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Geheimer Dreischlag

Netzpolitik.- Heute fand in Neuseelands Hauptstadt Wellington eine Protestveranstaltung gegen die sogenannten Acta-Verhandlungen statt, deren achte Runde dort in der kommenden Woche startet. Wissenschaftsjournalist Peter Welchering erläutert im Interview mit Manfred Kloiber, was die Acta-Gegner verhindern wollen.

10.04.2010
    Manfred Kloiber: Peter Welchering, Sie sind heute Morgen früh aufgestanden, um per Videoschaltung die Protestveranstaltung gegen Acta in Wellington zu verfolgen. Warum ist eigentlich das Handelsabkommen so umstritten?

    Peter Welchering: Das hat gleiche mehrere Gründe. Zum einen weil es eben tatsächlich gar nicht nur um ein Handelsabkommen geht, sondern auch um ein Abkommen, mit dem Sanktionen für Internetnutzer festgelegt werden. Dann geht es darum, dass über dieses Handelsabkommen eben nur zehn Länder und die Europäische Union verhandeln. Und: Die Acta-Verhandlungen sind geheim. Und das hat natürlich zu vielen Spekulationen geführt, zumal die geheimen Vertragstexte dann teilweise eben doch, wie das immer so ist, ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben. Umstritten ist beispielsweise, welche Auswirkungen die Acta-Vereinbarungen dann auf die nationalen Gesetzte haben werden. Beispielsweise werden die Verhandlungen ja von den Regierungen, respektive von der EU-Kommission geführt und so sind eben die Parlamente bei diesen Verhandlungen einfach außen vor. Und es geht bei diesen Verhandlungen eben auch darum, wie Urheberrechte geschützt werden können, welche Maßnahmen hier dann in den einzelnen Ländern durchgeführt werden müssen. Ein Thema dabei: Urheberrechtschutz durch Internet-Zugangssperren. Ein anderes Thema: Das Kappen von Bandbreite, drittes Thema: Überwachung des Datenverkehrs, viertes Thema: Sperren von IP-Adressen. Und weil die Verhandlungen so geheim sind, wird natürlich bei diesen vier Themen natürlich dann auch schlimmes befürchtet.

    Kloiber: Anfang der Woche fand ja in Brüssel eine Anhörung zu diesen Acta-Verhandlungen im Europaparlament statt. Da geistert immer wieder das Stichwort Three-Strikes-Intrenetsperrren durch das Parlament und die Medien. Was sind denn diese Three-Strike-Internetsperren?

    Welchering: Das ist ursprünglich das französische Modell und hat dennoch einen englischen Namen – ganz erstaunlich – das französische Modell zur Bestrafung von Internetnutzern, die Urheberrechte missachten, also beispielsweise illegal Musik tauschen oder Filme herunterladen ohne dafür zu bezahlen oder Videos tauschen ohne eben die Rechte daran zu haben. Und dieses Three Strikes kommt eigentlich aus dem Baseball – also auch für Frankreich noch einmal wieder eigentlich ungewöhnlich. Und die Basballregel lautet eigentlich: Three Strikes and you are out – also, drei Regelverletzungen und du bist draußen. Angewandt auf die diskutierten Internet-Zugangssperren heißt das, beim ersten und zweiten Urheberrechtsverstoß gibt es eine Verwarnung oder irgendeine andere Strafe, auch Geldstrafen werden da diskutiert oder das Heruntersetzen der Übertragungsgeschwindigkeit. Beim dritten Urheberrechtsverstoß wird eine Internet-Zugangssperre verhängt. Dann darf der Betroffene für eine bestimmte Zeit keinen Zugang zum Internet haben. Und diskutiert werden da Zeitspannen von zwei Monaten bis zu einem Jahr.

    Kloiber: Und wer soll diese Internet-Zugangssperren verhängen?

    Welchering: In Frankreich ist dafür ein Schnellverfahren vor einem Richter vorgesehen, maximale Verhandlungsdauer: zwei Stunden. Bei den Acta-Verhandlungen wird auch darüber diskutiert, dass ein Internet-Provider, der Mitbekommt, dass einer seiner Kunden, also ein Internetnutzer, ein Surfer, so eine Urheberrechtsverletzung begeht, dass der den dann nach diesem Dreischlag-Modell bestrafen soll. Das würde aber in der Konsequenz eben auch heißen, dass beim bloßen Verdacht auf eine Urheberrechtsverletzung solch eine Zugangssperre zum Internet verhängt werden könnte, vom Provider. Und der betroffene Nutzer hätte dagegen nicht einmal ein Rechtsmittel, das er einlegen könnte. Und das wird eben von ganz vielen Acta-Kritikern abgelehnt. Natürlich war das heute auch ein Thema in Wellington und ein Problem dabei ist eben die Einbindung nationalen Rechts. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich hier im Deutschlandfunk ja am Dienstag dieser Woche klar gegen dieses Dreischlag-Modell ausgesprochen, aber Deutschland sitzt hier nicht am Verhandlungstisch. Am Verhandlungstisch sitzt die EU. Und da könnte es durchaus passieren, dass nach den Acta-Verhandlungen, wenn die abgeschlossen sind, dann in Deutschland solche Sperren als EU-Recht in nationales Recht umgesetzt werden müssen.

    Kloiber: Weitere Themen bei der Acta-Konferenz sind ja Filtern und Überwachen von Datenverkehr. Was steht da in den Entwürfen?

    Welchering: Die Entwürfe sind ja geheim. Aber einige sind dann dennoch so ein bisschen rausgekommen. Die Acta-Verhandlungen werden zwar als Geheimverhandlungen betrieben, aber es sickert immer etwas durch. Und durchgesickert ist unter anderem die Idee, dass im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen die Internetprovider bei Verstößen haften sollen, also die sollen dann bezahlen. Aber sie können dieser Haftung entgehen. Allerdings nur dann, wenn sie nachweisen, dass sie den Datenverkehr ihrer Nutzer überwachen und filtern. Das Filtern beispielsweise ist notwendig, um etwa durch Wasserzeichen geschützte Dateien zu überprüfen und so sicherzustellen, dass die entsprechenden Rechte dann auch wirklich erworben wurden.

    Kloiber: Auch das Kappen von Bandbreite wurde in Brüssel diskutiert. Was gab es in Wellington an Diskussionen dazu?

    Welchering: Eine Paralleldiskussion. Die Diskussion in Wellington verlief ganz ähnlich wie die Diskussion in Brüssel. Das Kappen von Bandbreite soll ja, nachdem was nach außen gedrungen ist von den Acta-Verhandlungen, als so eine Art Zweitstrafe gegen Nutzer verhängt werden, die schon einmal Urheberrechte missachtet haben. Und eine Diskussion geht dabei in die Richtung: Beim ersten Mal gibt es eine Verwarnung, beim zweiten Mal wird die Verbindung runtergesetzt, beim dritten Mal wird dann eben der Internetzugang für diesen Nutzer dicht gemacht. Wie gesagt alles ohne Richter. Und dazu gab es eben in Wellington ein ganz klares Nein. Genau dagegen wird protestiert. Wir müssen hier rechtsstaatliche Prinzipien im Internet auch beachten.

    Kloiber: Peter Welchering über die Acta-Verhandlungen in Neuseeland. Besten Dank.