Freitag, 19. April 2024

Archiv


Geld statt Grünland

Beim Bau neuer Stromleitungen geht in der Regel viel wertvolles Ackerland verloren. Das wollen viele Landwirte nicht länger hinnehmen. Sie plädieren dafür, nicht nur Naturflächen zu schützen, sondern auch das Ackerland. Dafür fordern sie sogar, das Bundesnaturschutzgesetz zu ändern.

Von Anette Eversberg | 15.08.2011
    Die deutschen Landwirte sehen das Ackerland unter Druck. Immer mehr Flächen werden benötigt, um Häuser und Straßen zu bauen. Und künftig werde auch die Energiewende neue Flächen im ländlichen Raum beanspruchen, klagt Johannes Röring, Berichterstatter der Unions-Agrarier für Naturschutz und erneuerbare Energien im Deutschen Bundestag:

    "Wenn Sie eine Leitung über eine Ackerfläche bauen, machen Sie einen Eingriff in Natur und Landschaft. Den müssen Sie ausgleichen. Und der Ausgleich findet immer wieder dadurch statt, indem Sie wertvolles Ackerland oder Grünland nehmen und es in Wald oder Streuobstwiese oder in eine Extensivierung überführen."

    Also in eine Nutzung ohne Kunstdünger und Chemie, auch wenn dabei der Ertrag geringer ist. Carola Behm, Bundestagsabgeordnete von Bündnis90/Die Grünen, widerspricht Johannes Röring: Extensiv genutztes Grünland zum Beispiel sei auf dem Rückzug.

    "Insgesamt ist es aber so, dass sich die Landwirtschaft das Ackerland zurückholt durch Grünlandumbruch. Insbesondere in Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrein-Westfalen. Da hat die Ackerfläche sogar zugenommen."

    Carola Behm beziffert den Verlust von Grünland auf 94 Hektar pro Tag. Dabei spielt extensives Grünland für den Biotopverbund eine wichtige Rolle. Peter Schütz vom Landesamt für Natur- Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen:

    "Das Grünland entlang von Biotopverbundachsen, das sind beispielsweise Auen von Bächen und Flüssen, hat eine sehr, sehr hohe Bedeutung, weil die ganzen Tier- und Pflanzenarten, die vom Grünland abhängig sind, natürlich Biotopverbundachsen nur dann nutzen können, wenn durchgängig Grünland vorhanden ist."

    Trotzdem sind auch die Grünen der Auffassung, dass Verkehrswege oder Ausgleichsmaßnahmen für Windkraftanlagen, Strommasten oder Speicherbecken nicht zu Lasten des Ackerlandes gehen sollen. Carola Behm:

    "Es ist wichtig, dass eine Flächeninanspruchnahme durch Baumaßnahmen jeder weder Art, auch durch Windkraftanlagen ausgeglichen wird, auch im regionalen Umfeld ausgeglichen wird. Da setzen wir darauf, dass Flächen, die nicht mehr benötigt werden, recycled werden und da wieder Grünland und andere Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden."

    Zwar ist der Flächenverbrauch gesunken. Doch vom Nachhaltigkeitsziel der Bundesregierung, dass bis 2020 nur noch 30 Hektar Fläche pro Tag verbraucht werden sollen, ist Deutschland noch weit entfernt. Johannes Röring befürchtet, dass ein niedrigerer Flächenverbrauch nicht ausreichen könnte, um das Ackerland zu schützen. Er schlägt vor, Ausgleichsmaßnahmen anders umzusetzen und dafür noch in dieser Legislaturperiode das Bundesnaturschutzgesetz zu ändern.

    "Im Grunde steht dort nur, dass Eingriff ausgeglichen werden muss. Wenn ich mir Deutschland anschaue, muss ich feststellen, dass obwohl wir viele Naturschutzflächen ausgewiesen haben, in diesen Flächen teilweise Pflegenotstand herrscht. Und da ist mein Vorschlag, dass wir einfach diesen Eingriff geldlich bewerten, im Bundesnaturschutzgesetz verankert, und dieses Geld meinetwegen den Naturschutzverbänden zur Verfügung stellen, um ihre Naturschutzgebiete zu pflegen."

    Das könnte aber bedeuten, dass sich der Zuwachs an Naturschutzflächen verringert. Dem will Carola Behm von den Grünen auf keinen Fall zustimmen, obwohl sie dabei den Schutz des Ackerlandes durchaus im Blick hat.

    "Das wäre ein absoluter Dammbruch. Wir haben in Deutschland ja ohnehin sehr viele Flächen in Anspruch genommen. Es gibt ja kaum noch naturbelassene Flächen. Und ich halte es für dringend erforderlich, dass es wirklich beim Flächenausgleich bleibt. Allerdings bin ich ganz entschieden dagegen, dass wir es zu Lasten des Ackerlandes und des Grünlandes machen, dass wir genau aufpassen, wo noch Straßen gebaut werden, wo noch Siedlungen gebaut werden. Und das kann man zum Beispiel auch über veränderte Abgaben steuern."