Donnerstag, 28. März 2024

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Geiselnahme in Mali
"Überraschend, dass es dieses Hotel getroffen hat"

In Malis Hauptstadt Bamako hat eine bewaffnete Gruppe ein Luxushotel angegriffen. Die Sicherheitslage sei im Süden des Landes zuletzt gar nicht so schlecht gewesen, sagte Jan Falbusch, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung vor Ort, im DLF, während die Polizei das Hotel stürmte. Es sei auch überraschend, dass es dieses Hotel getroffen habe, weil es als bestgesichertes Hotel der Stadt gelte.

Jan Falbusch im Gespräch mit Jochen Spengler | 20.11.2015
    Bewaffnete Soldaten gehen rund um das Hotel in Bamako in Stellung.
    Soldaten gehen rund um das Hotel in Bamako in Stellung. (AFP / Habibou Kouyate)
    Jochen Spengler: Noch einmal zur Geiselnahme in Mali, dem Binnenstaat in Westafrika mit rund 17 Millionen Einwohnern. Bewaffnete haben in der Hauptstadt ein Luxushotel gestürmt und sollen 170 Geiseln genommen haben. Von drei Toten ist die Rede. Jetzt sollen Sicherheitskräfte mit der Gegenoffensive begonnen und 20 Geiseln befreit haben. Jan Falbusch ist der Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako, der Hauptstadt Malis. Herr Falbusch, Sie befinden sich, so hoffen wir, nicht in unmittelbarer Gefahr. Wie weit sind Sie denn weg von dem Hotel?
    Jan Falbusch: Guten Tag, Herr Spengler. Wir sind nicht in Gefahr. Das ist sehr beruhigend. Wir sind auf der anderen Seite der Stadt, direkt am Fluss Niger gelegen mit unserem Büro. Insofern betrifft uns das akut momentan nicht.
    Spengler: Aber Sie wissen, was geschehen ist?
    Falbusch: Ja. Wir haben das heute sehr frühzeitig schon mitbekommen. Es befinden sich dort im Umfeld dieses Hotels, des Hotels Radisson, was hier das beste Hotel in Bamako ist, befreundete Organisationen, die uns dann sehr rechtzeitig schon informiert haben.
    Spengler: Und was ist dort geschehen aus Ihrer Sicht?
    Falbusch: Nach den uns vorliegenden Informationen sind bewaffnete Terroristen heute Morgen in dieses Hotel eingedrungen, zwischen sieben und acht Uhr Ortszeit, nach unserer Kenntnislage, und haben sich dann in den oberen Stockwerken verschanzt und es ist wohl auch schon beim Eindringen zu Toten gekommen.
    Spengler: Wissen Sie etwas über diese Gegenoffensive, von der die Agenturen berichten, Armee oder Sicherheitskräfte?
    Falbusch: Auch da liegen uns noch keine bestätigten Informationen vor. Die malische Polizei verfügt über Spezialkräfte. Vermutlich wird man auch in der Lehre der jüngsten Ereignisse hier versuchen, schnell zu intervenieren. Auch dort warten wir ab auf gesicherte Informationen, ob diese Operation jetzt abgeschlossen wurde.
    Spengler: Dann reden wir ein bisschen über die Hintergründe. Sie haben das Hotel Radisson Blue schon erwähnt, ein Luxushotel. Wer übernachtet dort zu welchem Zweck?
    Falbusch: Das gilt als das best gesicherte Hotel dieser Stadt. Deshalb wird es sehr stark von Ausländern frequentiert, natürlich von Diplomaten, von Delegationen, aber auch von den Crews unterschiedlicher Airlines. Es soll sich eine Crew der Turkish Airlines dort befinden, aber auch der Air France. Insofern ist es ein Hotel, wo auch gerne Empfänge stattfinden, was integraler Bestandteil quasi der politischen, aber auch des ökonomischen Lebens hier in Bamako ist. Sie wissen: Wir sind ja geprägt hier nach wie vor von der Bearbeitung der jüngsten Krise. Es gibt ein Friedensabkommen, das gegenwärtig umgesetzt wird, und auch dort hat es in dieser Woche das Treffen des Gremiums gegeben, was die Umsetzung dieses Friedensabkommens überwacht, und einige Informationen, die mir vorliegen, deuten auch darauf hin, dass möglicherweise Delegierte, die in diesem Komitee mitarbeiten, sich unter den Gästen dieses Hotels befanden.
    "Man muss erst mal herausfinden, wer denn wirklich für diesen Anschlag verantwortlich ist"
    Spengler: Und die Erstürmer sollen Islamisten sein. Es könnte also sein, dass sie sich möglicherweise auch direkt gegen diesen Friedensprozess richten?
    Falbusch: Ja, das muss die weitere Untersuchung zeigen. Es ist zu früh, darüber zu spekulieren. In der Tat gibt es da verschiedene Möglichkeiten und man muss erst mal herausfinden, wer denn wirklich für diesen Anschlag verantwortlich ist, handelt es sich hier um Terroristen oder Mitglieder bewaffneter Gruppen, die hier im Norden Malis insbesondere auch für die jüngste Krise verantwortlich waren, oder gar um international operierende Terroristen wie den IS. All das wird die weitere Aufklärung hoffentlich bald zeigen und davon ist sicherlich auch abhängig, wie sich der hiesige Friedensprozess weiter entwickeln wird.
    Spengler: Wer kämpft denn da in Mali oder hat gekämpft? Ist der IS, der sogenannte Islamische Staat, denn überhaupt dort vertreten, oder sind das nur Tuareg-Gruppen, Separatisten oder andere Terrorgruppen?
    Falbusch: Es sind andere Terrorgruppen, Gruppierungen, die hier auch für eine dschihadistische Besatzung der nördlichen Region Malis verantwortlich waren, für die Städte Timbuktu und Gao, die unter einer dschihadistischen Besatzungsherrschaft ja fast ein Jahr standen. Diese bewaffneten Gruppen haben sich meist umbenannt, aber sind in der einen oder anderen Form nach wie vor hier präsent und in Teilen auch in den aktuellen Friedensprozess eingebunden gewesen - nicht die ganz radikalen Gruppen, aber wir haben hier auch eine Gruppierung gehabt, die sich quasi mit anderen zusammengeschlossen haben und die Ansprechpartner auch für die Regierung waren, um sie in einen Stabilisierungs- und Friedensprozess einzubeziehen.
    Spengler: Herr Falbusch, Sie haben eben gesagt, das war das best gesicherte Hotel in Mali. Es ist trotzdem erstürmt worden. Was heißt das über die Sicherheitslage? Die kann nicht gut sein.
    Falbusch: Ja, die Sicherheitslage im Süden des Landes war zuletzt eigentlich gar nicht so schlecht. Wir hatten sicherlich hier immer ein abstraktes Anschlagsrisiko. Sie wissen ja, es hatte im März den Anschlag auf eine bei Ausländern beliebte Bar, auf einen Nachtklub gegeben. Für diesen Anschlag hatte sich ja auch der international bekannte Terrorist Mokhtar Belmokhtar bekannt. Es hatte dann einen Anschlag gegeben, auf ein von Mitgliedern und Mitarbeitern der UN-Friedensmission MINUSMA benutztes Hotel in der Stadt Severi bei Mopti gegeben im vergangenen August. Aber hier in Bamako ist die Situation eigentlich verhältnismäßig ruhig gewesen. Von daher kommt dieser Anschlag dann doch in Teilen überraschend. Und, wie Sie ja auch richtig sagen: Es ist vor allen Dingen überraschend, dass es dieses Hotel getroffen hat.
    "Bundeswehr ist gerade schwerpunktmäßig engagiert in der Aus- und Fortbildung"
    Spengler: Französische Truppen sind dort vor zweieinhalb Jahren hingeflogen und haben dort die Separatisten, die Terroristen bekämpft. Auch die Bundeswehr ist vor Ort. Was macht die dort?
    Falbusch: Ja, die Bundeswehr ist gerade schwerpunktmäßig engagiert in der Aus- und Fortbildung von malischen Soldaten der malischen Armee im Rahmen der europäischen Ausbildungs- und Trainingsmission EUTM. Diese Mission steht derzeit unter dem Kommando eines deutschen Generals. Dort ist die Bundeswehr schwerpunktmäßig dabei, zusammen mit weiteren europäischen Streitkräften, die malische Armee fortzubilden, damit die Malier selber hier die Sicherheit ihres Landes garantieren können.
    Spengler: Haben Sie den Eindruck, dass das erfolgreich ist?
    Falbusch: Ja. Die Ausbildungsmission wird auch nach unseren Umfragen - wir erheben hier zweimal jährlich die politische Meinung der Malier - als sehr erfolgreich und sehr positiv bewertet. Das ist sicherlich ein sinnvoller Ansatz. Ich wollte nur darauf verweisen, dass gleichzeitig Bundeswehrkräfte auch im Rahmen der UN-Friedensmission MINUSMA hier in Mali engagiert sind, und auch dort wird ja derzeit über die Ausweitung dieses Mandates beraten.
    Spengler: Danke schön! Das war Jan Falbusch, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mali. Herr Falbusch, herzlichen Dank. Hoffen wir, dass die Geiselnahme schnell endet.
    Falbusch: Ja! Vielen Dank Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.