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Gegen die Maiswüste

Maisfelder, soweit das Auge blickt: Der Boom der Biogas-Anlagen verändert die Landschaft nachhaltig und der Anteil der Biomasse an der Stromerzeugung wächst immer weiter. Für die Natur bringt das Risiken und Nebenwirkungen.

Von Blanka Weber | 23.08.2010
    "Biomasse ist in einen Ruf gekommen, den sie nicht verdient", "

    sagt Frank Augsten. Er sitzt im Thüringer Landtag. Einst war er Rinderzüchter in einer Großanlage, hat später Landwirtschaft studiert und promoviert. Energie für den Menschen klug aus Pflanzen zu nutzen, das ist sein Thema:

    " "Wir müssen weg von dem Mais für die Biogasanlagen und müssen hin zu ganz praktischen anderen Kulturen. Damit wir auch auf dem Feld die Vielfalt haben, weiterhin. Weil wir uns eben quasi auf zwei bis drei Fruchtarten konzentrieren."

    Den Boden verbessern, muss das Ziel sein. Und: Energie am besten direkt vom Feld gewinnen, ohne lange Transporte, ohne abgeholzte Regenwälder, ohne die dramatische Bilanz wie zum Beispiel beim Palmöl, sagt Frank Augsten. Er plädiert unter anderem für heimische Kleearten auf den eigenen Feldern.

    "Der Klee ist die klassische Pflanze. Der Klee ist ein Bodenverbesserer, sammelt Stickstoff aus der Luft, diese Knöllchenbakterien, das haben wir alle in der Schule gelernt. Und der Landwirtschaftsbetrieb spart im Prinzip Stickstoffdünger. Es ist eine sehr natürliche Form des Düngers, der nachher im Boden bereitsteht und – ganz wichtig – mehrmals im Jahr hat man Blüten auf dem Feld, was für die Bienen und die Imker ganz wichtig ist. Also wenn man sich an früher erinnert, dann hat Rotklee dreimal im Jahr geblüht, Luzerne hat dreimal im Jahr geblüht. Die Bienen hatten immer `was zu fressen, konnten immer Honig und Pollen sammeln und das sind natürlich Dinge, die heute mit der Getreide- und Mais-Wüste, wenn man so will, auch verloren gegangen sind. Also insofern wäre auch der Kleeanbau eine toller Beitrag für die Biodiversität auf dem Feld und ein Beitrag, dass die Bienen auch etwas zu fressen finden."

    Den Klee als Bodenverbesserer für das nächste Jahr anzubauen, ist, ökonomisch gesehen, fast Luxus. Weil er im laufenden Jahr keinen Gewinn bringt. Das weiß auch Frank Augsten:

    "Und deswegen bin ich der Meinung, wir brauchen Energieerzeugung von den Flächen, die mit Pflanzen bebaut sind, die den Boden verbessern. Und dann habe ich wieder eine ordentliche Fruchtfolge. Wir müssen weg von den Biogasanlagen, die auf Gülle oder Mais laufen und müssen hin zu Biogasanlagen, die alles das nutzen auf dem Feld, was A) der Bauer anbauen kann und was dafür sorgt, dass die Fruchtfolge erhalten bleibt und dass der Boden nicht verschlechtert, sondern die Qualität sogar verbessert wird."

    Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nennt er es. Noch ist die Technik für die Biogaserzeugung aus Pflanzen, wie Klee, nicht ausgereift. Prinzipiell wäre es aber möglich, sagen Experten. Die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft forscht auch an Alternativen. Eine davon ist die Pflanze mit dem lyrischen Namen: Durchwachsene Sylvie. Eine mehrjährige Pflanze aus Nordamerika, im Aussehen einer Sonnenblume ähnlich. Nicht nur schön, so die Experten, sondern auch gut im Ertrag für die Biomasse-Energiegewinnung. Wie beim Mais kann da kann der knöchelhohe Klee auf den Feldern nicht mithalten. Für Frank Augsten ergeben sich jedoch andere Vorteile aus Klee, die derzeit zu wenig beachtet würden:

    "Wir haben mittlerweile eine Fruchtfolge, die unmittelbar dazu führen wird, dass die Böden verarmen. Das ist klar. Ich mach es mal am Ökolandbau fest: Wir haben dadurch, dass wir wenig Tiere haben, haben ganz viel Getreide in der Fruchtfolge. Das lässt sich gut verkaufen, das ist gefragt und uns fehlt aber völlig dieses Fruchtfolgeglied, was letzten Endes den Boden verbessert. Die Kleearten sammeln Stickstoff aus der Luft, verbessern den Boden und das Problem ist, dass der Ökobauer weiß, wenn ich ein Jahr Klee anbaue, hätte ich so viel Stickstoff im Boden, dass ich im nächsten Jahr eine ganz tolle Qualität beim Brotgetreide habe. Nur, er sagt, ich kann ja jetzt nicht nur damit ich im nächsten Jahr ein gutes Getreideergebnis habe, dieses Jahr Klee anbauen, wenn ich den Klee überhaupt nicht brauche."

    Mit einem Sonderprogramm will Thüringen die Energiegewinnung aus Biomasse nun ankurbeln. Ab sofort würden Darlehen zwischen 150.000 und 1,5 Millionen Euro verbürgt, kündigte Agrarminister Jürgen Reinholz an.