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Gegen soziale Diskriminierung

Professor Wolf Bloemers lehrt Heilpädagogik und Rehabilitation an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er versteht sich als Europäer mit hohem Anspruch. Soziale Inklusion aus europäischen Blickwinkeln. Hinter diesem abstrakten Titel für ein neues Masterstudium steckt die Idee von sozialer Gerechtigkeit vor allem für diejenigen, die gemeinhin als Randgruppe außerhalb stehen. Der neue European Master ist eine Initiative von Professoren und Studenten.

Von Verena Kemna | 04.08.2005
    " Wir haben gerade hier in unserem Studiengang, der international ausgerichtet ist viele Studenten, die ein Praktikum im Ausland gemacht haben. Die haben gesagt, davon muss mehr hier rein, wir haben so viele Dinge gemeinsam, aber wir wissen viel zu wenig voneinander. Daher versuchen wir einfach ein Curriculum zu schaffen, das über Begegnungen hinaus einige Dinge vertieft."

    Heute ist er stolz, dass sich die abstrakte Idee von der Sozialgemeinschaft Europa in den Lehrinhalten eines praxisnahen Aufbaustudiums wieder findet. Grundlage sind sechs Pflichtmodule oder auch 150 Stunden Lehre etwa zu den Themen Ethik und Soziale Gerechtigkeit oder zu Forschungsmethoden in den Sozialwissenschaften. Nach der Pflicht folgt die Kür: Die Studenten wählen drei von neun Modulen. Sie besuchen zum Beispiel Migranten, chronisch Kranke, Behinderte oder alte Menschen in europäischen Nachbarländern.

    " Sie haben Gastfreundschaft mitbekommen, sie haben das, was sie in der Theorie irgendwo gelesen haben, erfahren. Sie haben erlebt, dass Menschen ähnliche soziale Probleme haben und sie haben gemerkt, dass sie in einer Gemeinschaft mit ähnlich denkenden Studenten aus anderen Ländern Probleme gemeinsam angehen können."

    Der neue European Master wird im Wintersemester europaweit an 13 Hochschulen angeboten. In Magdeburg haben die ersten Studenten nach zwei Jahren Aufbaustudium das Zertifikat mit dem Aufdruck: European Master schon fast in der Tasche. Der Kontakt mit Professoren und Studenten aus Schweden, Portugal, Rumänien, Österreich, Ungarn, und der Slowakei, für den Studenten Ralf Hattermann eine faszinierende Erfahrung. Bei einer Exkursion in einem Zentrum für Drogenabhängige in Budapest erleben die Studenten aus Deutschland ungarische Gastfreundschaft und nicht nur das.
    " Sie haben sich vorgestellt mit ihrem Namen und im zweiten Satz gleich gesagt: Ich bin drogenabhängig. Also das war sehr eindrucksvoll für mich. Das bedeutet, dass die Klienten dazu stehen und sagen, sie haben ein Drogenproblem und sind in dieser Einrichtung um davon wegzukommen."

    Ganz anders der Empfang im slowakischen Bratislava. Dort geht alles streng nach Hierarchie. Ärzte und Betreuer tragen weiße Kittel, hier wird nicht mit sondern über die Patienten gesprochen.

    " Fachlich sehr kompetent aber es hatte eben den Eindruck, dass die Patienten uns vorenthalten wurden und uns eher als Anschauungsmaterial gegenüberstanden."

    So viele Länder so unterschiedlich die Erfahrungen. Susanne Thies begreift den Aufbaustudiengang als logische Konsequenz nach ihrem Studium der Heilpädagogik. Der europäische Gedanke ist für sie selbstverständlich.

    " Das ist für mich jetzt nicht, ich geh über Grenzen, also das ist für mich alles eins. Mich haben einfach die Themen interessiert und der Austausch mit den verschiedenen Leuten aus den verschiedenen Ländern, Regionen, sag ich jetzt einfach mal. Das war eben das Spannende mit denen persönlich zu kommunizieren und die Kulturen kennen zu lernen."

    Die Studieninhalte sind auch Thema einer internationalen Konferenz, die in zwei Monaten in Magdeburg stattfindet, organisiert von eben den zwanzig Studenten, die als erste den European Master in Magdeburg beenden werden. Für sie ist die Konferenz eine Bewährungsprobe auf dem Weg hin zu einer Sozialgemeinschaft Europa. Professor Wolfgang Heckmann hat die ersten Abschlussarbeiten schon auf dem Tisch. Die Absolventen haben in ganz Europa viele Möglichkeiten.
    " Wenn jemand guten Kontakt zu einer Drogenhilfe in Budapest hat, dann sind eben die Kontakte da, dann kann man sehen, ob man da ein Praktikum macht oder sich in anderer Weise dort anbietet."