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Gemalte Lebensfreude

Der Maler David Hockney gehört zu den einflussreichsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Einst lebte er in Los Angeles, nun ist er in seine englische Heimat, nach Yorkshire, zurückgekehrt. 70 seiner dort entstandenen Bilder sind in der Ausstellung "Nur Natur" in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall zu sehen.

Von Christian Gampert | 30.04.2009
    Wenn man jetzt, im Frühling, durchs Hohenlohische fährt, zum Beispiel in Richtung der alten Reichsstadt Schwäbisch Hall, dann kommt man durch fette Obstwiesen und weite, jetzt frisch aufblühende Laub- und Mischwälder. Es ist ein strotzendes Grün, und man wird es wenig später in der Kunsthalle Würth wiederfinden, wenngleich es dort immer noch ein bisschen wie künstliches Badezimmer-Grün leuchtet – so wie es sich für einen Post-Pop-Artisten eben ziemt. Das frühere Enfant terrible David Hockney, jetzt 72, ist nach Hause zurückgekehrt, nach Yorkshire, und der frühere Meister bunter Künstlichkeit, der Swimmingpool-Maler aus L.A. arbeitet sich nun an der englischen Landschaft ab, die der des schwäbischen Ausstellungsorts gar nicht so unähnlich ist.

    Für Schwäbisch Hall ist Hockney ein Super-Promi, und er genießt die Aufmerksamkeit. Das Styling ist perfekt – grauer Anzug, ein roter, dünner Sechziger-Jahre-Schlips, weiße Golf-Kappe: ein distinguierter, etwas schräger Gentleman, umgeben von einer Schar doch ein bisschen jüngerer Assistenten und Bewunderer, die ihrem Idol nach jeder Interview-Frage ein "It was brilliant, David!" zurufen. Und Hockney ist tatsächlich ein charmanter Plauderer, ein Entertainer, ein Kauz. Seine beginnende Schwerhörigkeit passt wunderbar ins Bild des exzentrischen Engländers, der auf die Frage, warum seine Riesenformate denn aus lauter kleineren Leinwänden zusammengesetzt seien, ganz pragmatisch antwortet: wenn ein Blatt Papier zu klein ist, dann nimm eben noch eins …!

    Mit der Landschaft ist es ihm aber ganz ernst: Er findet da etwas, was es in den künstlichen Paradiesen von Hollywood nicht gab. Zwar hat Hockney auch in Amerika schon mit multiperspektivischen Landschaften experimentiert und die Möglichkeiten von Fotografie und Computer genutzt, aber hier, in Yorkshire ist er zu Hause. Da hat er in den Schulferien als Erntehelfer gearbeitet, von dort - wo Schwulsein, Bohème, Befreiung nicht möglich waren - hat er sich gelöst, hierhin kehrt er irgendwie versöhnt zurück.

    Und doch sind seine Landschaften von poppiger Stilisierung und diesen schrillen Farben geprägt. Das durchaus Triste Mittelenglands wird zur puren Lebensfreude aufgeblasen, und wenn man akzeptiert, dass die Waldwege bisweilen pink, der Himmel azur und die Bäume eben kachelgrün sind, dann kann man diese Malerei, mit einem gewissen Abstand natürlich, durchaus in der Nachfolge der energetischen Farbschübe eines van Gogh oder, wenn man das Atmosphärisch-Schwebende der Großformate sieht, der französischen Impressionisten sehen. Deshalb liegt die Frage nahe: was haben Sie eigentlich für ein Verhältnis zu Monet, Mr.Hockney?

    "Before ich das Bild gemalt hab, vor dem wir gerade stehen, habe ich Monets Wasserlilien in Paris gesehen, in der Orangerie. Es war am frühen Morgen, und wir waren ganz allein vor diesen Seerosen. Das war schon eine Inspiration."

    Hockneys Bilder zitieren Motive und Perspektiven auch der romantischen Malerei, brechen sie aber immer wieder stilisierend auf. Das Koordinatengitter, das über den Großformaten liegt, ist eben auch ein Reflexionsrahmen, und er entsteht dadurch, dass einzelne Leinwände aneinandergefügt werden. Ob er plein air malt oder im Studio nacharbeitet, ob er etwas als Inject Print rauslässt oder sich überlegen muss, wie er die nasse Leinwand am besten nach Hause transportiert oder sich selbst gegen das feuchtkalte Wetter wappnet: Hockney nutzt alle Möglichkeiten. Und er lebt mit dieser Landschaft, er versenkt sich in sie. Wenn man das aber mit dem früheren Glitterleben in L.A. vergleicht – ist das nicht fürchterlich langweilig, so allein auf dem Land?

    "Sie werden überrascht sein: Ich hab in L.A. nicht viel anders gelebt als jetzt in Bridlington. Ich geh nicht aus, ich geh um zehn ins Bett und steh früh auf, ich arbeite. Natürlich, in L.A. ist West Hollywood hinten am Hügel, in Yorkshire muss man erst nach London fahren. Aber im Grund lebe ich in Yorkshire genau dasselbe Leben."

    Hockney verfolgt einzelne Motive durch alle Jahreszeiten, und hier kommt dann doch auch etwas Melancholisches in die Ausstellung, der Rhythmus des Vergehens. Die - wie klobige Wände - perspektivisch angeschrägt stehenden Baumkronen können eben auch gefällt werden – und die Baumstämme liegen dann als skulptural in den Vordergrund ragende, nutzlose, traurige Phallus-Symbole im Bild. Ja, das Alter … auch David Hockney ist davor nicht gefeit.