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Gefährlicher Mann im Ohr?

Technik. - Fast 100 Milliarden Mark ließen sich die erfolgsverwöhnten Kommunikationsanbieter die UMTS-Lizenzen alleine hierzulande kosten. Doch nach dem Abebben der Gewinne im Mobilfunksektor macht sich Katerstimmung in der Branche breit. Doch damit nicht genug: Die anhaltende Diskussion um mögliche Strahlengefahren aus den unscheinbaren Handys droht der dritten Mobilfunk-Generation schon vor dem Start den Garaus zu bereiten. Eine Wissenschaftspressenkonferenz in Berlin, an der sich Ärzte, Kritiker und Netzbetreiber beteiligten, erhellte heute die Hintergründe der Diskussion.

    Waren vor nicht allzu langer Zeit alleine Kernkraftwerke im Fokus der Diskussion, wenn um Strahlenrisiken gestritten wurde, so übernehmen langsam die allgegenwärtigen Handys diese Rolle. Unumstritten ist allenfalls eines: Die Belastung mit hochfrequenten elektromagnetischen Strahlen durch Mobiltelefone nimmt mit der nächsten Generation nochmals zu. Ob mögliche Risiken dabei aber allein bei den Benutzern liegen, oder ob die Gefahr über die Sendeanlagen auch Dritten droht, ist dagegen unklar. Legt man die geltenden Leistungsgrenzwerte zugrunde, so stellen weder bisherige GSM- noch zukünftige UMTS-Handys eine außerordentliche Bedrohung dar. Doch die Natur der dabei verwendeten Modulation der Wellen zu extrem kurz getakteten digitalen Impulsen könnte dennoch Gefahren bergen, fürchten Kritiker. Daher fordert die Schweiz sogar die Einhaltung zehnfach strengerer Grenzwerte als in Deutschland.

    Doch selbst dies genügt Skeptikern nicht - sie verweisen auf so genannte "nicht thermischen Effekte": Neben dem gut erforschten Phänomen der Erwärmung von Gewebe unter elektromagnetischen Hochfrequenzfeldern, das auch medizinisch genutzt wird, deuten viele, sich jedoch teils widersprechende Studien auf subtilere biologische Effekte von Handy-Strahlung hin. Dass die Grenzwerte verschärft werden müssen, fordert daher auch Peter Neitzke vom Ecolog Institut in Hannover: "Derzeit können wir zwar nicht sagen, dass man unmittelbar durch das Telefonieren mit dem Handy krank werden kann. Allerdings belegen Tierexperimente, dass unter Mobilfunkstrahlung etwa kognitive Funktionen beeinträchtigt werden und der Ausstoß von Stresshormonen ansteigt." Dem hält Uwe Kullnick, der beim Handyhersteller Siemens biologische Effekte der kleinen Geräte untersucht, die wackelige Datenlage entgegen. Der Forscher vermag in der Vielfalt der Befunde keine soliden Trends auszumachen: "Derzeit können wir weder die Unschädlichkeit, noch eine Schädigung der Gesundheit durch die Apparate zweifelsfrei beweisen."

    Die Industrie nimmt die Besorgnis der Konsumenten ernst, ist doch damit auch der Erfolg der kommenden UMTS-Telefone verknüpft. So sollen ab Oktober die Käufer selbst anhand standardisierte Messwerte über die Strahlenintensität entscheiden, welches Gerät für sie in Frage kommt. Unberücksichtigt bleibt dabei aber die ebenfalls strahlende Gegenstelle. Um noch leistungsärmere Handys zu ermöglichen, müssten noch mehr Sendemasten auch in Wohngebieten errichtet werden. Doch damit, so belegen Umfragen, sei selbst die Hälfte der Handy-Benutzer nicht einverstanden.

    [Quelle: Volkart Wildermuth]