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Gemüse vom Boden des Meeres
Am Anfang war es nur ein Marketing-Gag

In Ligurien in Italien passiert etwas Unvorstellbares: Auf dem Meeresboden wächst ein Gemüsegarten. Das zeigt: Die Bedingungen für den Pflanzenanbau sind unter Wasser doch nicht so schlecht wie gedacht. Was im Spaß begonnen hat, könnte ein Beitrag werden, um den Planeten zu ernähren.

Von Jan-Christoph Kitzler | 20.08.2016
    Der Leiter des Meeresgarten-Projekts Sergio Gamberini erntet Basilikum unter Wasser.
    Der Leiter des Meeresgarten-Projekts Sergio Gamberini erntet Basilikum unter Wasser. (afp / Olivier Morin)
    Gianni Fontanesi sagt, er habe das schönste Büro der Welt. Genauer gesagt ist es eine Strandhütte, nebenan planschen Kinder in den Wellen, Erwachsene versuchen auf Liegen noch brauner zu werden.
    Noli, im Westen der Region Ligurien ist hauptsächlich ein schöner Ort zum Baden. Doch hier, mitten in dieser Ferienstimmung, passiert etwas Unvorstellbares: Unter Wasser, in sechs bis zehn Meter wächst ein Gemüsegarten. Auch wenn das schon die vierte Saison ist, immer von Anfang Juni bis Ende September, Gianni Fontanesi ist begeistert wie am ersten Tag: "Am Anfang haben wir Basilikum gepflanzt, denn wir sind in Ligurien, das ist berühmt für Pesto, also Basilikum! Und sofort gab es die Überraschung, dass das im Innern einer durchsichtigen Kugel gewachsen ist, unter Wasser, von Gewichten gehalten."
    Ein helles Schimmern in den Wellen
    Inzwischen haben sie das System verfeinert, und wer genau hinschaut, sieht 20, 30 Meter vom Strand entfernt ein helles Schimmern in den Wellen, mit einer Schnorchelmaske kann man alles ganz perfekt sehen: "Stellt Euch eine Glocke, einen Ball unter Wasser vor, im Grund verankert. Innen ist Luft. Es gibt genug Platz für kleine Etagen, je nachdem wie gepflanzt wird, können wir Töpfe hinstellen mit Kokoserde oder wir machen das aufwendiger mit Aquakultur. Wir haben einen Platz unter Wasser gewonnen, wo wir arbeiten und Pflanzen ziehen können."
    Eigentlich kann das ja gar nicht funktionieren, denn mitten im Meer gibt es keinen fruchtbaren Boden, das Licht ist weniger stark und das Wasser salzhaltig. Deswegen haben Gianni Fontanesi, der für die Firma Ocean Reef arbeitet, die auf Tauchzubehör spezialisiert ist, und seine Leute das am Anfang auch eher als einen Marketing-Gag gesehen. Doch ziemlich schnell haben sie festgestellt, dass im Meer, unter Wasser die Bedingungen zum Anbau von Pflanzen doch nicht so schlecht sind, wie gedacht, im Gegenteil:
    Süßwasser gibt es auch
    "Im Innern dieser Kuppeln gibt es Tag und Nacht eine konstante Temperatur, wir brauchen keine Pflanzenschutzmittel, denn es gibt keine Parasiten, also alles bio. Wir sind auf 6 bis 10 Meter Tiefe, da herrscht fast der doppelte Druck wie auf der Erde, das scheint zu bewirken, dass die Pflanzen schneller wachsen. Die Konzentration von Kohlendioxid ist höher, auch das ist für die Pflanzen gut."
    Süßwasser gibt es übrigens auch: Kondensiert am Kuppeldach tropft es herunter. Mehrere Universitäten haben den Unterwasser-Gemüsegarten inzwischen untersucht. Nicht alle Pflanzen wachsen gleich gut, aber viele wachsen schneller. Neben dem in Ligurien obligatorischen Basilikum haben Fontanesi und seine Leute auch schon Bohnen gepflanzt, Erbsen, Tomaten, Salate, Zucchini, oder Blumen – inzwischen laufen Experimente mit Heilkräutern und Pflanzen für Kosmetikprodukte. Die chemischen Analysen sind offenbar vielversprechend. Und was im Spaß begonnen hat, könnte am Ende auch ein wichtiger Beitrag sein, um den Planeten zu ernähren.
    Wer will, kann den Pflanzen beim Wachsen zusehen
    "Das erste Ziel ist, diese Projekte weltweit in großem Maßstab zu betreiben. Noch ist es ziemlich klein. Wir weiten also den Raum, in dem Pflanzen angebaut werden können auf all die Orte aus, wo das jetzt nicht möglich ist. Wegen Wassermangel, unfruchtbarem Boden, Schädlingen, großen Temperaturunterschieden, zu heiß am Tag, zu kalt in der Nacht, und so weiter."
    Wer will, kann den Pflanzen beim Wachsen zusehen – Bilder vom Meeresgrund werden live ins Internet gestreamt. Und ach ja: Das Pesto, das sie aus dem Basilikum gemacht haben, ist anscheinend ziemlich gut geworden. Zumindest sagt das Gianni Fontanesi – und der kommt immerhin aus Ligurien. Wie das Gemüse vom Boden des Meeres.