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Gegenwind durch Frankreich und die Niederlande

Der Frankfurter Aktienmarkt reagierte mit Bestürzung auf die Aussicht, die deutsche Bundeskanzlerin könnte mit Nicolas Sarkozy ihren Mitstreiter in der Euro-Schuldenkrise verlieren. Auch der Rücktritt der Regierung in den Niederlanden nährte Sorgen. In der Folge verlor der Deutsche Aktienindex mehr als drei Prozent.

Von Michael Braun | 23.04.2012
    Der Finanzmarkt gibt keine Ruhe. Die Nachrichten sind zu schlecht. Der Fehlbetrag im spanischen Staatshaushalt belief sich voriges Jahr auf 8,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Mehr als erwartet. In den Niederlanden nennt der Rechtspopulisten Geert Wilders die europäischen Sparziele "sinnlos". Und in Frankreich hat die nationalistische Kandidatin Marine Le Pen so viele Stimmen erzielt, dass ein Nicolas Sarkozy, sollte er mit diesen Stimmen im zweiten Wahlgang doch noch Präsident werden, dieses Klientel bedienen müsste. Ähnlich dürfte es dem sozialistischen Kandidaten Francois Hollande gehen, der ohne die Wähler der Linksfront des Jean-Luc Mélenchon nicht ins Amt kommen dürfte. Für Jörg Krämer, dem Chefvolkswirt der Commerzbank, kein gutes Zeichen für Stabilität:

    "Egal, wer die Wahl gewinnt. Beide werden entweder auf eine, sag ich mal, sehr linke Klientel Rücksicht nehmen müssen. Oder aber im Fall Sarkozy auf eine rechte Klientel Rücksicht nehmen müssen. Die beide aus verschiedensten Gründen nicht bereit sind, im Moment das zu tun, was wichtig wäre, um die Staatsschuldenkrise zu lösen."

    Auch Stefan Scheurer von Allianz Global Investors traut keinem der beiden Präsidentschaftskandidaten die Rolle des Sanierers zu:

    "Wenn man auf die Programme der beiden Kandidaten blickt, Hollande und Sarkozy, dann sieht man hier nicht wirklich ein Anzeichen, dass hier nachhaltig fiskalisch was angegangen werden will."

    Andererseits geht eine Studie der Schweizer Großbank UBS herum. Danach haben sozialistische Regierungen in Frankreich seit 1981 in 80 Prozent der Fälle eine Staatsverschuldung von weniger als drei Prozent erreicht. Konservative Regierungen waren viel ausgabenfreudiger. Ihnen gelang das Maastricht-Kriterium nur bei einem Drittel der von ihr verantworteten Haushalte.

    Doch selbst wenn ein sozialistisch regiertes Frankreich sein Stabilitätsversprechen nicht vergessen würde: Die Niederlande könnten aus dem Lager derer kippen, die für stabile Staatshaushalte kämpfen. Der Rücktritt der Minderheitsregierung Mark Rutte könnte die Regierung Merkel einsam werden lassen in ihrem Bemühen, die Eurozone wieder zu einer Zone finanzieller Stabilität werden zu lassen. Nicolaus Heinen, bei DB Research zuständig für die Europapolitik:

    "Problematisch ist die aktuelle Lage in den Niederlanden, vor allen Dingen im Hinblick auf die Stabilitätsorientierung der gesamten Eurozone. Denn: Die Niederlande sind ein Hort der Stabilität. Und wenn die Niederlande als politischer Verbündeter Deutschlands in den nächsten Monaten aufgrund interner politischer Spannungen ausfallen sollten, dann steht Deutschland über kurz oder lang ziemlich alleine da."

    Sein Gesamteindruck:

    "Die Eurokrise ist in der nationalen Politik angekommen. Der Kuchen, den es zu verteilen gibt, der wird immer kleiner. Und daraus entstehen eben nationale Debatten zu einer Problemstellung, die eigentlich eine europäische ist."

    Die Anleihemärkte zeigen das: Die Rendite für spanische Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit überstieg heute wieder sechs Prozent, die der Niederlande legte auf 2,41 Prozent zu, die Frankreichs auf 3,1 Prozent. In Deutschland sanken die Renditen auf ein neues Allzeit-Tief. So drücken Märkte aus, wo sie Sicherheit vermuten. Wie lange, ist nicht gewiss.