ich fände es sehr merkwürdig, wenn sich das Europa der 27 nicht auf gemeinsame, funktionierende Institutionen einigen kann, aber darauf, ein 28., 29. oder 30. Mitglied aufzunehmen. Jeder kann sehen, was die EU die Erweiterung ohne eine Reform der Institutionen gekostet hat. Das ist ein sehr guter Grund, den Vertrag von Lissabon zu ratifizieren."

    Völlig unklar ist derzeit auch, auf welcher rechtlichen Basis die nächste EU-Kommission zustande kommen wird. Sie soll nach den Wahlen zum Europaparlament 2009 zusammentreten. Ist bis dahin der Lissabonner Vertrag ratifiziert, können alle Mitgliedsländer weiterhin einen Vertreter in die Kommission nach Brüssel entsenden. Erst für 2014 ist die Verkleinerung des Gremiums auf 18 Kommissare vorgesehen.

    Doch gilt nach einem Scheitern der Ratifizierung der Nizzaer Vertrag weiter, dann müsste die Kommission sofort verkleinert werden. Es weiß nur keiner, wie dieses gehen soll, und wer freiwillig auf seine Stimme am Brüsseler Kommissionstisch verzichten würde.

    "Die Vorschriften im Nizza Vertrag heißen ja so: die Kommission muss ab 2009 kleiner sein als 27, aber sie muss auch einstimmig bestimmt werden, und ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass wir einen einstimmigen Beschluss haben, was irgend ein Land dann klaglos akzeptiert. "

    Sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel eher bedauernd. Denn das hätte mit Effizienz, Transparenz und Bürgernähe gar nichts zu tun. Aber um die ging es ja auch nicht im Nizzaer Vertrag. Dafür muss der Lissabonner Vertrag ratifiziert werden, sagt der französische Präsident Sarkozy, der in den kommenden sechs Monaten dem europäischen Rat vorsitzt.

    "Ich werde im Juli in meiner Funktion als neuer Ratspräsident nach Irland reisen außerdem werde ich noch mit den Regierungschefs der beiden nachfolgenden Ratspräsidentschaften Tschechien und Schweden zusammentreffen, damit wir gemeinsam an einer Lösung arbeiten können. "