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Gefährlicher Biosprit

Offenbar führt die Produktion von Biosprit zu einer erhöhten Sterblichkeit. Das hat Nick Hewitt von der Universität von Lancaster herausgefunden. Hintergrund: Der vermehrte Anbau von Baumarten, die für Ökotreibstoff verwendet werden, sorgt für einen Anstieg von bodennahem Ozon.

Nick Hewitt im Gespräch mit Monika Seynsche | 07.01.2013
    Monika Seynsche: Biotreibstoffe haben schon von vornherein keinen sonderlich guten Ruf. Angeblich können sie die Motoren einiger Autos kaputt machen und definitiv zerstören sie den Regenwald - denn die Plantatagen müssen dann gepflanzt werden für die Biotreibstoffpflanzen. Jetzt schreiben britische Forscher im Fachmagazin "Nature Climate Change", dass die Produktion von Biotreibstoffen sogar für den Menschen lebensgefährlich sein kann. Vor der Sendung habe ich mit dem Hauptautor der Studie, Nick Hewitt von der Universität Lancaster, gesprochen und ihn ihn gefragt, was Biotreibstoffe mit der Sterblichkeit zu tun haben.

    Nick Hewitt: Ozon ist ein sehr bedeutender Luftschadstoff, der sowohl für Menschen als auch für Feldfrüchte ungesund ist. Bodennahes Ozon entsteht durch chemische Reaktionen in der Atmosphäre, an denen das Sonnenlicht, Stickoxide und flüchtige organische Verbindungen beteiligt sind. Und eine der reaktivsten flüchtigen organischen Verbindungen ist Isopren, das von Pflanzen in die Atmosphäre abgegeben wird. Allerdings nicht von allen Pflanzen. Traditionelle Feldfrüchte oder auch Gräser produzieren kein Isopren. Für die Biotreibstoffproduktion wichtige Baumarten wie Pappeln, Weiden oder Eukalyptus dagegen produzieren sehr viel Isopren. Wenn wir also Feldfrüchte durch diese Baumarten ersetzen, gelangt mehr Isopren in die Atmosphäre. Durch mehr Isopren entsteht mehr Ozon und das wiederum schadet der menschlichen Gesundheit und dem Ernteertrag.

    Seynsche: Wie haben Sie das herausgefunden? Was haben Sie also in Ihrer Studie untersucht?

    Hewitt: Wir haben für unsere Studie Modelle genutzt, die die Vorgänge in der Atmosphäre darstellen. Aus früheren experimentellen Studien wissen wir, dass Pappeln und Weiden sehr viel Isopren produzieren. In unserem Modell haben wir auf 72 Millionen Hektar Land in Europa die zurzeit dort wachsenden Feldfrüchte oder Gräser durch Pappeln und andere Energiepflanzen ersetzt. Dann konnten wir modellieren, wie viel Isopren dadurch in die Atmosphäre gelangt und wie viel Ozon entsteht. Der negative Effekt von Ozon auf die menschliche Gesundheit und auf den Pflanzenertrag ist bekannt. Aus der Menge an Ozon, die in der Atmosphäre entsteht, konnten wir also berechnen, wie groß der Schaden für Menschen und Feldfrüchte ist.

    Seynsche: Kommen wir zu den Ergebnissen. Welche Auswirkungen sehen Sie für die menschliche Gesundheit?

    Hewitt: Das ist eine reine Fallstudie, wir können also keine definitiven Aussagen darüber treffen, was wirklich geschehen wird. In unserem Fall haben wir auf 72 Millionen Hektar die traditionellen Feldfrüchte durch Energiepflanzen ersetzt. Warum 72 Millionen Hektar? Das ist genau die Fläche, die man bräuchte um die Biotreibstoffziele zu erfüllen, die sich die Europäische Union bis 2020 gesetzt hat. Wenn wir also auf dieser Fläche alle Feldfrüchte und Gräser durch Energiepflanzen ersetzen, dann zeigt unser Modell, dass die dadurch entstehenden Ozonmengen etwa 1300 zusätzliche Todesfälle pro Jahr verursachen werden, genauso wie einen Ernteverlust an Weizen und Gerste von acht Millionen Tonnen pro Jahr.

    Seynsche: Ausgehend von Ihren Ergebnissen, was bedeutet das für die Ziele der Europäischen Union in Bezug auf die Biotreibstoffproduktion?

    Hewitt: Ich denke, unsere Ergebnisse zeigen, dass wir sorgfältiger nachdenken müssen über so großflächige Veränderungen der Landschaft. Aus klimatischer Sicht scheint die Biotreibstoffproduktion sehr attraktiv, um den Ausstoß fossiler Treibhausgase zu mindern. Aber wir müssen eben auch die Auswirkungen auf die Luftqualität berücksichtigen. Am Ende ist das natürlich eine politische Entscheidung, bei der die Kosten und Nutzen abgewogen werden müssen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.