Donnerstag, 25. April 2024

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"Gegen die lokalpolitischen Spielchen zum Trotz "

Das Romantik-Museum in Frankfurt sei noch nicht Geschichte, sagt Joachim Seng, Bibliotheksleiter des Deutschen Hochstifts. Er reagiert mit Unverständnis auf die Absage der Stadt Frankfurt, das geplante Museum mitzufinanzieren. Schließlich nutze ihr das Haus auch und trage den "Ruhm der Stadt in die Welt".

Joachim Seng im Gespräch mit Christoph Schmitz | 26.02.2013
    Christoph Schmitz: Das altehrwürdige Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt hat das Goethe-Haus im Hirschgraben dort unter seinen Fittichen. Gegründet wurde das Hochstift vor über 150 Jahren von Bürgern der Stadt. Seit hundert Jahren sammelt, erschließt, erforscht und zeigt es Handschriften, Gemälde und Erinnerungsobjekte aus der Zeit der Romantik-Bewegung. Arbeiten der Schlegels, Bettine von Arnims, Brentanos sind darunter, die kritische Brentano-Werkausgabe wird hier unter anderem gestemmt. Um das alles aus dem Kellerarchiv ans Licht zu holen fürs Publikum und zu zeigen, wollten Stadt, Land, Bund und Hochstift neben dem Goethe-Haus am Hirschgraben ein Museum errichten. Die Stadt will aber jetzt nicht mehr mitmachen. Welche Summe hat Frankfurt gestrichen, habe ich den Goethe-Haus-Bibliotheksleiter, Joachim Seng, gefragt?

    Joachim Seng: Es geht um vier Millionen Euro.

    Schmitz: Und die stehen in welchem Finanzierungszusammenhang?

    Seng: Es ist so: Insgesamt werden die Baukosten auf 16 Millionen berechnet und davon wollte die Stadt vier Millionen übernehmen, vier Millionen das Land Hessen, vier Millionen der Bund und vier Millionen das Freie Deutsche Hochstift durch eigene private Spenden, die wir zusammengesammelt haben.

    Schmitz: Wenn nun die Stadt nicht zahlt, werden Bund und Land dann abspringen?

    Seng: Wir hoffen nicht, aber es ist natürlich nicht ganz klar, weil man muss sich vorstellen, es ist ja letzten Endes so: Die Stadt bekäme zwölf Millionen Euro geschenkt, sage ich mal, für ein Gebäude, das ja ihr nutzt, und der Bund und das Land stehen vor der Frage, ob sie die Finanzierung aufrecht erhalten. Bis jetzt ist es so, dass das noch steht, aber es ist halt die Frage, inwieweit eine andere Lösung gefunden werden kann. Die Stadt hat uns ja angemahnt, wir sollen die vier Millionen, die sie uns zugesagt hat, aus anderen Mitteln jetzt beschaffen, aber dann müssen die vier Millionen ja auch erst mal gesammelt werden und da ist zu klären, ob das Grundstück, das ja der Stadt auch gehört, oder der AGB-Holding der Stadt, ob das für uns zur Verfügung stehend bleibt und ob die Stadt da bei ihrem Wort bleibt.

    Schmitz: Wären denn die vier Millionen aus Ihrem eigenen Etat aufzubringen?

    Seng: Aus unserem eigenen Etat sicher nicht. Wir müssten weiter nach Spenden sammeln und suchen, nach Geldgebern suchen, nach Mäzenen. Aber es ist natürlich klar: Es geht uns ja hier um ein großes Projekt. Es soll ein deutsches Romantik-Museum sein. Also: Frankfurt soll zum Zentrum der Romantik werden. So wie Wolfenbüttel es für den Barock ist, oder Weimar für die Weimarer Klassik, oder Marbach für die Moderne, so sollte eben in Frankfurt ein Romantikzentrum entstehen. Wir haben die Handschriften dazu, wir haben Gemälde dazu, wir hätten jetzt die einmalige Gelegenheit, auch den Raum dazu zu haben, weil es kommt ja nicht allzu oft vor, dass im Hirschgraben ein Grundstück frei wird, das der Stadt gehört und das bebaut werden kann, und insofern wird diese Situation, wird diese Chance nicht wiederkommen. Die romantische Epoche ist wie keine andere Epoche, eine wirklich europäische Epoche. Und nicht zuletzt ist es Goethe, der als der Vertreter der Romantik im Ausland, in England, Frankreich, Italien, auch in Asien als Vertreter der Romantik angesehen wird. Insofern sollte man diese Chance nutzen, die man eben hat, indem Goethe und die Romantik hier ganz eng im Hirschgraben miteinander und im Freien Deutschen Hochstift miteinander verwoben und verbunden sind.

    Schmitz: Kommen wir mal von Goethe auf Peter Feldmann, dem relativ neuen Frankfurter Oberbürgermeister von der SPD. Er lässt ja keine Gelegenheit aus, seine Distanz zur Kultur zu dokumentieren. Welche politischen Erwägungen oder kulturpolitischen Erwägungen stecken hinter Feldmanns Nein zum Romantik-Museum?

    Seng: Er ist noch nicht so lange im Amt und es steht mir gar nicht zu, was zu sagen. Man kann aber immer sagen, wenn man in die Geschichte Frankfurts zurückschaut: Ich erinnere nur daran, als für das Goethe-Museum gesammelt wurde, 1932, und da wurde schon 1929 in der Weltwirtschaftskrise begonnen, da war die Stadt Frankfurt die Stadt, die vorne weggegangen ist und gesagt hat, wir geben euch Geld, und damit die anderen Geldgeber Land, Bund und auch die privaten Spender angezogen hat mit diesem guten Vorbild, das sie gegeben hat. Und vier Millionen wie gesagt – zwölf Millionen sind bereits zugesagt gewesen von anderen Geldgebern. Dieses Museum würde in Frankfurt stehen, würde den, ich sage mal, Ruhm Frankfurts in die Welt hinaustragen, und insofern ist es eigentlich ein Geschenk an die Stadt Frankfurt. Und da nun zu kommen und zu sagen, die vier Millionen wären Einsparungen im Etat, das erscheint mir auch betriebswirtschaftlich gerechnet etwas eine Milchmädchenrechnung zu sein.

    Schmitz: Sie klingen doch noch sehr euphorisch, Herr Seng. Das heißt, Sie haben die Idee nicht aufgegeben? Sie glauben, dass das Romantik-Museum machbar ist?

    Seng: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Natürlich! Eigentlich gäbe es nur Gewinner und es ist nicht ganz ersichtlich für uns, warum die Stadt Frankfurt, die mit uns ja kooperiert hat, mir nichts, dir nichts aus der Verantwortung sich verabschiedet. Wir hoffen nur, dass die Chance weiterhin besteht und dass zumindest das Grundstück noch zur Verfügung steht, und dann werden wir unsere Aufgabe wahrnehmen und versuchen, eben Mittel weiterhin zu sammeln, um dieses Projekt, das uns am Herzen liegt und das vielen Menschen am Herzen liegt in ganz Deutschland, eben doch noch realisieren zu können, auch gegen die lokalpolitischen Spielchen zum Trotz.

    Schmitz: Joachim Seng war das vom Frankfurter Goethe-Haus über das vorläufige Aus für das geplante Romantik-Museum in der Stadt.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.