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Gefälschtes Mitbringsel

Bioarchäologie.- Im Jahr 1924 wurde eine Mumie von Ägypten nach Litauen transportiert, die später als "Ägyptische Mumie von Kaunas" bekannt wurde. Jetzt haben Forscher den Leichnam untersucht und einige überraschende Entdeckungen gemacht.

Von Michael Stang | 01.02.2013
    2011 verschlug es Dario Piombino-Mascali erstmals nach Vilnius. Dort wollte der italienische Mumienexperte aus Palermo einige natürlich konservierte Leichname begutachten. Dabei hörte er auch von der einzigen ägyptischen Mumie, die es in Litauen gibt.

    1924 brachte eine litauische Ägyptologin einen einbalsamierten Leichnam von einer Forschungsreise mit. Dieser wurde als "Ägyptische Mumie von Kaunas" bekannt. Sie stammte anscheinend aus der 21. Dynastie. Damit dürfte sie rund 3000 Jahre alt sein. Der Körper war in Leinen gehüllt. Von dem schlichten Sarkophag, in dem der Tote lag, fehlte der Deckel. Im Sarg befand sich eine Inschrift, die den Toten als Sänger des Fruchtbarkeitsgottes Amun ausgab.

    Als Dario Piombino-Mascali von dieser Mumie hörte, bat er seine litauischen Kollegen, diese untersuchen zu dürfen. Im vergangen Jahr durchleuchteten die Forscher den Leichnam in einem Krankenhaus in der litauischen Hauptstadt mit einem Computertomografen.

    "Bereits während der ersten Untersuchung im CT sahen wir, dass hier etwas nicht stimmte. Viele Zähne waren lose und im Schädel und Brustkorb verstreut. Das ist ungewöhnlich, denn diese Mumien sind normalerweise hervorragend erhalten."

    Die Eigentümlichkeiten dieser ägyptischen Mumie sollten aber noch zunehmen. Bei genauerer Analyse der Bilder kam der Forscher kaum noch aus dem Staunen heraus.

    "Dann waren alle Knochen nicht mehr im anatomischen Verbund, die Wirbelsäule fehlte ganz. Dafür haben wir mehr als 24 Rippen entdeckt, die aber sehr schwer zu zählen waren."

    Es waren also mehr als die üblicherweise im menschlichen Körper vorhandenen zwölf Rippenpaare. Nach Meinung der beteiligten Radiologen könnten es sogar 38 Rippen sein, eindeutig können sie dies aber nur mithilfe von Bildern nicht beantworten. Ungewöhnlich ist auch, dass der Tote nicht direkt nach seinem Ableben einbalsamiert wurde, eine damals übliche Öffnung des Schädels erfolgte ebenso nicht.

    "Wir wissen mit Sicherheit, dass der Körper bereits mumifiziert war, als er eingewickelt wurde. Das zeigen zum einen die vielen losen Knochen, dann haben wir aber auch jede Menge Sand gefunden, der dem Körper anhaftet. Auch ein Finger fehlt und wir haben keine andere Erklärung, als dass dieser beim Einwickeln in das Leinen abhanden gekommen sein muss."

    Der Leichnam muss demnach erst auf sandigem Untergrund gelegen haben, bevor er nicht sehr sorgfältig in Leinen gehüllt wurde.

    "Wir haben das Leinen, mit dem der Leichnam umhüllt wurde, auch mithilfe der C14-Methode datiert. Das Leinen ist echt, es stammt tatsächlich aus der 21. Dynastie, der Sarg ist jedoch viel jünger. Das alle macht den Fall noch kurioser. Die äußeren Dinge wie der Sarg und das Leinen sind authentisch, stammen aber nicht aus derselben Zeit. Und beim Inneren sind wir nicht sicher. Man darf auch nicht vergessen, dass im viktorianischen Zeitalter viele Mumien gefälscht und als Souvenirs verkauft wurden."

    Zwar habe er das Gefühl, dass diese Mumie später hergestellt wurde, einen Beweis kann Dario Piombino-Mascali jedoch nicht erbringen. Dazu müsste er die Zähne und Knochen datieren, invasive Methoden kommen jedoch aus ethischen Gründen nicht zum Einsatz. Bleiben die Indizien, von denen es eine ganze Reihe gibt

    "Wir wissen, dass Sarg und Körper nicht zusammenpassen, nicht vom Alter her, sondern kurioserweise ist die Mumie auch viel kürzer als der Sarg. Ich denke, dass nicht nur diese Mumie aus Kanaus eine Imitation ist, sondern dass vermutlich auch viele andere Mumien, die weltweit in den großen Museen stehen, gefälscht sein könnten."