Freitag, 19. April 2024

Archiv

Geldwäsche im Immobilienmarkt
"Es gibt praktisch keine Kontrolle"

Die Bundesregierung setze mit ihrem Gesetzentwurf im Kampf gegen Geldwäsche im Immobiliensektor nur EU-Regelungen um, kritisierte Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen, im Dlf. Die Meldepflicht für Notare genüge nicht - sie sollten vor einem Kauf belegen müssen, woher das Geld stamme.

Lisa Paus im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 31.07.2019
Blick aus einem Fenster auf eine Straße im Berliner Viertel Friedrichshain
Immobilien werden immer teurer - gerade in Ballungsgebieten wie in Berlin. Ein Grund dafür ist auch die Geldwäsche im Immobiliensektor (Klaus Schirmer)
Jörg Münchenberg: Wie hoch genau der angerichtete Schaden durch Geldwäsche in Deutschland ist, das lässt sich nur schwer beziffern. Schätzungen etwa der Universität Halle kamen vor drei Jahren auf eine Zahl von 100 Milliarden Euro, die jedes Jahr in Deutschland gewaschen werden. Zum Beispiel, indem sie in Immobilien investiert werden, auch ein Grund, warum die Immobilienpreise enorm gestiegen sind. Hier will unter anderem der Gesetzentwurf ansetzen, den das Kabinett heute beschlossen hat. Aus Berlin und am Telefon ist jetzt Lisa Paus, sie ist die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Frau Paus, ich grüße Sie!
Lisa Paus: Hallo!
Münchenberg: Frau Paus, aus Ihrer Sicht, wie groß ist das Problem der Geldwäsche gerade jetzt im Immobiliensektor?
Paus: Das Problem ist riesengroß, es wurde ja gerade berichtet über Verdachtsmeldungen an diese zentrale Einheit, 60.000 waren es im vergangenen Jahr. Und wenn man dann weiß, dass ganze fünf von Notaren kamen und ganze 21, glaube ich, von Maklern, dann hat man eine Einschätzung darüber, wie das mit der Aufsicht und der Kontrolle der Geldwäsche im Immobiliensektor aussieht – es gibt praktisch keine.
"Verfolgung gleich null"
Münchenberg: Was heißt das denn jetzt auch für den Mietermarkt, kann man auch sagen, die Mieten sind deshalb gestiegen, weil eben auch unter anderem so viel Geld, so viel Schwarzgeld jetzt in diesen Sektor fließt?
Paus: Mit Sicherheit ist das der Fall. Wir haben in den letzten Jahren ja erhebliche Immobilienpreissteigerungen erlebt, gerade in den Ballungsgebieten. Ich selber wohne in Berlin und ich kann Ihnen sagen, ich bin auf das Thema überhaupt erst gestoßen, weil ich in meinem Wahlkreis zwei, drei, vier, fünf Fälle auf einmal hatte, wo eben nicht mehr klar war, wer ist eigentlich der Eigentümer, Mieter kamen zu mir, die Probleme hatten, und dann haben wir gemeinsam versucht, sehr komplizierte Briefkastenkonstruktionen zu entwirren.
Und Sie hatten ja am Anfang auch gesagt, auch das Thema organisierte Kriminalität hat sich in Berlin auch noch mal wiedergefunden. Das ist ein ganz breites Problem, alle wissen es, alle können mir Beispiele nennen, aber mit der Verfolgung ist es praktisch gleich null.
Münchenberg: Aber lässt sich das denn immer so klar auseinanderdividieren, ob das jetzt wirklich Schwarzgeld ist oder ob da nicht ein Investor dahintersteht, der einfach nicht erkannt werden will?
Paus: Natürlich, das ist ein großes Problem. Die Ermittlungsbehörden, wenn sie jemanden am Wickel haben, versuchen auch wirklich, einen sehr guten Job zu machen. Sie haben aber eben sehr wenig Instrumente an der Hand. Richtig ist, Geldwäsche ist dann strafbar, wenn man die Vortat nachweisen kann. Viel Geld von einem Konto abzuheben oder es von einem Konto aufs andere zu transferieren, das ist natürlich keine Straftat, sondern es geht immer darum nachzuweisen, dass eine Straftat vorher vorgelegen hat, aus der dann eben Geld entstanden ist, was dann eben in weiße Kanäle geschleust wird.
Das nachzuweisen, ist unendlich schwer, und deswegen wollen wir insbesondere im Immobiliensektor klarmachen, dass eben keine Immobilie mehr erworben werden darf, wenn der Notar nicht einwandfrei nachweisen kann, also wenn dem Notar nicht einwandfrei nachgewiesen wird, woher das Geld stammt. Dann gibt es keinen Kauf mehr, das ist die einfache Regelung – weil hinterher nachzuarbeiten, das ist für die Ermittlungsbehörden unendlich schwierig.
Transparenzregister ist ein Datenfriedhof
Münchenberg: Nun will die Bundesregierung zum einen ja die rechtlichen Möglichkeiten schärfen, zum anderen soll ja eben genau diese Transparenz, die Sie ja auch einfordern, die soll verbessert werden durch eine bessere Einsehbarkeit in das Transparenzregister, dass man also wirklich sieht, wer ist denn eigentlich der Käufer jetzt. Nutzt das wirklich was, diese Transparenz?
Paus: Dass dieses Transparenzregister endlich öffentlich wird, das nutzt insoweit etwas, weil dann die Öffentlichkeit tatsächlich auch noch mal reinschauen kann in das Transparenzregister. Bisher haben wir es seit zwei Jahren, und jeder, der bisher reinschauen durfte, hat mir jeweils berichtet: Das, was drinsteht, hat mit den Realitäten nicht wirklich etwas zu tun. Und auch da ist es wieder so, dass die zuständige Behörde, das Bundesverwaltungsamt, nicht wirklich nachkommt in den Kontrollen und in der Aufsicht, sodass man eigentlich sagen kann, das ist ein Datenfriedhof, der bisher im Transparenzregister liegt.
Wir haben aber das Problem, dass derzeit, auch wenn man ganz ordentlich nach dem Gesetz meldet in das Transparenzregister, dass es eine ganze Reihe von Schlupflöchern gibt, sodass eben am Ende der wahre Eigentümer immer noch nicht bekannt ist. Und auch die, finden wir, sollten geschlossen werden, auch das ist leider in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung noch nicht vorhanden.
Münchenberg: Sie haben die Notare ja auch schon angesprochen, die spielen ja natürlich beim Immobilienkauf eine zentrale Rolle, die sollen jetzt auch stärker in die Pflicht genommen werden, sollen Unregelmäßigkeiten dieser zuständigen Anti-Geldwäscheeinheit melden. Das klingt doch eigentlich sehr sinnvoll.
Paus: Sie sollten oder mussten bisher auch schon melden, aber die Notare weisen darauf hin, dass sie ja auch ein Vertrauensverhältnis gegenüber ihren Mandanten haben und dass sie deshalb nur melden konnten, wenn sie sich ganz sicher waren, dass es sich um Geldwäsche handelt. Sie bekommen jetzt von der Bundesregierung eine Reihe von Kriterien an die Hand, die ihnen helfen sollen, genau zu identifizieren, ob es sich um Geldwäsche handelt. Aber wir sagen, das ist nach wie vor zu wenig, sondern wichtig ist, dass der Notar ganz klar das Kriterium an der Hand hat, wenn er keine vollständige Herleitung über das Geld und den wirtschaftlich Berechtigten hat, dann darf er einfach nicht unterzeichnen. Ich glaube, das ist das stärkste Schwert gegen Geldwäsche im Immobilienbereich.
Keine bundesweite Regelung für Zuständigkeiten
Münchenberg: Diese angesprochene Anti-Geldwäscheeinheit, ist die denn personell gut genug aufgestellt, weil wenn jetzt die Meldungen sich häufen sollten eben durch diese Verschärfung des Gesetzes, dann muss die natürlich auch diesen Verdachtsfällen nachgehen können.
Paus: Sie ist weder personell sehr gut aufgestellt noch technisch. Da sind jetzt im Haushaltsplan der Bundesregierung zusätzliche Stellen vorgesehen, es ist aber immer noch eine ziemliche Katastrophe, es wird immer noch danach gesucht händeringend, dass auch mehr mit dem Thema betraute Menschen jetzt beschäftigt werden, weil es nützt ja nichts, wenn wir mehr Personal haben, aber die eben keine Erfahrung haben im Bereich der Geldwäsche. Vor allen Dingen haben wir aber das Problem, dass die Zuständigkeit für das Thema Geldwäsche sehr zersplittert ist zwischen Bund und den Ländern – und auch in den Ländern in verschiedenen Behörden verankert ist.
Und deswegen sprechen wir uns dafür aus, dass wir bundeseinheitlich auch Personalzielzahlen festlegen sollten, damit wir eben vernünftige Standards haben und auch, was die Ressourcen angeht, bundesweit einheitliche Standards haben. Wir wollen nicht die Zuständigkeit ändern, aber wir wollen einheitliche Standards, damit es eben nicht mehr so ist, dass zum Beispiel ein einzelner Standesbeamter in einem Ort gleichzeitig noch zuständig ist für die Geldwäsche, wo es eigentlich deutlich mehr Personal braucht.
Münchenberg: Sie sagen mehr Personal, Frau Paus, können Sie das mal in Zahlen fassen, was hieße das denn?
Paus: Nein, da haben wir jetzt keine klare Erhebung gemacht, aber relativ klar ist, wenn zum Beispiel auch in Berlin für den gesamten Bereich der Gewerbeaufsicht und Geldwäsche derzeit für eine 3,6-Millionen-Stadt ganze acht Personen zuständig sind, dann hat man schon eine Vorstellung, dass das zu wenig ist.
"Wir müssen Mentalität in Deutschland ändern"
Münchenberg: Trotzdem, das Problem der Geldwäsche ist ja sehr komplex, da wird ja Geld oft so lange hin- und hergeschoben – auch über Grenzen hinweg –, dass da die ursprüngliche Herkunft kaum auszumachen ist, das läuft dann auch über Immobilien, da haben wir drüber gesprochen, aber auch über Kasinos, über Tarnunternehmen. Ist das nicht ein Stück weit auch ein Kampf gegen Windmühlen?
Paus: Das ist ein Kampf gegen Windmühlen, das ist Sisyphus, das ist Hase und Igel, aber deswegen sollte man nicht aufgeben, sondern wir brauchen einen funktionierenden Rechtsstaat. Und es gibt Möglichkeiten, es hat ja auch klare Verstärkung gegeben. Der Fall in Berlin, wo eben jetzt auch Vermögensabschöpfungen getätigt wurden, das gibt es ja auch inzwischen in Hamburg und auch in Nordrhein-Westfalen, zeigt, man kann Erfolge erzielen, wenn man will.
Mein Eindruck ist, Deutschland hat in den letzten Jahren eher Problem kleingeredet. Natürlich ist es auch attraktiv, 100 Milliarden Euro pro Jahr mehr zu haben, als weniger zu haben – und wenn man das Gefühl hat, selber hat man keine negativen Folgen zu befürchten, dann nimmt man natürlich lieber das Geld und fragt nicht nach und profitiert davon. Das war, glaube ich, eher die Einstellung in Deutschland, und diese Mentalität müssen wir ändern, dann schaffen wir das auch.
Münchenberg: Frau Paus, Sie haben diese Beschlagnahmung von Immobilien angesprochen, in Berlin war das ja der Fall, Hamburg eben auch. Also hilft am Ende auch der politische Wille, dass man sagt, wir haben die Gesetzesgrundlage, wir müssen sie eben auch nur anwenden?
Paus: Das ist genau mein Punkt. Mein Eindruck ist, in den letzten 30 Jahren hat es diesen politischen Willen nicht gegeben, wir hatten ja selbst in Deutschland auch Politiker, die verstrickt waren in entsprechende Geldwäscheskandale. Und von daher muss endlich auch die Politik Glaubwürdigkeit zeigen in der Bekämpfung der Geldwäsche – und daran messe ich auch diese Bundesregierung.
"Wir müssen effektive Maßnahmen ergreifen"
Münchenberg: Wenn man noch mal ganz kurz guckt, was machen vielleicht andere Länder besser oder anders als Deutschland in Sachen Geldwäsche?
Paus: In Großbritannien beispielsweise ist die Transparenz im Immobiliensektor wesentlich höher, in Italien ist es so, natürlich aufgrund der speziellen Gesichte Italiens, dass dort die Beweislast umgekehrt ist. Da ist es eben so, dass tatsächlich jeder erst mal nachweisen muss, dass das Geld weiß ist, und nicht der Staat nachweisen muss, dass es schwarz ist.
So weit würden wir Grüne jetzt in Deutschland nicht gehen wollen, aber natürlich ist es ein effektives Mittel in Italien, und wir hoffen, dass es in Deutschland auch anders möglich ist. Es gibt andere, fast genauso effektive Maßnahmen, wir müssen sie nur ergreifen.
Münchenberg: Wenn Sie jetzt zum Abschluss noch mal ganz kurz bewerten, was da heute auf den Tisch gelegt worden ist, ist ja schon mehr als ein Placebo.
Paus: Es ist mehr als ein Placebo insgesamt im Bereich der Geldwäsche, aber Herr Fiedler hat ja bereits darauf hingewiesen, es ist de facto nur eine Eins-zu-eins-Umsetzung dessen, was von der Europäischen Union kommt. Von daher wünschte ich mir eigene Anstrengungen in Deutschland, die fehlen, und nach wie vor ist es im Immobilienbereich doch eher ein Placebo, dieses etwas Mehr an Kriterienkatalog für die Notare, das wird den Immobiliensektor nicht austrocknen, was das Thema Geldwäsche angeht.
Münchenberg: Frau Paus, Danke für Ihre Zeit!
Paus: Gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.