Freitag, 19. April 2024

Archiv


Gegen Hunger und Krieg

Das Osloer Friedensforschungsinstitut nennt als Ursache der meisten zwischen 1989 und 1997 ausgebrochenen 103 kriegsähnlichen Konflikte: Hungersnot und Zusammenbruch der Wirtschaft. Da das Bevölkerungswachstum andauert, die Erde aber nicht größer wird, ist zu befürchten, dass derartige Konflikte zunehmen, zumal die Zahl der Naturkatastrophen, die solche Notlagen fördern, seit den 60er Jahren auf das Dreifache angestiegen ist und im Zuge des Klimawandels wohl weiter steigen wird. Der Deutsche Tropentag, der seit gestern (11-12.10.2000) in Stuttgart tagt, stellt sich dieser Herausforderung. Cajo Kutzbach berichtet:

von Carl-Josef Kutzbach | 12.10.2000
    Das Osloer Friedensforschungsinstitut nennt als Ursache der meisten zwischen 1989 und 1997 ausgebrochenen 103 kriegsähnlichen Konflikte: Hungersnot und Zusammenbruch der Wirtschaft. Da das Bevölkerungswachstum andauert, die Erde aber nicht größer wird, ist zu befürchten, dass derartige Konflikte zunehmen, zumal die Zahl der Naturkatastrophen, die solche Notlagen fördern, seit den 60er Jahren auf das Dreifache angestiegen ist und im Zuge des Klimawandels wohl weiter steigen wird. Der Deutsche Tropentag, der seit gestern (11-12.10.2000) in Stuttgart tagt, stellt sich dieser Herausforderung. Cajo Kutzbach berichtet:

    Ging es bei früheren Tropentagen vor allem um Fragen der landwirtschaftlichen Ertragsteigerung, so ist dieses Ziel zwar gleich geblieben, aber Themen sind längst nicht mehr nur Tier- und Pflanzenforschung. Prof. Joachim Sauerborn vom gastgebenden Tropenzentrum der Universität Hohenheim skizziert die gigantische Aufgabe:

    "Prognosen bis ins Jahr 2020 sagen voraus, dass wir etwa mit 8 Milliarden Menschen rechnen müssen. Derzeit haben wir 6 Mrd. Wir werden also auf 8 Mrd., vielleicht sogar auf 12 Mrd. ansteigen. Das heißt konkret: Wir müssen auch 40 % mehr Getreide produzieren in den nächsten 20 Jahren. Und das bedeutet natürlich schon eine Anstrengung für die Welternährung, wenn wir denn jeden Menschen auch satt bekommen wollen."

    Die Aufgabe ist nicht nur zeitlich begrenzt, sondern auch die landwirtschaftlich nutzbare Fläche:

    "Wir wissen dass die biologische Fläche, die uns zur Verfügung steht, letztendlich auf 8,3 Billionen Hektar begrenzt ist. Und die lässt sich nicht erweitern! Und wir wissen heute, das wir diese Fläche optimal nutzen müssen."

    Dazu muss man alle Faktoren, die auf diese Fläche einwirken, untersuchen und gemeinsam ein Art der Nutzung entwickeln, die zum jeweiligen Standort passt. Das kann ein Experte gar nicht mehr leisten. Die Tropenforscher haben deshalb eine Arbeitsgemeinschaft, die ATSAF gebildet. Prof. Sauerborn:

    "Das bedeutet, das wir zunehmend aus unserer sehr engen disziplinären Ausrichtung in einen Teamansatz kommen, wo verschiedene Disziplinen zusammenwirken, sei es aus der Kreditwirtschaft, sei es aus der Ökonomie, aus der Beratung, aus der reinen Züchtung und auch hin zu einer Entwicklung, wo wir Entomologen, genauso, wie Phytopathologen zusammen bringen, um an einem System zu arbeiten, dass uns gewährleistet nicht die Höchsterträge zu bringen, kurzfristige Höchsterträge, sondern auch zu gucken, dass an marginalen Standorten, wo ja ein Großteil unserer Weltbevölkerung Landwirtschaft treibt, die Ressourcen nicht übernutzt werden."

    Übermäßige Nutzung magerer Standorte, die das Land zerstört, etwa Wanderfeldbau, können wir uns nicht mehr leisten, weil sie Menschen vertreibt, meist in die großen Städte. Also muss man Insektenkundler und Kenner von Pflanzenkrankheiten ebenso einbeziehen, wie die Bevölkerung am Ort. Das spiegelt sich im sehr breiten Tagungsprogramm und den Besuchern, aber auch in noch jungen Forschungsfeldern, etwa dem des ATSAF-Vorsitzenden Prof. Volker Hoffmann:

    "Kommunikations und Beratungslehre. Wobei wir's dann ja nicht machen, sondern wir versuchen's anderen beizubringen, wie man es erfolgreich machen muss. Mit den zwei Aspekten: Einerseits die Nutzer, die Anwender von neuem Wissen besser zu verstehen. Und das neue Wissen, die Technologie so auszurichten dass sie angenommen werden, dass sie ins System passt. Und das Andere: Auch die Vermittlung des Neuen so zu machen, dass es verständlich und attraktiv ist, dass es aufgenommen wird."

    Daran sind früher viele Entwicklungshilfeprojekte gescheitert.

    Prof. Franz Heidhues kümmert sich im Tropenzentrum um Entwicklungstheorie und -politik, also um die Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Beispiel:

    "Wenn ihr Bodeneigentum oder das Pachtrecht nur sehr kurzfristig die Nutzung garantiert, ist es ziemlich klar, dass Bauern mit langfristigen Verbesserungsinvestitionen sehr vorsichtig sind. Darüber hinaus: Bei unsicheren Bodenrechtssituationen ist der Zugang zu Kredit äußerst schwierig."

    Ohne gesellschaftliche Veränderungen verpuffen Züchtungserfolge. Statt dessen nehmen Hunger und Kriege weiter zu.