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Genetik
DNA überführt Wilderer und schützt Nashörner

Im Kampf gegen Wilderer setzen die südafrikanischen Behörden auf eine DNA-Datenbank. Darin sind die genetischen Fingerabdrücke von Nashörnern erfasst. Schon winzige Spuren Nashornpulver reichen aus, einen Wilderer zu überführen.

Von Michael Lange | 14.01.2015
    Ein wild lebendes Breitmaulnashorn mit Jungtier im Imfolozi Nationalpark (Südafrika)
    Ein wild lebendes Breitmaulnashorn mit Jungtier im Imfolozi Nationalpark (Südafrika) (picture alliance / Jürgen Hein)
    Die Sonne ist schon aufgegangen im Krüger-Nationalpark. Ein etwa drei Tonnen schweres Nashorn steht im hohen Gras der Savanne - begleitet von einem Jungtier. Das Fahrzeug, das sich langsam nähert, scheinen die beiden gar nicht zu bemerken.
    David Bunn begleitet eine Besuchergruppe durch den Krüger Nationalpark. Im Hauptberuf leitet der Professor ein Forschungs- und Studienzentrum für den ländlichen Raum. Es gehört zur University of the Witwatersrand. Seit einigen Jahren beobachtet er einen dramatischen Rückgang der Nashornzahlen.
    "Ich bin sehr überrascht, diese Tiere hier zu sehen. Der zuständige Wildhüter hat mir gestern berichtet, dass fast alle Tiere in diesem Bereich des Parks von Wilderern getötet wurden. Der Nationalpark verliert viele hundert Tiere jedes Jahr."
    Viele Wilderer kommen aus dem Nachbarland Mosambik. Sie kennen sich aus, sind gut ausgerüstet, und manchmal werden sie sogar von Hubschraubern unterstützt. Sie verschwinden mit ihrer Beute blitzschnell über die Grenze nach Mosambik, und von dort werden die kostbaren Hörner nach Ostasien geschmuggelt.
    "Dieses Rhinozeros gehört zu einer Art, die schon einmal fast ausgestorben war. Von der Art Breitmaulnashorn gab es in Südafrika nur noch wenige wild lebende Exemplare. Durch Zucht- und Schutzprogramme gelang es, die Zahl auf über zehntausend Nashörner zu steigern. Das ist die größte Population weltweit. Aber jetzt sinkt die Zahl wieder deutlich."
    Beweise für die Gerichte
    Nur wenige Wilderer werden gefasst und kommen vor Gericht. Und wenn, dann fehlen oft die nötigen Beweise, um sie zu verurteilen. Um das zu ändern, haben Wissenschaftler der University of Pretoria eine DNA-Datenbank für Nashörner angelegt. Etwa 3.000 Proben haben die Forscher um Cindy Harper am Labor für Veterinär-Genetik bereits gesammelt, erfasst und genetisch untersucht.
    "2012 hat die Regierung beschlossen, biologische Proben aller Nashörner in Südafrika zu sammeln und die DNA zu untersuchen. Seitdem haben wir begonnen, eine DNA-Datenbank namens Rhodis aufzubauen. Damit lassen sich Nashörner und Nashornspuren identifizieren, genau wie mit dem genetischen Fingerabdruck in der Gerichtsmedizin."
    Sobald Wildhüter einen Nashorn-Kadaver entdecken, sammeln sie Proben der Haut, aus Knochen oder aus dem Blut der Tiere. Sie packen die Proben in spezielle Plastiktaschen und beschriften sie. Damit sie alle Daten schnell und sorgfältig vor Ort erfassen können, haben Mitarbeiter von Cindy Harper eine spezielle App entwickelt.
    Die App auf dem Tablet-Computer oder dem Smartphone speichert zunächst die GPS-Koordinaten, außerdem den Barcode, der die Plastiktasche mit den biologischen Proben kennzeichnet. Das funktioniert mit einem Scanner. Alternativ lässt sich auch ein Zahlencode eintippen. Noch ein Foto der Tasche mit den Proben, ein Foto vom Fundort, abspeichern und fertig.
    Die Daten werden online an die Zentrale der DNA-Datenbank nach Pretoria übermittelt. Die Tasche mit den Proben erreicht ein paar Tage später das Labor von Cindy Harper.
    "Beim Rhinozeros untersuchen wir 24 Positionen im Erbgut. Das sind mehr als man für den genetischen Fingerabdruck zur Identifizierung von Menschen braucht. Diese Genauigkeit ist notwendig, weil unsere heutigen Nashörner alle von nur etwa einhundert Tieren abstammen. Sie sind einander genetisch sehr ähnlich. Deshalb müssen wir genau hinschauen, um sie eindeutig zu identifizieren. Wir brauchen eine große Sicherheit - zum Beispiel in Gerichtsverhandlungen."
    Verräterische Spuren
    Schon einige Wilderer konnten durch die DNA-Datenbank überführt werden. Es reicht, wenn die Ermittler winzige Spuren Nashornpulver in einer Tasche finden. Durch die Datenbank können die Wissenschaftler den Behörden mitteilen, von welchem Nashorn die Spuren stammen. Durch die genaue Datenerfassung ergeben sich so handfeste Indizien.
    Cindy Harper öffnet ein Schubfach eines großen Schranks und zieht eine durchsichtige Kunststoffhülle heraus. Darin ein großes Messer - wie eine Machete.
    "Das hier stammt aus einem aktuellen Fall. Die Polizei hat die Waffe bei einem Verdächtigen gefunden. Wir nennen das ein Panga, eine Art Machete, mit der die Wilderer das Horn der Tiere abschlagen. Wenn wir jetzt Nashorn-DNA auf der Klinge nachweisen, und die gleiche DNA bei einem getöteten Tier gefunden wurde, kann der Verdächtige überführt werden."
    Die Arbeit der Ranger verdient Unterstützung. Aber sie allein wird das Breitmaulnashorn nicht retten, befürchtet David Bunn vom Forschungs- und Studienzentrum für den ländlichen Raum der University oft he Witwatersrand. Denn Wilderer, die nichts zu verlieren haben, lassen sich von ein paar Jahren Gefängnis nicht abschrecken.
    "Die Armut ist der wichtigste Faktor. Sie werden die Wilderei nicht beenden, indem sie jedes einzelne Nashorn verteidigen. Das ist unmöglich."
    David Bunn will die Bevölkerung, die in Dörfern rund um den Nationalpark lebt, in eine Strategie zum Schutz der Nashörner einbinden. Seine Idee: Die Gemeinden sollen eigene Wildtierreservate um den Krüger-Nationalpark herum gründen und betreiben.
    "Wenn die Bevölkerung wirklich spürt, dass sie von den Wildtieren und dem Tourismus profitiert, dann wird sie beim Schutz der Nashörner mitmachen. Ansonsten wird das Breitmaulnashorn in den nächsten zwanzig Jahren aussterben, und wir können nichts dagegen tun."