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Gegen das Gesetzesvorhaben
Online-Petition angehender Psychotherapeuten

Die psychotherapeutische Ausbildung soll in Zukunft Bestandteil eines eigenen Studiengangs werden. Das würde die gegenwärtigen Kosten von bis zu 70.000 Euro abschaffen. Doch angehende Psychotherapeuten haben eine Online-Petition dagegen eingestellt und bereits mehr als 20.000 Unterschriften gesammelt.

Von Kai Rüsberg | 13.05.2019
Nuernberg Symbolfoto, Themenbild, psychische Erkrankungen, Depression, Ueberweisungsschein eines Hausarztes zur Psychotherapie. Copyright: xWuest/Eibner-Pressefotox EP_FWT Nuernberg Symbolic image Theme image mental Diseases Depression Referral a Family doctor to Psychotherapy Copyright xWuest Eibner Pressefotox EP_FWT
Um Therapiestunden mit den Krankenkassen abrechnen zu können, brauchen studierte Psychologen eine kostenpflichtige Zusatzausbildung (imago stock&people)
Susanna Zorn war schon immer eine Top-Schülerin. Abi mit einer Eins. Nur so konnte sich die engagierte junge Frau zum Psychologiestudium an der Bochumer Ruhr Universität einschreiben, denn der Numerus Clausus gehört zu den höchsten aller Studienfächer. Nach fünf Jahren war sie fertig: Psychologin mit Masterabschluss. Und trotzdem muss sie quasi noch einmal von vorne anfangen:
"Um therapieren zu dürfen und das mit den Krankenkassen abrechnen zu können, macht man eben diese Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin und da gibt es eben verschiedene Richtung und ich mache eben die verhaltenstherapeutische Weiterbildung."
Kosten von bis zu 70.000 Euro
Mindestens drei weitere Jahre dauert diese Zusatzausbildung nach dem Studium. Viele brauchen länger, weil sie währenddessen Geld verdienen müssen, sagt Zorn:
"Man zahlt für die Ausbildung an das Ausbildungsinstitut Geld dafür, dass man eben am Wochenende Seminare hat, je nach Ausbildungsinstitut schwankt das. Das sind im Schnitt bei der Verhaltenstherapie 20.000 Euro."
Und damit ist sie noch gut bedient, denn an anderen Instituten in Deutschland kostet die Ausbildung zur Psychotherapeutin ein mehrfaches, bis zu 70.000 Euro:
"Das sind eben unterschiedliche Kosten: die Seminare, die man am Wochenende hat, dann auch für Supervision, das heißt wenn man weiter in der Ausbildung ist. Das heißt, man schaut sich die einzelnen Therapiestunden an, was man getan hat, wie es gelaufen ist und was noch besser laufen kann, das heißt, man erhält da Unterstützung. Dann eben auch Selbsterfahrung, damit man auch gleich lernt, mit welchen Patienten kann ich arbeiten."
Vier Tage pro Woche therapiert sie nun an einer Klinik Patienten, aber wird dafür wie eine Praktikantin mit wenigen hundert Euro bezahlt. Einen weiteren Tag pro Woche arbeitet sie an der Universität und an den Wochenenden finden ihre Seminare statt. Das Geld für ihren Lebensunterhalt, die Lehrmittel, ihre Fahrten und die enormen Kosten für die Ausbildung muss sie sich zusammen leihen:
"Meine Eltern strecken mir das vor und ich zahle das dann irgendwann wieder ab. Man kann eben auch noch Studienkredite nehmen oder ich weiß nicht, andere Verwandte, die Geld haben, ich weiß es nicht. Also entweder man nimmt einen Kredit, jemand der einem das Geld vorstrecken kann oder man arbeitet noch Vollzeit nebenher, macht noch andere Berufe."
Ausbildung soll durch Studium ersetzt werden
Nur wenige Psychotherapeuten in Ausbildung haben das Glück eine Klinik zu finden, die sie so gut bezahlt, dass sie davon leben können. Diesen Zustand will der Gesetzgeber nun mit einer Reform grundlegend ändern. Künftig soll die Ausbildung Bestandteil eines eigenen Studiengangs werden. Zudem werden sie weitere Kompetenzen erhalten. Als Begründung für das Gesetzesvorhaben sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Februar:
"Abgesehen davon, dass die Therapeuten in der Ausbildung heute häufig schlecht bezahlt werden, ist diese Trennung weder zeitgemäß noch attraktiv."
Das Gesetz hat aber aus Sicht der aktuell Studierenden sowie der Psychotherapeuten in Ausbildung einen gravierenden Haken: Sie werden davon nicht profitieren. Und noch mehr: nach einer kurzen Übergangszeit werden sie gar keine Möglichkeit mehr haben, Psychotherapeut zu werden, heißt es in einer Petition an den deutschen Bundestag. Cedric Kirstein vom Bochumer Fachschaftsrat zählt noch weitere Benachteiligungen auf:
"Ich finde es ungerecht in der Übergangszeit, wenn die Studierenden ab 2020 oder 2021 dann mit dem Master durch sind, haben die die Approbation und mindestens die Kohorte davor ist dann währenddessen in der Ausbildung, beide haben einen Masterabschluss in Psychologie, fünf Jahre Vollzeit studiert und die neuen Psychotherapeuten in Ausbildung oder Weiterbildung werden Vollzeit bezahlt, entsprechend eines 5-jährigen Studiums, während die Psychotherapeuten in Ausbildung nicht bezahlt werden, sondern zwischen 14 und 20 und 70.000 Euro für die Ausbildung bezahlen müssen."
Die Online-Petition wurde vor zwei Wochen beim Bundestag eingestellt und hat im Internet bereits mehr als 20.000 Unterschriften gesammelt. Wenn innerhalb der kommenden zwei Wochen weitere 30.000 Bürger online unterzeichnen, muss sich das Parlament mit den Einwänden beschäftigen.