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Gefängnisse des Vatikans
Der Kirche verhaftet

Wer in einem Vatikangefängnis einsitzt, muss nicht darben. Die Haftzellen des Kirchenstaates bieten wesentlich mehr Komfort als die Knäste in Italien. Zurzeit sitzt einer der Verdächtigen im Vatileaks-Prozess dort ein. Domenico Giani kennt sich aus mit den Zellen im Papststaat. Der Chef der vatikanischen Gendarmerie ist vor allem für die Sicherheit des Staatschefs, also des Papstes, verantwortlich.

Von Thomas Migge | 11.12.2015
    Castel Sant Angelo, die Engelsburg, mit der Ponte Sant Angelo in Rom.
    Schauplatz des tragischen "Tosca"-Finales: die Engelsburg in Rom. (imago/F. Berger)
    "Natürlich gibt es hier auch eine Art Gefängnis. Das sind einige Haftzellen. Räumlichkeiten, die, dem Himmel sei Dank, nur sehr selten genutzt werden müssen. Obwohl diese Zellen nur selten in Anspruch genommen werden, erhalten unsere Sicherheitsmitarbeiter eine Ausbildung im richtigen Umgang mit Personen, die auf dem Territorium des Vatikans verhaftet werden."
    Wie eben Monsignor Balda, der, wie schon 2012 der damalige Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., geheime Dokumente gestohlen und aus dem Kirchenstaat geschmuggelt haben soll. Auch Kammerdiener Paolo Gabriele kam für kurze Zeit in den Genuss des Vatikanknasts. Wie schon Gabriele wird auch der jetzige vatikanische Gefängnisinsasse in seiner Zelle nicht darben müssen: Es handelt sich um einen modern gestalteten hellen Raum mit Fenster, mit allem wesentlichen Komfort. Wahrscheinlich sind die meisten Zellen in italienischen Gefängnissen – immer wieder Gegenstand schockierender journalistischer Reportagen – weitaus unbequemer.
    Engelsburg war seit dem 6. Jahrhundert ein päpstliches Gefängnis
    Unbequem, ja sogar unmenschlich, waren die Gefängnisse der Päpste allerdings in früheren Zeiten. Die Stellvertreter auf Erden verfügten in ihrem Staat gleich über mehrere solcher Einrichtungen, die, wie zeitgenössische Quellen belegen, anscheinend die Hölle auf Erden waren.
    Der Opernkomponist Giacomo Puccini siedelte die Schlussszene seiner dramatischen Oper "Tosca" in der Engelsburg an. Das ehemalige Grabmal von Kaiser Hadrian wurde wahrscheinlich schon seit dem 6. Jahrhundert auch als päpstliches Gefängnis genutzt. In der Engelsburg sitzt in Puccinis Oper der revolutionäre Maler Cavaradossi ein, und wartet – von kirchlichen Richtern zum Tode verurteilt – auf seine Hinrichtung.
    Cavaradossi war eine fiktive Gestalt, doch die junge römische Aristokratin Beatrice Cenci wurde 1599 tatsächlich in der Engelsburg hingerichtet. Man hatte ihr Vatermord vorgeworfen. Ein anderer Häftling war Cagliostro. Der berühmt-berüchtigte Abenteurer, Esoteriker und Alchimist war einer der prominentesten Häftlinge der Engelsburg, berichtet Aldo Mastrianni, Kurator des historischen Bauwerks:
    "Er war rund ein Jahr hier gefangen. 1789 war er von päpstlichen Schergen gefasst worden. Man warf ihm Häresie vor, da er Mitglied einer Freimaurerloge war, was damals im Kirchenstaat strengstens verboten war. Zunächst wurde Cagliostro zum Tode verurteilt, dann aber begnadigt."
    Unwirtliche Festungen und Kellerverliese
    Und in eine feuchte, fensterlose und kahle Zelle in die Engelsburg geworfen. 1791 verlegte man Cagliostro in ein anderes päpstliches Gefängnis. In die noch unwirtlichere Festung San Leo, wo der Häftling nach 4 Jahren Haft starb. Die Festung in der heutigen Region Emilia-Romagna, die bis zum Ende des Kirchenstaates Mitte des 19. Jahrhunderts dem Papst unterstand, war eine mittelalterliche und später immer weiter ausgebaute Burg, die auch als Gefängnis genutzt wurde. Ein anderer bekannter Häftling in San Leo war Felice Orsini. Der italienische Revolutionär wurde 1844 von päpstlichen Gendarmen verhaftet und in die Verliese der Festung geworfen. Nach kurzer Zeit kam er wieder frei und verübte 1858 ein Attentat auf den französischen Kaiser Napoleon III.
    In Rom verfügten die Päpste neben der Engelsburg über weitere Gefängnisse, die heute eher unbekannt sind. Eines davon lag am Tiberufer direkt in der Stadt, beim so genannten Tor di Nona. Ein anderes gehörte zum Gerichtshof Corte Savella. In den Zellen dieses Gerichts saß im 16. Jahrhundert unter anderem der wegen seiner aggressiven Ausfälle immer wieder negativ aufgefallene berühmte Bildhauer und Goldschmied Benvenuto Cellini ein.
    So gut wie unbekannt ist, dass auch im Palast der römischen Glaubenskongregation, die heute von dem deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller geleitet wird, Gefängniszellen zu finden sind. In den Kellerverliesen des ehemals gefürchteten Heiligen Uffiziums, das streng über den wahren Glauben wachte, saßen berühmte Freigeister ein. Wie etwa der rebellische Mönch und wegen Ketzerei verurteilte Giordano Bruno. Er bezeichnete in einem Brief sein Zelle als "extreme Hölle auf Erden". Am 17. Februar 1600 kam Bruno frei – allerdings nur um nach seiner Verurteilung durch die Kirche auf dem Marktplatz Campo de' Fiori verbrannt zu werden.