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Generation befristet

Einen sicheren Arbeitsplatz bis zur Rente - seit Generationen träumen Menschen von einem so geregelten Leben. Doch Vollzeitarbeitsplätze sind rückläufig. Stattdessen nehmen Zeitarbeit und befristete Stellen zu. Nahezu jeder zweite Vertrag hat ein terminlich genau fixiertes Ende.

Von Elke Schmidhuber | 29.07.2010
    "Ich habe zuerst eine Ausbildung zum Elektroinstallateur gemacht, habe dann meine Fachhochschulreife nachgeholt, und final meine Qualifizierung zum staatlich geprüften Elektrotechniker abgeschlossen."
    Ralf Vogel ist auf Jobsuche. Seine Ausbildung hat er mit einem Notendurchschnitt von 1,8 abgeschlossen. Zwei Jahre ist das her. Eine Festanstellung hat er bis heute nicht gefunden. Zuletzt war der Elektrotechniker für eine Zeitarbeitsfirma tätig. Dann aber kam die Wirtschaftskrise und Leiharbeiter wie er wurden als erste entlassen.
    Der 26-Jährige ist frustriert. Während seiner Ausbildung hat er viel pauken müssen und gehofft, dafür einmal belohnt zu werden. Belohnt mit einem "echten" Job, wie er sagt: einer festen Stelle.

    "Es ist halt für mich eh so, dass ich gerne irgendwo dazugehören würde, wo ich mich auch wohlfühle. In der letzten Zeit, als ich bei Zeitarbeitern gearbeitet habe, man entwickelt kein Zugehörigkeitsgefühl, so etwas wie Loyalität, so etwas, was einen bindet. Wo man auch bereit ist, viel zu geben, auch mal über sich hinauszuwachsen."
    Derzeit arbeitet er in einer kleinen Automechanikerwerkstatt – schwarz und auf eigene Rechnung. Bei der Arbeitsagentur hat er sich nicht mehr gemeldet, denn dort sei ihm bisher nur Zeitarbeit angeboten worden. Ralf Vogel möchte aber keine Kompromisse mehr eingehen. Er will einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit Zukunftsperspektive.
    "Bisher habe ich allerdings nur Absagen bekommen oder Vertröstungen."
    Sophia Bauer bei einem ihrer Jobs. Sie ist Babysitterin. Vier Mal die Woche holt sie Bastian und Julius von der Schule ab. Sie kocht für die Kinder und geht mit ihnen in den Park zum Spielen. Eigentlich hatte sich die 27-Jährige ihr Berufsleben anders vorgestellt. Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Verlagskauffrau, danach ging sie an eine Münchner Universität.

    "Ich habe studiert an der LMU. Buchwissenschaft heißt der Studiengang. Ein sehr praxisnaher Studiengang. Umso erstaunlicher, dass der Berufseinstieg so schwierig ist."
    Nach Ausbildung und Studium folgten Trainee, Volontariat und Praktikum. Sieben Jahre lang hat Sophia Bauer versucht, im Verlagswesen Fuß zu fassen - vergeblich. Stellenangebote gibt es zwar, doch die Bezahlung liegt auf dem Niveau eines Volontariatsgehalts: 800 Euro netto im Monat.

    "Der typische Berufseinstieg in die Buchbranche ist sicherlich das Volontariat. Dann eben die Juniorstelle, eine Assistenzstelle oder Ähnliches. Bis man dann richtig im Job angekommen ist, dauert es wahrscheinlich fünf bis zehn Jahre."
    Sophie Bauer musste die Erfahrung machen, dass die Arbeitgeber vorsichtiger und die unbefristeten Stellenangebote weniger geworden sind.
    Um Geld zu verdienen, arbeitet sie nicht nur als Babysitterin. Sie erteilt Studenten auch Nachhilfeunterricht, vorrangig im Fach Betriebswirtschaft. Von ihren Schülern hört sie ähnliche Klagen. Auch die Wirtschaftswissenschaftler jammern über Schwierigkeiten beim Berufseinstieg, über niedrige Löhne, befristete Verträge und Zeitarbeit.

    "Entsprechend ist die Frustration dann auch relativ hoch. Bildlich gesprochen kenne ich doch einige, die mit einem Bein tatsächlich in der Arbeitsagentur schon stehen; immer nicht wissen, was kommt als Nächstes, was ist in einem Jahr?. Die große Unsicherheit: Familienplanung, überhaupt Investitionen."
    Ralf Vogel und Sophia Bauer sind keine Einzelfälle. Kürzlich erst veröffentlichte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung - eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit – eine Studie. Darin heißt es, dass der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit dem Jahr 1996 kontinuierlich gestiegen ist. Zu- und Abnahme gehen einher mit der konjunkturellen Entwicklung. Bricht die Konjunktur ein, wie 2009 wegen der Weltwirtschaftskrise geschehen, verringert sich auch die Zahl der befristet Beschäftigten. Im Fachjargon spricht man von einer Flexibilisierungsfunktion, die befristete Arbeitsverträge für Arbeitgeber erfüllen. Der Arbeitsmarktforscher Christian Hohendanner vom iab hat eine einfache Erklärung. Zitat:

    Betriebe bauen im Aufschwung eine Randbelegschaft auf, die im Abschwung bei Bedarf wieder abgebaut wird.
    Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist im Juli zwar leicht gestiegen, auf eine Quote von 7,6 Prozent. Das aber habe nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit mit der Sommerpause zu tun. Saisonbereinigt sei die Zahl der Arbeitslosen – trotz Krise – erfreulicherweise weiter gesunken.

    Dennoch zeigt die Statistik auch, dass die klassischen Vollzeitarbeitsplätze rückläufig sind. Alleine im verarbeitenden Gewerbe sind in den vergangenen zwölf Monaten über 200.000 feste Jobs verloren gegangen. Stattdessen nehmen Zeitarbeit und befristete Stellen zu. Im Jahr 2009 waren 8,8 Prozent aller Arbeitsverhältnisse zeitlich begrenzt. Auf den ersten Blick scheint es sich nicht um ein Massenphänomen zu handeln. Ein zweiter Blick allerdings zeigt, Zeitverträge haben in der betrieblichen Personalplanung an Bedeutung gewonnen: Denn laut des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung ist bei Neueinstellungen der Anteil befristete Verträge seit dem Jahr 2001 von 32 auf 47 Prozent gestiegen. Das heißt: Nahezu jeder zweite Vertrag hat ein terminlich genau fixiertes Ende.

    Grundsätzlich gilt: Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist – ohne sachlichen Grund – bis zu einer Dauer von maximal zwei Jahren zulässig. Innerhalb dieser zwei Jahre kann der Vertrag bis zu drei Mal verlängert werden. Ausnahmen erlaubt der Gesetzgeber für Existenzgründer in den ersten vier Jahren und für Arbeitnehmer über 52. Liegt dagegen ein sachlicher Grund vor – etwa ein Projekt oder eine Schwangerschaftsvertretung – kann ein befristetes Arbeitsverhältnis inklusive Verlängerungen bis zu acht Jahre dauern.
    Der Trend zur Befristung steigt mit der Betriebsgröße. In Kleinbetrieben mit bis zehn Beschäftigten erfolgen nur 25 Prozent aller Neueinstellungen befristet. In größeren Firmen ab 250 Beschäftigten dagegen hat sich der Anteil mittlerweile auf 67 Prozent erhöht. Insgesamt verzichten nur noch neun von 100 Großunternehmen völlig auf befristete Arbeitsverträge. Eine Entwicklung, die Heinrich Birner von der Gewerkschaft Verdi in Bayern, skeptisch betrachtet:

    "Die negative Extremform sind die Unternehmen, die nach zwei Jahren das Personal auswechseln, neu einstellen, wieder in den unteren Einkommensgruppen einstellen, die befristeten Verträge als Lohnsenkungsmittel nutzen. Es gibt Teilbereiche, wo Unternehmen nur projektbezogen arbeiten, da habe ich ein Verständnis dafür, wenn Gelder nur befristet genehmigt werden. Aber beispielsweise die Ludwig-Maximilians-Universität in München nutzt dieses sehr extrem aus. Es gibt nur noch befristete Verträge, das gilt für alle Sekretärinnen. Das ist ein mittlerer Skandal, weil der Arbeitgeber ist der Freistaat Bayern."
    In der öffentlichen Verwaltung sind mittlerweile 68 Prozent der Arbeitsverträge befristet. Der Grund: Staatliche Mittel werden oft nur noch zeitlich begrenzt vergeben. 40 Prozent aller befristet Beschäftigten sind in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Sozialwesen, in öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen tätig. Also in Bereichen, die von der Wirtschaftskrise nicht betroffen sind oder einen konjunkturunabhängigen Bedarf abdecken. Zeitlich begrenzt beschäftigt sind in diesen Bereichen übrigens überwiegend Frauen.
    Auch Eric Thode erforscht im Auftrag der Bertelsmannstiftung die Zunahme der befristeter Verträge und Leiharbeit, der sogenannten prekären Arbeitsverhältnisse also. Seine Prognose für die Zukunft:

    Der Arbeitsmarkt ist in den letzten Jahren sehr viel flexibler, nicht zuletzt durch die flexiblen Beschäftigungsformen wie beispielsweise Zeitarbeit, geringfügige Beschäftigung und befristete Verträge. Und diese Entwicklung wird sich fortsetzen, gerade jetzt nach dem Abklingen der akuten Auswirkungen der Krise am Arbeitsmarkt werden die Unternehmen zunächst einmal Vorsicht walten lassen und versuchen, Personen einzustellen über diese flexiblen Beschäftigungsformen.
    Die Tatsache, dass der Arbeitsmarkt insgesamt flexibler geworden ist, bewertet der Arbeitsmarktforscher sehr positiv. Doch sieht er derzeit ein großes Manko: Diese Entwicklung habe sich ungleich vollzogen. Der sogenannte Kern des Arbeitsmarktes - gemeint sind die Personen mit einem sicheren Arbeitsverhältnis - sei relativ gut abgesichert. Demgegenüber habe sich aber der sogenannte Rand des Arbeitsmarktes ausgebildet, der von hohen Flexibilitätsmerkmalen gekennzeichnet sei. Eric Thode lässt sich wie folgt zitieren.

    Insofern beobachten wir eine Spaltung des Arbeitsmarktes, bei der es weniger das Problem ist, überhaupt eine Beschäftigung zu bekommen, sondern vielmehr von einer atypischen, also befristeten Beschäftigung in eine reguläre Arbeit überzugehen.

    Leiharbeit und Befristungen galten lange Zeit als gute Einstiegsmöglichkeit für Berufsanfänger - mit Aussicht auf eine spätere Übernahme inklusive Festanstellung. Doch das hat sich geändert. Die aktuelle Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, dass Zeitverträge nicht mehr automatisch als Sprungbrett gelten können: Wurden 2008 noch 52 Prozent der Mitarbeiter in eine unbefristete Beschäftigung übernommen, waren es im Jahr 2009 nur noch 45 Prozent. Heinrich Birner von Verdi:

    "Ich gehe davon aus, dass alle Arbeitgeber das Ziel haben, mit der Befristung die Probezeit auf zwei Jahre zu verlängern. Denn wer befristet beschäftigt ist, hat keinen Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung und er muss auch nicht extra gekündigt werden, sondern der Vertrag läuft aus, und nur wenn der Arbeitgeber einen neuen Vertrag abschließen will, dann kommt ein neuer Vertrag zustande."
    Heirat, Familie, Kinder, ein Haus, einen sicheren Arbeitsplatz bis zur Rente – seit Generationen träumen Menschen von einem so geregelten Leben. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass man sich diese Wünsche auch erfüllen kann, hat sich verändert, sagt Andreas Lange, Professor am Deutschen Jugendinstitut in München. Er spricht von einer Generation, die - Zitat – "das Gefühl verliert, ihr Leben planen zu können". Der Grund: Die Flexibilisierung der Arbeitsverträge:

    "Dass es heutzutage schwieriger ist, überhaupt eine erste feste Anstellung zu bekommen. Und das betrifft mittlerweile Leute mit akademischer Ausbildung. Da können wir ganz deutlich nachweisen, dass die temporärere Arbeitsverträge, dass die im Wachstum begriffen ist. Immerhin ein Viertel der Menschen zwischen 25 und 34 Jahren, die überhaupt eine Beschäftigung haben, haben nur eine temporäre Beschäftigung, also Zeitarbeit, befristet und so weiter."

    Ein Viertel der heute 25- bis 34-Jährigen hangelt sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag. Das kann nicht folgenlos bleiben, glaubt der Gewerkschaftler Birner zu wissen.

    "Ich wage zu behaupten, dass mit den befristeten Verträgen die Arbeitnehmer gefügig gemacht werden sollen. Denn der Druck nicht zu wissen, wie es weitergeht, erzwingt eine Anpassung, eine Unterwerfung. Das sind ja keine selbstbewussten Arbeitnehmer, die auch mal im Betrieb ihre Meinung äußern, auch mal widersprechen. Das trauen die sich ja nicht, weil jeder hat Angst, dass er den Vertrag nicht verlängert bekommt. Der Betroffene hat das Problem, dass er nicht planen kann. Wie soll so jemand planen, soll so jemand eine Investition eingehen, soll er sich eine Wohnung, ein Haus kaufen, ein neues Auto kaufen. Es wird natürlich volkswirtschaftlich auch weniger investiert."
    Beispiel: Immobilienmarkt. Wer ein Haus bauen oder sich Wohneigentum zulegen will, dessen Kreditwürdigkeit wird von einer Bank unter Lupe genommen. Ein befristeter Arbeitsvertrag aber bedeutet eine befristete Einkommensgarantie. Mit der Folge, dass ein Kredit oftmals nicht gewährt wird. Stephan Kippes vom Immobilienverband Deutschland:

    "Gerade in so einer langfristig angelegten Branche merkt man es. In dem Moment, wo jemand einen befristeten Vertrag hat und nicht richtig planen kann, gleichzeitig aber ein langfristiges finanzielles Engagement eingehen muss, überlegt er natürlich sehr genau, kann ich es riskieren oder nicht. Wenn dann die Befristung noch unsicher ist oder sie noch den Standort wechseln müssen, fallen derartige Leute vom Kaufmarkt weg, weil sie einfach sagen, das möchte ich nicht riskieren. Diese befristeten Arbeitsverträge erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, das wird auf den Markt einspielen."
    Welche Auswirkungen das haben wird auf das Konsumverhalten einer ganzen Generation, ist noch nicht absehbar. Professor Lange vom Deutschen Jugendinstitut teilt die Ansicht, dass die Angst vor Arbeitsplatzverlust lähmt. Auf der Strecke blieben Kreativität und der viel beschworene Teamgeist im Unternehmen:

    "Was sich wirklich verändert hat, dass ein großer Teil der Menschen Arbeit auch finden will, um sich selbst zu verwirklichen und bereit sind, sehr viel zu geben. Aber wenn sie natürlich erfahren, dass sie nur für ein oder zwei Jahre gefragt sind, dann hat das natürlich die Konsequenz mit Blick auf das Arbeitsverhältnis, dass sich keinesfalls mehr so eine starke Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber ausbilden kann."
    Mitarbeiter, die mental auf dem Sprung sind, machen nur das Nötigste, behauptet der Wissenschaftler. Sie seien weniger loyal, weniger kreativ und würden nur einen Bruchteil ihrer Leistungsfähigkeit einbringen. Jeder Einzelne leide darunter, wie auch das Betriebsklima.

    "Ich denke, dass die Kollegialität auch auf der Strecke bleibt. Ich bastele ständig an meinem Lebenslauf, weil ich mich ja wieder bewerben muss und damit tue ich das, was für mich das Beste ist. Das heißt aber nicht immer, dass das sich mit dem deckt, was für die Firma am besten ist und ich versuche vom anderen Kollegen zu profitieren."
    Doch der Professor geht noch einen Schritt weiter. Er sagt, befristete Arbeitsverhältnisse beeinflussen die Lebensplanung. Von immerhin ein Viertel aller 25- bis 34-Jährigen:

    "Wir haben ja selbst am Deutschen Jugendinstitut eine Befragung gemacht unter dem schönen Titel 'Null Bock auf Familie', Fragezeichen, an jungen Männern. Und haben die gefragt: Was ist Grundbedingung für Dich, damit Du eine Familie gründest? Grundbedingung eins war klar: Feste Partnerschaft, aber auf dem zweiten und dritten Platz kam schon: Sicherer Arbeitsplatz und guter Verdienst."
    Investitionen in die Zukunft, in Eigentum, auch in die Altersvorsorge sind zum einen wegen des niedrigen Gehalts kaum möglich, zum anderen führt das finanzielle Dilemma dazu, dass immer weniger junge Frauen und Männer sich trauen werden, eine Familie zu gründen. Die berufliche Situation der Jungen sorgt zudem für jede Menge Unverständnis zwischen den Generationen. Denn aus dem Elternhaus kennt man die Arbeitswelt anders.

    "Der erste Sachverhalt ist, dass es in den 60er-Jahren, diese Situation noch nicht gab. Es gab auch früher relativ gute Chancen für Menschen mit relativ bescheidenen Bildungsabschlüssen, und nicht umsonst waren die 60er-Jahre auch so ein Symbol für Aufbruch und wir hatten nicht umsonst Babyboom und so weiter. Deshalb ist es manchmal schwer zu vermitteln in Gesprächen mit Familien, sprich, wenn die jungen Leute sagen, ich finde jetzt nichts, dann heißt es zum Beispiel da musst du dich mehr anstrengen. Oder was ein sehr beliebtes Argument ist, du darfst nicht so hohe Ansprüche stellen."
    Ein Problem, das auch die 27-jährige Sophia Bauer gut kennt. Zwar sind ihre Eltern immer bereit gewesen, sie während ihrer Ausbildung finanziell zu unterstützen. Doch je älter sie wird, desto mehr wächst der Druck und auch der Wunsch, selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen zu können.

    "Klar lassen sie einen nicht verhungern. Aber nach vier, fünf, sechs Jahren heißt es dann: Wie lange jetzt denn noch oder – muss es denn der große Traum sein? Und da ist auch der Ehrgeiz da, dass ich es selber schaffe."
    Dass befristete Arbeitsplätze die junge Generation verunsichern, kann Eric Thode von der Bertelsmannstiftung gut nachvollziehen. Er spricht von einem Übergangszeitraum – vom Arbeitsleben, wie man es von seinen Eltern kennt, hin zu einer Arbeitswelt mit atypischer Beschäftigung, also Zeitverträgen.

    Ich denke, das ist in der Tat zum einen eine Art Gewohnheit und auf der anderen Seite müssen aber natürlich Arbeitsmarktsituationen so ausgestaltet werden, dass mit diesem erhöhtem Ausmaß an Unsicherheit dann eben auch entsprechend umgegangen werden kann.
    Stichwort Arbeitsplatzsicherheit, die in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert hat. Der Arbeitsmarkt aber wandelt sich. Eric Thode von der Bertelsmannstiftung ist sich sicher, dass Anstellungen in ein und derselben Firma ein Leben lang nicht die Zukunft sind. Der Forscher ist gar nicht so pessimistisch: Er sieht eine große Bereitschaft bei den jungen Menschen, sich der neuen Arbeitswelt anzupassen. Die junge Generation sei flexibel, also zum Arbeitsplatzwechsel bereit. Was allerdings fehle, sei die sogenannte Beschäftigungssicherheit. Eine Garantie also, im Falle des Arbeitsplatzverlustes wirklich auch eine neue Anstellung zu finden. Er kommt zu folgendem Schluss:

    Nicht die junge Generation trifft die Schuld an ihrer Unsicherheit, sondern den Arbeitsmarkt. Der Flexibilisierung der Verträge auf der Seite der Arbeitnehmer, fehlt auf der anderen Seite die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.
    Deswegen fordert der Arbeitsmarktforscher Eric Thode die Politik auf, die Arbeitsmarktsituation so zu gestalten, dass mit der gestiegenen Unsicherheit besser umgegangen werden kann:

    Denn eines wird wahrscheinlich nicht passieren, dass man die Unsicherheit zurückdreht und zu einem Zustand der 60er- oder 70er-Jahre zurückkehrt.

    Sophia Bauer hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, in einem Verlag eine Festanstellung zu finden. Die 27-Jährige glaubt, sieben Jahre Ausbildung und erste berufliche Erfahrungen können nicht umsonst gewesen sein. Obwohl sie ihr Geld derzeit branchenfremd verdienen muss, hält sie regen Kontakt zu früheren Studienkollegen:

    "Wir sind sehr gut vernetzt, also ohne Kontakte in so ein Haus rein zu kommen, ist schlichtweg unmöglich, wenn es nicht die befristete Beschäftigung ist. Das Gute daran ist, dass man nicht der Einzige ist, das macht die Not insgesamt umso größer, aber auch irgendwie erträglicher."