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Generalstreik gegen das Sparpaket

Auch die dritte griechische Regierung seit Ausbruch der Schuldenkrise schafft es nicht, die Sparvorgaben zu erfüllen. Laut Medienberichten hat sich eine neue Finanzierungslücke von 20 Milliarden Euro im griechischen Haushalt aufgetan. Nun rufen die Gewerkschaften aus Protest gegen die Sparpolitik zum Generalstreik.

Von Jerry Sommer | 25.09.2012
    "Wir beugen uns nicht, Widerstand und Kampf" skandieren im Zentrum von Athen Stahlarbeiter. Gegen das neue Sparpaket in Höhe von über elf Milliarden Euro demonstrierten und streikten in der vergangenen Woche auch Angestellte der Athener Metro, Steuerbeamte, Kommunalangestellte, Ärzte, und sogar Polizisten und Soldaten. Für den morgigen Mittwoch rufen nun die Gewerkschaften zu einem Generalstreik auf. Das Sparpaket müsse verhindert werden, begründet Stathis Anestis vom gewerkschaftlichen Dachverband den Streikaufruf:

    "Die erneuten Kürzungen bedeuten für die Menschen und für die Wirtschaft: Tod durch Ersticken. Das ist eine falsche Politik. Das ist eine falsche Medizin."

    Laut Umfragen sehen 80 Prozent der Griechen das auch so. Schon die bisherigen drastischen Sparmaßnahmen haben die Löhne und Renten um bis zu 40 Prozent gesenkt. Die Arbeitslosigkeit ist auf 25 Prozent gestiegen, die Wirtschaft schrumpft zum fünften Mal hintereinander - in diesem Jahr wohl um sieben Prozent. Über den morgigen Streik gibt es unter den Griechen unterschiedliche Auffassungen. Eine 25-jährige Frau im Businessanzug meint:

    "Die Behörden werden geschlossen sein, in der Innenstadt wird der Verkehr stillstehen. Vielleicht kommt es sogar zu Zwischenfällen. Das alles gefällt einem natürlich nicht."

    Eine andere Passantin widerspricht:

    "Das Volk leistet Widerstand, das ist gut, man muss protestieren."

    Die griechische Regierung glaubt, dass ohne das neue Sparpaket die Kreditgeber aus EU und Internationalem Währungsfond die nächste Kreditrate nicht überweisen würden. Deshalb gebe es keine Alternative. Davon ist auch Rafail Moisis überzeugt, der Direktor des wirtschaftswissenschaftlichen Institutes IOBE in Athen. Das Institut steht dem Unternehmerverband nahe. Dennoch verurteilt er den Streik nicht:

    "Es geht gar nicht anders. Sie müssen streiken. Sie müssen ihren Protest loswerden. Und in gewissem Maße stärkt das auch die Verhandlungsposition der Regierung."

    Denn die griechische Regierung möchte zwar einserseits die Sparauflagen der Troika erfüllen, um bei den Regierungen der wichtigsten EU-Staaten wieder an Vertrauen zu gewinnen und die Auszahlung neuer Kredite zu sichern. Andererseits möchte sie von den Kreditgebern in der EU mehr Zeit zur Umsetzung der Kürzungen und auch geringere Zinsen zugestanden bekommen. Insofern könnten die Proteste ihr auch den Rücken stärken.

    Die griechischen Gewerkschaften lehnen das neue Sparpaket rundweg ab. Ihre Begründung: Erneute Kürzungen von Löhnen und Renten lasse die Konjunktur weiter einbrechen. Die von der Troika gewünschte Entlassung von 150.000 Staatsbediensteten treibe die Arbeitslosigkeit erneut in die Höhe.

    Die Gewerkschaften treten für eine alternative Politik ein – und halten das für den einzig möglichen Weg zur Rettung Griechenlands. Sie fordern zum Beispiel eine Steuerreform, die vor allem die Reichen zur Kasse bittet. Und sie fordern Konjunkturprogramme, mit denen die Wirtschaft in Schwung gebracht werden soll, statt Sparpakete, die die Rezession vertiefen. Stathis Anestis vom Gewerkschaftsverband:

    ""Wir brauchen Finanzhilfen und Zeit, um unter anderem durch einen Schuldenschnitt oder Eurobonds einen Aufschwung zu erreichen und das Geld zurückzahlen zu können"."

    Wie die Gewerkschaften, so lehnt auch große Mehrheit der Griechen den bisherigen Sparkurs ab. Die Demonstrationen und Streiks werden deshalb größtenteils mit Sympathie verfolgt. Die Regierung macht keinerlei Versuche, die Gewerkschaften einzubinden. Sie versucht bislang auch nicht, die Griechen von der Beteiligung am morgigen Generalstreik abzuhalten. Sie enthält sich einer öffentlichen Kommentierung und hofft wohl, dass die Proteste irgendwie versanden. Morgen wird sich zeigen, wie viele Griechen den Kurs der Gewerkschaften unterstützen.