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Gegen den Brain Drain

Wie kann man junge Wissenschaftler in Deutschland halten oder gar aus dem Ausland nach Deutschland locken? Die gemeinnützige German Scholars Organisation sucht auf einer Konferenz Konzepte gegen die Abwanderung der besten Forscherköpfe.

Von Markus Rimmele | 20.04.2007
    Ja, im Prinzip könnte sie sich durchaus vorstellen nach Deutschland zurückzukehren. Wenn es nur in Kanada nicht so schön wäre. Conny Davidsen forscht seit vergangenem Sommer im Bereich Umweltpolitik an der Universität Calgary. Mit ihren 31 Jahren baut sie gerade eine Forschungsgruppe auf und schwärmt von den Bedingungen:

    " Wenn man als junger Assistant Professor anfängt in Kanada, hat man eben normalerweise zwei Drittel der Zeit für die Forschung. Darüber hinaus bekommt man ein relativ gutes Startbudget, um also auch die Forschungsgruppe auf die Beine zu stellen, und man bekommt von Anfang an sehr viel Eigenverantwortung und auch wirklich die Möglichkeit zur Eigeninitiative, wo dann in Deutschland normalerweise relativ starre Hierarchiestrukturen eingehalten werden und einer so jüngeren Kollegin nicht unbedingt gleich die Chancen gegeben werden. "

    Conny Davidsen hat in Kiel Geographie studiert, war aber schon während des Studiums und der Promotion mehrfach im Ausland. Jetzt ist sie erst einmal ganz weggegangen aus Deutschland, eine von sehr vielen. Rund 2000 Wissenschaftler verlassen Deutschland jährlich allein in Richtung USA. Nur etwa die Hälfte kommt wieder zurück. Conny Davidsen ist nun wenigstens für einen Kurzbesuch wieder im Lande - auf Einladung der German Scholars Organization, die sich um die Rückkehr von Wissenschaftlern bemüht. Auf ihrer Konferenz in Berlin versucht es die GSO mit Standortwerbung. Viel Positives habe sich getan in den letzten Jahren, sagt Wolfgang Benz vom GSO-Vorstand:

    " Ich denke, die Politik hat eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen geschaffen, die es ermöglichen, Leute hier nach Deutschland wieder zurückzuholen. Das sind Förderprogramme, das sind Unterstützungen, die Exzellenzinitiative. Die helfen, auch den Wissenschaftlern zu zeigen: In Deutschland bewegt sich etwas. "

    In Deutschland bewegt sich was. Mag sein. Allein: die Diskussionen im Saal und die große Skepsis unter den 140 geladenen Auslandsdeutschen zeigen, dass sich wohl noch viel mehr bewegen muss. Schlechte Bezahlung, schlechte Jobchancen für den Lebenspartner und vor allem unsichere Perspektiven schrecken ab. Was, so lautet eine häufig gestellte Frage, nützen die zahlreichen und mittlerweile guten Förderprogramme für Nachwuchswissenschaftler, wenn diese danach keine Aussicht auf eine Professur haben? Es sind die starren Strukturen in Deutschland, die hinderlich sind. Der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Jürgen Mlynek etwa verlangt mehr unternehmerische Freiheiten für Forschungseinrichtungen, auch bei der Bezahlung:

    " Die leistungsgerechte Besoldung ist in Ordnung. Die so genannte Deckelung aber muss verschwinden. Das heißt der Vergaberahmen. Hier sollte jede Einrichtung selbst entscheiden können im Rahmen ihres Budgets, wie viel sie für Gehälter ausgibt, insbesondere dann, wenn es um wettbewerbsfähige Angebote geht. "

    Mlynek vermisst eine Kultur der aktiven Rekrutierung. Tatsächlich bemängeln die im Ausland tätigen Wissenschaftler, dass sich in Deutschland keiner für sie interessiere, während sie etwa in Amerika direkt angesprochen und abgeworben würden. In Deutschland seien sie immer noch Bittsteller.

    Der Unterton bei vielen der Auslandswissenschaftler ist bitter. Sie fühlen sich hier nicht gewollt und je länger sie fort sind, immer fremder. Denn es geht längst nicht nur um Geld oder gute Arbeitsverträge, sagt Conny Davidsen.

    " Da geht es zum Beispiel um flachere Hierarchien an den Universitäten. Da geht es um mehr Flexibilität, was die Verteilung von Forschungsgeldern angeht, und auch ein bisschen die Kultur im Lehrbetrieb zum Beispiel. Insofern, was meine Position momentan betrifft, gibt es relativ viele Unterschiede noch im Vergleich zu Deutschland. "

    Eines macht die Konferenz immerhin deutlich. Das Problem der Abwanderung ist längst auch auf höchster politischer Ebene erkannt worden. Kein geringerer als Bundespräsident Horst Köhler hat die Auslandswissenschaftler gestern Abend empfangen. Und auf den Sitzen im Konferenzraum ruft das Wirtschaftsministerium zu einer Online-Umfrage auf. Thema: Deutschland - ein Auswanderungsland?