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Geiger Frank Peter Zimmermann
Eine alles andere als zartbesaitete Mozart-Interpretation

Frank Peter Zimmermann hat für Hänssler Classic Mozart eingespielt. Der Stargeiger präsentiert eine ausgereifte Interpretation mit fein herausgearbeiteten Details. Dabei geht Zimmermann keineswegs zartbesaitet zu Werke.

Von Georg Waßmuth | 24.04.2016
    Violinist Frank Peter Zimmermann bekommt von Liya Yu, der Tochter eines chinesisch-deutschen Unternehmers, eine andere Stradivari übergeben.
    Violinist Frank Peter Zimmermann bekommt von Liya Yu, der Tochter eines chinesisch-deutschen Unternehmers, eine andere Stradivari übergeben. (picture alliance / dpa / Anja Rauschardt)
    Der Geiger Frank Peter Zimmermann, seine über alles geliebte Stradivari "Lady Inchiquin" und Wolfgang Amadeus Mozart stehen heute im Mittelpunkt der Sendung. Am Mikrofon begrüßt sie Georg Waßmuth.
    Die Geschichte ging durch die Weltpresse. "Geiger muss sich von seinem Instrument trennen, berühmte Stradivari kommt zurück in den Tresor."
    15 Jahre lang durfte Frank Peter Zimmermann die "Lady Inchiquin" als Leihgabe der West LB spielen, dann pochte die Bank im Strudel der Finanzkrise auf Rückgabe und schlug selbst ein Kaufangebot des Stargeigers von fünf Millionen Euro aus. So ist diese Aufnahme auch ein Zeitdokument. Frank Peter Zimmermann spielte für Hänssler Classic zum wohl letzten Mal mit seinem Lieblingsinstrument Mozart ein. Zur Einstimmung hier das Rondo aus dem Konzert für Violine Nr. 2. Der Solist wird vom Kammerorchester des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Konzertmeister Radoslaw Szulc begleitet.
    Wolfgang Amadeus Mozart – Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 D-Dur KV 2 – Rondo/Allegro 4:26
    Frank Peter Zimmermann spielte das Rondo aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 von Wolfgang Amadeus Mozart. Auf Augenhöhe agierte an seiner Seite das Kammerorchester des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung seines Konzertmeisters Radoslaw Szulc.
    Bei Mozart hört man einfach alles. Da gibt es kein Verstecken hinter einer Klangwolke, jeder Ton, jede Phrase müssen akkurat und meisterhaft ausgespielt werden. Dabei geht Zimmermann keineswegs zartbesaitet zu Werke. Durchaus kernig im Ton und robust zupackend bei Tempo und Gestaltung präsentiert er seine absolut ausgereifte Interpretation. Fein heraus gearbeitete Details und der sprichwörtlich "große Bogen" sind hier kein Widerspruch.
    Geboren ist Frank Peter Zimmermann im Jahr 1965 in der Arbeiterstadt Duisburg. Aufgewachsen als Sohn einer Geigenlehrerin lernte er das Instrument von frühester Jugend an. Mit elf Jahren wurde das Talent Jungstudent an der Folkwangschule in Essen. In der Folge gehörten Meister wie Saschko Gawriloff zu seinen Lehrern. Mit 16 gab Frank Peter Zimmermann dann sein Debüt mit den Berliner Philharmonikern. Auf dem Programm stand Mozart, man schrieb das Jahr 1981.
    Wie oft der Geiger bisher den Meister der Wiener Klassik auf den Konzertpodien der Welt präsentierte, lässt sich gar nicht mehr überblicken. Eins ist jedoch sicher: Frank Peter Zimmermann hat dessen Werke vollkommen durchdrungen. Hier nun das Andante aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 von Wolfgang Amadeus Mozart.
    Wolfgang Amadeus Mozart – Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 D-Dur KV 2 – Andante 2:39 (Ausschnitt)
    Frank Peter Zimmermann interpretiert das Andante aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 von Wolfgang Amadeus Mozart. Dessen Violinkonzerte hat der Solist bereits mit Anfang 20 alle schon einmal aufgenommen. Nach mehr als 30 Jahren Karriere folgt nun eine Replik vom Hochsitz der künstlerischen Reife. Das Projekt ist mit dieser Neuerscheinung abgeschlossen, es umfasst die Violinkonzerte Nr. 2 und 5 und als Zugabe die Sinfonia Concertante in Es-Dur.
    Die komponierte Mozart im Jahr 1779 wohl in bester Laune. Er war gerade auf einer Konzerttournee gewesen, die ihn unter anderem nach Mannheim und Paris führte. Der Kontakt und Austausch mit hervorragenden Musikern und dem neuen Typus des reisenden Virtuosen beflügelten ihn mit Ideen. Die Sinfonia Concertante mit ihrem Kontrast zwischen sinfonischem Tutti und mehreren, auch untereinander konkurrierenden Solisten schien ihm wohl ein ideales Format für das Konzertpodium. Zwar gab es auch hier Vorbilder und Vorläufer. Mozart nutze den alten Rahmen, gestaltete den Inhalt aber spektakulär neu.
    Als Soloinstrumente stellt er Geige und Bratsche gleichberechtigt nebeneinander. Zu den Besonderheiten des Werkes gehört die Art, wie das Orchester feinmotorisch mit ihnen agiert. Es ist eben kein Schaulaufen für Artisten mit Begleitcombo, sondern ein geschlossenes Werk, das nur gemeinsam geformt werden kann. Als Tonart wählte Mozart das sehr strahlkräftige Es-Dur. Gleich mit den ersten Takten präsentiert er einen frappierenden Einfall: Es gibt eine Art "Startknopf" auf den der Meister drückt, ein kräftiger Akkord der die Aufmerksamkeit weckt.
    Wolfgang Amadeus Mozart –"Sinfonia Concertante" 1. Satz - Allegro maestoso (Ausschnitt 4:35)
    Ein Ausschnitt aus der Sinfonia Concertante von Wolfgang Amadeus Mozart. An der Seite des Geigers Frank Peter Zimmermann spielen der hervorragende Bratscher Antoine Tamestit und das Kammerorchester des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Radoslaw Szulc.
    So beredt und überzeugend kann man das Meisterwerk nur selten hören.
    Frank Peter Zimmermann, der noch nie zur Fraktion der Hochglanz- und Vermarktungsstrategen im Klassik-Zirkus gehörte, legt hier beim Label Hänssler Classic eine exzellente Mozart-Interpretation auf der Höhe seines Schaffens vor.
    Die missliche Stradivari-Story hat übrigens vorläufig ein gutes Ende genommen. Nachdem die "Lady Inchiquin" im Strudel der Finanzkrise unweigerlich in der Konkursmasse der ehemaligen Bank verschwand, probierte der Geiger ziemlich frustriert einige Leihinstrumente aus. Bei einem Konzert in Shanghai klopfe ein gewisser Herr Yu an die Tür der Garderobe. Er habe da ein Instrument für chinesische Nachwuchstalente gekauft, das der Deutsche doch gerne einmal ausprobieren könne. Der Sammler und Mäzen drückte Zimmermann die Stradivari in die Hände, die einst der Geiger Arthur Grumiaux spielte. Nun ist sie für die nächsten Jahre Leihgabe der Yu-Stiftung an Frank Peter Zimmermann.
    In welcher Versteigerung die "Lady Inchiquin" auftauchen wird - ob dann fünf oder zehn Millionen Euro die Messlatte sind - das wird die Musikwelt sicher bald erfahren. Allzu lange sollte die Geige jedenfalls nicht in irgendeinem Tresor verstauben. Dafür ist das Instrument einfach zu einzigartig, wie die aktuelle Aufnahme mit Frank Peter Zimmermann beweist [Anmerkung der Redaktion: Auf Hinweis des KünstlerSekretariats am Gasteig korrigieren wir die Aussage unseres Autors, dass es sich bei der zu hörenden Geige um die "Lady Inchiquin" handelt].
    Zum Ausklang der neuen Platte nun das "Allegro Aperto" aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 von Wolfgang Amadeus Mozart. Am Mikrofon verabschiedet sich Georg Waßmuth.
    Wolfgang Amadeus Mozart – Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 /1. Satz / Allegro Aperto (05:25)