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Gefahr für Laubbäume
Rindenkrebs durch Klimastress

In Städten ist es wärmer als auf dem Land. Das liegt an der dichten Bebauung, der Aufheizung von Gebäuden und Straßen, am Mangel an kühlenden Grünflächen. Der "Hitzeinsel-Effekt" schwächt eigentlich robuste Laubbäume wie Hainbuche, Ahorn und Esskastanie. Sie werden anfällig für tödliche Parasiten.

Von Volker Mrasek | 16.07.2019
Blätter der Hainbuche im leuchtenden Sonnenlicht
Hainbuchen leiden in Städten zunehmend unter Hitzestress (imago stock&people / Gottfried Czepluch)
Meckenheim. Ein kleiner Ort in der Pfalz. Der übliche Autoverkehr am Nachmittag. Und auch das übliche Straßenbegleitgrün, wie es so schön heißt: drei Laubbäume, vielleicht sieben, acht Meter hoch. Es sind Hainbuchen:
"Hier können wir nochmal … vielleicht können wir da mal etwas abmachen."
Bei einem der Bäume kleben kleine rot-orange Knubbel auf der Rinde. Es sind punktartig hervorquellende Blasen voller Pilzsporen. Für den Gartenbauwissenschaftler Frederik Polzin ein untrügliches Zeichen: Diese Hainbuche ist schwer krank:
"Wenn wir das am Stamm sehen, ist der Baum normalerweise schon relativ stark befallen. Vorher befindet sich der Pilz eigentlich nur unter der Rinde, das heißt ein latenter Befall ist eigentlich sehr schwer nur wahrzunehmen, solange der Baum keine direkten Krankheitsanzeichen zeigt."
Schlauchpilz löst Rindenkrebs aus
Die Hainbuche am Straßenrand ist todgeweiht. Sie leidet an Rindenkrebs, ausgelöst durch einen Schlauchpilz. Polzin wird Proben des Parasiten später ins Labor bringen, zu Gabi Hörner, Assistentin im DLR in Neustadt an der Weinstraße – im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz:
"Jetzt würde ich halt an dieser Stelle versuchen, ein paar von diesen Sporen mit meiner Pinzette zu kriegen und die dann auf den Objektträger zu übertragen. Und dann leg‘ ich das Ganze unters Mikroskop."
Am DLR in Neustadt läuft ein erstes Untersuchungsprojekt zum Rindenkrebs der Hainbuche. Die Baumerkrankung ist ganz neu in Deutschland. 2015 traten erste Fälle im Südwesten auf, unter anderem in Landau. Inzwischen wurde der Pilz an über 20 weiteren Orten nachgewiesen, überwiegend in Rheinland-Pfalz, aber auch in Rheinhessen.
Bislang nur Stadtbäume betroffen
Man kennt Hainbuchen auch als Bäume in Mischwäldern und als Heckengehölze. Vom Rindenkrebs betroffen seien bisher aber nur Stadtbäume, so Frederik Polzin:
"Sie stehen alleine. Sie haben keine Beschattung. Und sie stehen an der Straße mit potenziellem Wassermangel, Bodenverdichtung und sehr starker Sonnenexposition. Diese Bäume sind dann entsprechend gestresst. Und dadurch sind die dann sehr anfällig für diese Pilze."
Hitze und Trockenheit schwächen Abwehrkräfte
Bisher galten Hainbuchen als besonders robuste Stadtbäume. Doch wenn Hitze und Trockenheit extrem ausfallen, sind die Bäume nicht mehr vital genug, um sogenannte Schwäche-Parasiten abzuwehren. Und dazu zählt auch der Erreger des Rindenkrebses. In der Vergangenheit konnten die Hainbuchen ihn gut in Schach halten. Doch der zunehmende Hitze- und Trockenstress verschafft den Pilzen offenbar entscheidende Vorteile:
"Rheinland-Pfalz ist eben prädestiniert für diese Erkrankungen an Hainbuchen, weil Rheinland-Pfalz mit das wärmste Bundesland in ganz Deutschland ist. Baden-Württemberg ist auch noch ‘ne sehr warme Ecke. Wir haben aber bisher jetzt von den Kollegen aus Baden-Württemberg noch keine großen Bestätigungen bekommen. Bundesweit könnte man sich ja auch dann das mal betrachten. Wir vermuten, dass das ein großes Problem darstellen wird, sobald wir erstmal die genauen Informationen haben."
Umsteigen auf hitzetolerantere Arten
Für die betroffenen Hainbuchen gibt es keine Rettung. Sie sterben ab. Man kann dem Rindenkrebs höchstens vorbeugen – indem man für eine ausreichende Bewässerung der Bäume sorgt und für gute Bodenbedingungen.
Neben der Hainbuche leiden auch Ahorn und Esskastanie immer stärker unter Schwächeparasiten. Städtische Gartenbauämter müssten sich überlegen, wie sie die Pflege der Bäume vielleicht verbessern könnten, sagt Frederick Polzin. Oder ob sie in Zukunft nicht sogar auf andere, hitzetolerantere Arten umsteigen:
"Ich sehe da einen Trend dazu, dass das öffentliche Grün immer mehr unter Druck gerät, weil sich das Klima ändert."