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"Gefährder" in Frankreich
Politiker fordern Überwachung mit elektronischer Fußfessel

Seit den Anschlägen von Paris werden in der französischen Politik Forderungen nach einem entschiedeneren Vorgehen gegen islamistische Gefährder laut. Die diskutierten Maßnahmen reichen von der Internierung Terrorverdächtiger bis hin zur Überwachung mit elektronischen Fußfesseln. In mindestens einem Fall hat dies allerdings nicht geholfen.

Von Martin Zagatta | 28.12.2016
    Frankreichs ehemaliger Präsident Nicolas Sarkozy hält eine Rede während seines letzten Wahlkampfes in Nimes, Südfrankreich.
    Der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy will, dass alle in der sogenannten Fiche-S-Datei geführten Verdächtigen mit elektronischen Fußfesseln überwacht werden. (picture alliance / dpa / Guillaume Horcajuelo)
    Sie in einem Internierungslager wegzusperren, sie zumindest unter Hausarrest zu stellen und sie, wenn möglich, umgehend abzuschieben. Mit solchen Forderungen, viel entschiedener gegen so genannte "Gefährder" vorzugehen, sieht sich die französische Politik seit dem vergangenen Jahr besonders heftig konfrontiert, seit den Anschlägen von Paris. Die beiden Islamisten, die beim Überfall auf die Redaktion des Satireblatts "Charlie Hebdo" elf Menschen erschossen haben, sollen nämlich genauso in der Datenbank des Geheimdienstes geführt worden sein wie zumindest zwei der Attentäter, die beim Angriff auf den Musikclub "Bataclan" und andere Orte 130 Menschen ermordet haben.
    Sarkozy fordert elektronische Fußfessel für Gefährder
    Fiche S wird diese Liste genannt, in die Verdächtige aufgenommen werden, die als eine Gefahr für die "Sûreté de l‘Etat", für die staatliche Sicherheit, eingestuft werden. Die Ordnungskräfte sind angehalten, Personen mit einem Fiche-S-Vermerk besonders aufmerksam zu kontrollieren und den Geheimdienst über Auffälliges zu informieren. Eine automatische Überwachung ist damit aber nicht verbunden, was Politiker wie der Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ändern wollen, als Konsequenz aus den Terroranschlägen. "Der Rechtsstaat muss sich auf diese Bedrohung einstellen und sich dazu durchringen, die Fiche-S-Personen unter Hausarrest zu stellen, zumindest die gefährlichsten unter ihnen. Ich bin überzeugt, dass man deren Freiheit einschränken muss, um die Freiheit der Franzosen zu schützen."
    Sarkozy will, dass alle in der Fiche-S-Datei geführten Verdächtigen mit elektronischen Fußfesseln überwacht werden. Das wären nach letzten offiziellen Angaben mindestens 10.500 Personen, vorwiegend Menschen, die islamistischen Bewegungen angehören oder in Kontakt zu ihnen stehen. Ihre Zahl habe sich in nur vier Jahren verdoppelt. Und als besonders gefährlich, so heißt es, werden 840 Personen angesehen, die als mutmaßliche Kämpfer aus Syrien oder dem Irak zurückgekehrt sind, darunter knapp 150 Ausländer.
    Alle Dschihad-Rückkehrer in Internierungslager wegsperren?
    Sie, die Nicht-Franzosen, die in der Gefährder-Datei aufgeführt sind, sofort abzuschieben, das ist eine Forderung, die der rechtspopulistische Front National schon lange erhebt. Das zum Beispiel, so wird jetzt angeführt, hätte den jungen Marokkaner getroffen, der im Sommer in einem Thalys-Schnellzug Reisende zu ermorden versuchte und von Fahrgästen überwältigt wurde. Er soll als Fiche-S-Verdächtiger registriert gewesen sein und sich mehrfach über Meldeauflagen hinweggesetzt haben.
    Georges Fenech von den Republikanern, der den Untersuchungsausschuss zu den Attentaten von Paris geleitet hat, schlägt vor, alle Rückkehrer aus dem Dschihad in einem Internierungslager wegzusperren. Gegen ein solches "französisches Guantanamo" hat sich Manuel Valls noch als Premierminister ganz vehement ausgesprochen. Doch auch Valls, der wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, zieht entschiedenere Maßnahmen gegen Terrorverdächtige in Betracht: "Die Fiche S-Vermerke sind ein Mittel der Überwachung in dem Krieg, den wir gegen den Terrorismus führen, um die Sicherheit der Franzosen zu garantieren. Darum überprüfen wir alle Möglichkeiten und schließen keine Lösung aus."
    Mörder eines Priesters waren in Fiche-S-Datei registriert
    Die Regierung von Francois Hollande hatte sich noch mit Zustimmung von Valls die Forderung des Front National zu eigen gemacht, verurteilten Terroristen die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn diese noch eine zweite besitzen. Ein Vorstoß, der dann allerdings am Widerstand aus den eigenen Reihen gescheitert ist.
    Mit dem nach den Anschlägen von Paris verhängten und gerade wieder verlängerten Ausnahmezustand werden den Sicherheitskräften nun schon mehr als ein Jahr lang nicht nur zusätzliche Kontrollen auch an den Grenzen ermöglicht. Sie dürfen Wohnungen auch ohne richterlichen Beschluss durchsuchen. Mutmaßliche Dschihadisten können leichter als zuvor unter Hausarrest gestellt oder zum Tragen von elektronischen Fußfesseln verpflichtet werden. Das alles hat aber die Ermordung eines Priesters in der Normandie auch nicht verhindern können. Die beiden jungen Islamisten, die den 85-jährigen im Sommer während eines Gottesdienstes getötet haben, waren in der Fiche-S-Datei registriert, einer sogar mit einer Fußfessel ausgestattet. Den Mord, so heißt es, hat er in einer regulären Pause von seinem Hausarrest begangen.