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Gefangen von Nina Simone

Lyambiko ist eine der wichtigsten deutschen Jazzsängerinnen der Gegenwart. In den USA wurde sie von der Zeitung "Boston Globe" neben Dave Brubeck und Wayne Shorter zu den zehn besten Liveereignissen des Jahres gewählt. Die 34-Jährige ist nun auf einer Deutschlandtour zu hören. Der Auftakt war in Hamburg.

Von Dirk Schneider | 24.02.2012
    Lyambiko ist der Nachname ihres Vaters aus Tansania. Geboren wurde sie 1978 in Thüringen, mit einem eher normalen deutschen Namen. Doch sie versucht nicht, die Jazzdiva zu sein, auch wenn sie auf der Bühne so aussieht: Enges schwarzes Outfit, die wilden Locken streng nach hinten gesteckt:

    "Ich denke, man muss schon eine gewisse Stärke haben, um auf der Bühne stehen zu können, und man muss über gewisse Schwächen verfügen, oder wie soll ich sagen, Sensibilität verfügen, um interpretieren zu können, um das Publikum zu erreichen. Also, ob ich das jetzt hab, weiß ich nicht."

    Natürlich hat Lyambiko das: Eine starke Bühnenpräsenz, die sie gerne mal mit lockeren Sprüchen und kleinen Albereien aufbricht. Um klar zu machen: Wir sind alle hier, um Spaß zu haben. Doch in ihrem Gesang paart sich ihre Verspieltheit mit einem Ernst, der die Zuhörer gebannt an ihren Lippen hängen lässt.

    Selbst wenn es "nur" Gershwin ist: 15 Stücke des amerikanischen Komponisten versammelt Lyambiko auf ihrer neuen CD, von "Summertime" bis "It Ain't Necessarily So". Tausendmal gehört, und doch hört man sie gerne noch einmal von der 34-Jährigen mit der markanten Stimme.

    Lyambiko hat als Kind viel gesungen, später dann auch in einer Schülerband. Jazz spielte aber kaum eine Rolle für sie. In Berlin war sie für Musikwissenschaften eingeschrieben, als sie zufällig bei einer Jazzsession zuhörte:

    "Und ich dachte: Wow! Was hier abgeht, das ist einfach fantastisch! Ich würde so gerne auch! Habe mich zu dem Zeitpunkt noch nicht getraut, den Schritt noch nicht gewagt. Und hab dann eben Nina Simone gehört, die frühen Platten, und war so gefangen und begeistert von der Musik, ich wollte un-be-dingt auch singen."
    An Nina Simone hat sich Lyambiko auf ihrem Album "Saffronia" von 2008 abgearbeitet, auf dem Nachfolger "Something Like Reality" präsentierte sie 2010 eigene Kompositionen und gewann dafür einen Jazz-Echo als "Sängerin des Jahres".

    Jetzt ist sie mit ihrem Quartett also bei Gershwin gelandet. Bestimmt auch mit Ehrgeiz, aber doch vor allem aus Spielfreude:

    "Also für mich war halt wirklich die Frage, ob man sich am Original orientiert und das Ganze eher so auf altmodisch macht. Oder ob wir halt wirklich ganz neue Interpretationen aufnehmen. Der Weg, den wir eingeschlagen haben, war wirklich auf unsere Stimmen zu hören und so zu spielen, wie wir nun mal spielen."

    Das hört man immer wieder von der Sängerin: Dass sie auf ihren Bauch hört, nicht in Kategorien denkt, sich keine großen Ziele steckt.

    "Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem Leben eigentlich nichts bewusst irgendwo hinleite, sondern es passiert. Und wenn es sich gut anfühlt, dann bleibe ich dran."

    Dass sie mit Gershwin jetzt auf ein großes Publikum schielen würde, kann man Lyambiko kaum vorwerfen.

    "Um wirklich große Säle zu füllen, da kann ich nicht einfach nur als Musiker auf die Bühne gehen, sondern muss auch als Entertainer auf die Bühne gehen. Das Ganze muss eine durchgeplante Show sein, und das ist wirklich nicht mein Ding."

    In Hamburg spielt Lyambiko in einer Kirche vor den Toren der Stadt. Es ist ein verregneter Abend, und gut 120 Menschen sind gekommen. Bestimmt mussten die meisten von ihnen vorher auf den Stadtplan schauen. Und wahrscheinlich war es für noch einmal doppelt so viele zu nass und zu weit. An den Heimweg hat während des Konzertes aber sicher niemand gedacht.