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Gefährliches Duo

Virologie/Biologie. - Bienenhalter fürchten die Varroa-Milbe. Der Parasit saugt nicht nur das Blut der Bienen, sondern überträgt auch Viren, die ganze Bienenvölker dahinraffen können. Rätselhafterweise sind manche Viren in den vergangenen Jahren für die Bienen immer gefährlicher geworden.

Von Lucian Haas | 11.06.2012
    Die Varroa-Milben stammen ursprünglich aus Asien. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich diese Parasiten von Honigbienen nach und nach fast weltweit verbreitet. Bis Hawaii mitten im Pazifik sind sie allerdings erst vor wenigen Jahren gelangt und auch heute noch immer nicht auf allen Inseln des Archipels präsent. Für Bienenforscher liefert das ein ideales Beobachtungsfeld, um zu erkunden, welche Bedeutung die Milben für die Ausbreitung von Virenkrankheiten bei Bienen haben.

    "Hawaii bietet uns eine einzigartige Gelegenheit. Es gibt dort eine Reihe von Inseln, wobei die Varroa-Milben bisher nur auf ein paar davon vorkommen: Auf Oahu seit drei Jahren, auf Big Island seit einem Jahr, während es auf Maui und Kauai noch gar keine Varroa-Milben gibt. So können wir wie auf einem Zeitstrahl die Entwicklung der Viren und ihr Wechselspiel mit den Milben beobachten."
    Stephen Martin ist Bienenforscher an der britischen Universität von Sheffield. Gemeinsam mit Kollegen hat er untersucht, inwiefern sich durch das Auftreten der Varroa-Milben auf Hawaii die Virusbelastung der Bienenvölker verstärkt. Im Fokus stand dabei das gefürchtete Flügeldeformationsvirus DWV. Den befallenen Bienen wachsen nur noch verkrüppelte Flügel. Nach den Erkenntnissen der Forscher wird das Virus allerdings erst durch die Varroa-Milben für die Bienen wirklich gefährlich.

    "Wir haben zwar das Virus auf allen Inseln gefunden, egal ob Varroa-Milben dort waren oder nicht. Aber auf den Inseln, wo Varroa-Milben schon eine längere Zeit vorkommen, war die nachweisbare Virus-Last extrem erhöht: Von ein paar Virus-Partikeln, die keine Probleme bereiten, hin zu Millionen und Milliarden von Viren pro Biene. Und dann starben auch die Bienenvölker."

    Bei der genaueren Analyse der Viren stellten die Forscher noch etwas fest: Auf den Inseln mit neuen Varroa-Vorkommen veränderte sich mit der Zeit nicht nur die Stärke, sondern auch die Art der Virusbelastung der Bienen.

    "Anfangs gab es viele verschiedene Stämme von Viren. Doch mit der Zeit verschwanden fast alle und es blieb nur noch ein Virustyp, und zwar derjenige, der die Bienenvölker tötet."

    Die verbliebene, gefährliche Variante des DMV-Virus ist offenbar besonders gut an die Varroa-Milben angepasst. Sie wird von den Parasiten direkt ins Blut der Bienen übertragen. Das Zusammenspiel mit den Milben stellt für das Virus einen Selektionsvorteil dar, der zum Leidwesen der Imker den Krankheitsdruck auf die Bienenvölker erhöht –
    nicht nur auf Hawaii.

    "Dieser Virusstamm kommt weltweit vor. Wir glauben, dass in den 70er-Jahren auch in Europa die gleiche Entwicklung stattgefunden hat, als die Varroa-Milbe hier erst mals auftrat. Das Virus war schon da, sehr vielfältig, aber harmlos. Doch mit der Ausbreitung der Varroa-Milbe reduzierte sich die Virenvielfalt weitgehend auf diesen einen Stamm."

    Diese Entwicklung erklärt auch, warum die von Imkern beobachteten Schäden bei unkontrolliertem Varroa-Befall mit den Jahren immer heftiger geworden sind: Das Risiko des Verlustes ganzer Bienenvölker wird durch die Selektion der besonders infektiösen Flügeldeformationsviren potenziert. Um den Verlust von Bienenvölkern soweit wie möglich zu verhindern, bleibt als Ausweg nur die konsequente Bekämpfung der Varroa-Milben.

    Dazu werden die Bienenstöcke mehrmals im Jahr mit organischen Säuren wie Ameisen- oder Oxalsäure behandelt. Das gehört heute zur guten fachlichen Praxis der Imker und ist mit Blick auf die Viren wichtiger denn je.


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