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Geldpolitik
EZB beschließt Staatsanleihenkauf

Die Europäische Zentralbank hat neue Maßnahmen gegen die drohende Wirtschaftskrise im Euroraum angekündigt. EZB-Präsident Mario Draghi teilte in Frankfurt am Main mit, dass ein umfassendes Programm zum Ankauf von Staatsanleihen beschlossen wurde. Der umstrittene Schritt soll verhindern, dass es zu einem Preisverfall in der Eurozone kommt.

22.01.2015
    Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, spricht auf der Pressekonferenz der EZB in Frankfurt vor Journalisten.
    EZB-Präsident Mario Draghi (afp / Daniel Roland)
    Die EZB wird nach Angaben ihres Chefs Mario Draghi bis Ende September 2016 monatlich 60 Milliarden Euro in den Ankauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren aus den Euro-Ländern investieren. Die Notenbank hatte die Märkte zuletzt auf großangelegte Aufkäufe von Staatsanleihen eingestimmt. Sie verfolgt mit den Maßnahmen das Ziel, eine gefährliche Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und schrumpfenden Investitionen zu verhindern.
    Draghi: Combined monthly purchases will be €60 billion, to be carried out at least until end-Sept 2016— ECB (@ecb) 22. Januar 2015
    EZB will Konjunktur in Schwung bringen
    Die Maßnahme bedeutet, dass die EZB frisches Zentralbankgeld druckt und damit Wertpapiere kauft. Das frische Geld, das die Banken im Gegenzug für die Anleihen bekommen, soll wiederum in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weitergegeben werden. Auf diese Weise könnte es Konsum und Investitionen ankurbeln und die zuletzt extrem niedrige Inflation im Euroraum wieder in Richtung des EZB-Ziel von knapp unter zwei Prozent bringen.
    Angesichts der weitreichenden Entscheidung erinnerte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Politik an ihre Verantwortung für das Wachstum in der Welt. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sagte sie, der EZB-Beschluss "darf nicht davon ablenken, dass die eigentlichen Wachstumsimpulse durch vernünftige Rahmenbedingungen durch die Politik gesetzt werden müssen und auch gesetzt werden können".
    Wagenknecht kritisiert Pläne als "völlig falsch"
    Die Pläne der EZB stießen in Deutschland vor der Bekanntgabe parteiübergreifend auf Kritik. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, nannte die Maßnahmen völlig falsch. Sie sagte im Deutschlandfunk, es handele sich um ein Sanierungsprogramm für die Banken, wenn ihnen im großen Stil Wertpapiere abgekauft würden. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) warnte im Deutschlandfunk, das EZB-Programm könne zu einem nachlassenden Reformdruck in den Euro-Staaten führen.
    Ohne auf die bevorstehende EZB-Entscheidung einzugehen, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), es dürfe nicht allein der Notenbank überlassen werden, für mehr Wachstum und Beschäftigung zu sorgen. Wachstumsinitiativen dürften "keine Konjunktur-Strohfeuer" sein. Die Bundesregierung sei überzeugt, dass das Programm der EU-Kommission für Milliarden-Investitionen eine Chance biete, Strukturreformen und Wachstumsinitiativen miteinander zu verbinden.
    Ökonomen sehen erste Anzeichen für Deflation
    Wechselwirkungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern, die zu Deflation und wirtschaflichem Abschwung führen.
    Wechselwirkungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern, die zu Deflation und wirtschaflichem Abschwung führen. (picture alliance / dpa-infografik)
    Die weitere Öffnung der Geldschleusen nach dem Vorbild der USA soll verhindern, dass die Wirtschaft in eine Depression abrutscht. Einige Ökonomen sprechen bereits von ersten Anzeichen einer Deflation und verweisen auf die gut gefüllten Lager etwa beim Rohöl, eine insgesamt gedrosselte Produktion und eine magere Konjunktur, selbst in den starken Wirtschaftsnationen wie Frankreich. Für Italien wird in diesem Jahr ein Minuswachstum erwartet. Vertreter beider Länder unterstützen das EZB-Kaufprogramm beim Weltwirtschaftsforum in Davos als Maßnahme zur Ankurbelung der Konjunktur.
    Die Europäische Zentralbank hat außerdem beschlossen, den Leitzins auf seinem aktuellen Stand von 0,05 Prozent zu belassen. Der Leitzins beeinflusst den Satz, zu dem sich Banken im Euroraum untereinander Geld leihen.
    (tj/swe)