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Gefahr der politischen Einflussnahme

Vor dem Bundesverfassungsgericht wird derzeit über die Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates verhandelt. Der Vorwurf: Zu viel politischer Einfluss auf ein Medium, das eigentlich staatsfern sein soll. Auch wird Kritik über fehlende Repräsentation von beispielsweise Migranten laut.

Von Adalbert Siniawski | 09.11.2013
    16 der 77 Mitglieder des ZDF-Fernsehrates gehören zu der so genannten "R-Gruppe". Dieser Kreis soll gesellschaftlich relevante Interessen abbilden, die nicht schon durch die 23 Vereine und Verbände in dem Aufsichtsgremium abgedeckt sind. Es sind Menschen aus Kunst und Kultur, der Bildungs- und Jugendarbeit sowie Verbraucher- und Tierschützer. Schließlich sollen alle bedeutsamen gesellschaftlichen Kräfte im Fernsehen eine Stimme bekommen, damit die Berichterstattung möglichst auswogen bleibt. Doch auch in der R-Gruppe spielen parteipolitische Bezüge eine große Rolle. Viele Interessenvertreter sind aktive oder ehemalige Parteipolitiker. Ausgewählt wurden sie, wie auch die Verbandsbeauftragten, von den Ministerpräsidenten der Bundesländer. Hier wächst die Gefahr der politischen Einflussnahme, sagt der ehemalige WDR-Intendant Friedrich Nowottny:

    "Die Länder sollten bei der Berufung der Verbandsvertreter sorgfältig darauf achten, dass nicht Parteileute sich den Mantel irgendeiner Organisation umhängen, um so getarnt die Parteiinteressen zu vertreten. Die Verbandsvertreter müssen die Interessen ihrer Verbände vertreten."

    Angelika Niebler zum Beispiel ist Rechtsanwältin und repräsentiert in der R-Gruppe die Freiberufler - gleichzeitig sitzt sie für die CSU im Europaparlament. Holger Zastrow kommt aus der Werbebranche und ist FDP-Fraktionschef in Sachsen. Reinhard Klimmt war früher Bundesminister und SPD-Ministerpräsident im Saarland und spricht im Fernsehrat seit Oktober für eine Handvoll Organisationen aus Kultur, Medien und Bildungswesen. Unter Zugzwang seiner SPD-Kollegen im Fernsehrat sieht er sich aber nicht:
    "Natürlich ist es interessant, in der Strukturierung von Entscheidungsprozessen zu wissen, ob man mögliche Verbündete hat, die in der gleichen Richtung ticken. Aber ich versuche dort die Interessen, die ich zu vertreten habe, durchzusetzen und freue mich halt darüber, wenn ich dafür Verbündete finde. Das ist der Punkt. Und ich bin nicht sozusagen der Agent der Sozialdemokraten in der Kultur, sondern ich bin dann, wenn man‘s so sieht, der Agent der Kultur bei den Sozialdemokraten."

    Ob das Gremium die Vielfalt der Interessen im Deutschland des Jahres 2013 noch widerspiegelt, auch daran gibt es Zweifel. So sind im ZDF-Fernsehrat die Opfer des Stalinismus vertreten. Jugendorganisationen, Menschen mit Behinderung oder die Millionen Migranten haben dagegen keine Stimme. Migrantenvertreter fehlen auch im Hörfunkrat des Deutschlandradios. Dagegen hat eine Handvoll Landesrundfunkanstalten einen Sitz für sie geschaffen. Beim SWR werden mit dem neuen Staatsvertrag ab 2014 erstmals auch Muslime und Sinti und Roma dem Rundfunkrat angehören. Ein Wandel in den Gremien ist dringend nötig, sagt Marianne Ballé Moudoumbou, Ausländerbeauftragte im RBB-Rundfunkrat:

    "Es geht darum, die Interessen der gesamten Bevölkerung zu vertreten und ein Bild von der Gesellschaft wiederzugeben, das auch der Realität entspricht. Und wenn jede sechste Person in Berlin - nur um von Berlin zu sprechen - Migrationsgeschichte hat, das bedeutet, dass natürlich die Präsenz dieses großen Teils der Bevölkerung auch sichtbar sein sollte."

    Und was wäre, wenn nicht nur Parteien, Vereine und Verbände die öffentlich-rechtlichen Sender kontrollieren, sondern auch diejenigen, die für den Rundfunk zahlen? Der Idee, auch Zuschauer an der Programmaufsicht zu beteiligen, kann der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes und Mitglied im ZDF-Fernsehrat, Michael Konken, einiges abgewinnen:

    "Wenn man die Zahl im Fernsehrat bei 77 lässt und die Politik zurückfährt und dann sagt, wir nehmen auch Zuschauerinnen und Zuschauer, und die wählen wir durch ein Verfahren aus, die können sich bewerben und die werden dann ausgewählt, vielleicht durch den Fernsehrat, dann finde ich das schon eine attraktive Lösung."