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Geldwäsche und Ndrangheta

Das Internetunternehmen Fastweb soll im Auftrag der Mafia Schwarzgeld gewaschen haben. Mehr als 60 Personen sind ins Visier der Fahnder geraten, darunter auch ein Manager der Swisscom. Bis jetzt ergingen 56 Haftbefehle, auch gegen einen Abgeordneten des italienischen Senats.

Von Kirstin Hausen | 02.03.2010
    "Die Ndrangheta sitzt im Parlament" so hat es ein Ermittler formuliert und so haben es die italienischen Zeitungen geschrieben. Und neben den Artikel ein Foto gesetzt, dass den Senator Nicola di Girolamo Arm in Arm mit einem Boss der Mafiaorganisation Ndrangheta zeigt. Die Beweise gegen den Politiker sind erdrückend. Besonders die abgehörten Telefongespräche mit Gennaro Mokbel, einem Unternehmer, der für seine Verbindungen zur extremen Rechten und zur Organisierten Kriminalität bekannt ist, haben ihn untragbar gemacht für seine Partei "Volk der Freiheit" von Silvio Berlusconi. Mokbel warnte den frisch ins Amt gewählten Senator Di Girolamo am Telefon mit folgenden Worten:

    "Erinnere dich daran: du bist uns zu Diensten, du bist und bleibst mein Sklave, selbst wenn du Staatspräsident werden solltest."

    Mehr moralische Integrität fordert Claudio Scajola, Minister für wirtschaftliche Entwicklung in der Regierung Berlusconi. Der Regierungschef selbst hat betont, dass er Nicola di Girolamo nicht persönlich kenne und von seinen Machenschaften nichts gewusst habe. Di Girolamo ist erst seit zwei Jahren Abgeordneter im Senat. Er hatte im Auslandswahlkreis "Europa" kandidiert, um die Interessen der in die verschiedenen europäischen Länder emigrierten Italiener zu vertreten. Die Möglichkeit für Italiener, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, eigene Vertreter ins italienische Parlament zu schicken, war erst durch eine Wahlgesetzänderung im Jahr 2001 möglich geworden.

    Die aktuellen Vorwürfe, die Wahl von Nicola di Girolamo sei durch Ndrangheta-Mitglieder gesteuert worden, die in Stuttgart und anderen deutschen Städten Wahlzettel von den dort lebenden Italienern eingesammelt und dann nach ihren Wünschen ausgefüllt hätten, werden derzeit geprüft. Für die Ermittler ist klar, dass Di Girolamo als Kandidat von der Ndrangheta-Familie Arena ausgewählt wurde und - so sagte Staatsanwalt Giancarlo Capaldo der Presse "als Mitglied der Ndrangheta für Finanzoperationen zuständig war".

    Hier kommen das italienischen Telekommunikationsunternehmen "Fastweb" und eine Tochterfirma der Telecom ins Spiel. Der Fastwebgründer und Ex-Chef Silvio Scaglia sowie der Vorstandsvorsitzende Stefano Parisi werden beschuldigt, mit fiktiven Käufen und Verkäufen von Telekommunikationsdienstleistungen zwischen 2003 und 2006 knapp zwei Milliarden Euro der Ndrangheta gewaschen zu haben. Nach einem Bericht der italienischen Wirtschaftszeitung "Il sole 24 ore" haben die Mafia-Gesellschaften durch die falschen Rechnungen den Managern geholfen, ihre Umsatzziele zu erreichen.

    So etwas musste irgendwann ja herauskommen, meint eine Fastweb-Angestellte, will aber nicht sagen, worauf sie ihren Verdacht stützt. Die meisten der Beschäftigten sind dagegen von den Ermittlungen überrascht worden und zeigen sich schockiert.

    "Wir, die wir für Fastweb arbeiten, haben immer mit nationalen Kunden zu tun gehabt. Die Staatsanwaltschaft spricht von internationalen Transaktionen, davon habe weder ich noch meine Kollegen etwas mitbekommen."

    Auch die in Untersuchungshaft genommenen Topmanager haben angeblich von nichts gewusst. Sie streiten die Vorwürfe jedoch nicht ab. Silvio Scaglia, der seine Anteile an Fastweb vor drei Jahren an die Swisscom verkaufte und so zum Multimillionär wurde, wird heute von der Staatsanwaltschaft verhört. Der Politiker Nicola di Girolamo ist zurückgetreten und muss nun ebenfalls der Staatsanwalt Rede und Antwort stehen. Für die Opposition ist der Fall Di Girolamo der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Skandalen um Verbindungen zwischen Politikern der Regierungspartei Volk der Freiheit und der Organisierten Kriminalität. So stehen auf den Kandidatenlisten für die demnächst anstehenden Regionalwahlen in Italien auch die Namen von Politikern, die bereits erstinstanzlich wegen Begünstigung der Mafia verurteilt wurden oder gegen die ermittelt wird.

    Rosy Bindi von der "Demokratischen Partei" appelliert an ihre Parteikollegen, dagegen zu protestieren.

    "Wer Anstand besitzt und eine weiße Weste, muss jetzt reagieren, diese Regierung ist nicht in der Lage, das Thema anzugehen."