Donnerstag, 18. April 2024

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Genetik
Forscher entdecken neue Giraffen-Arten

Weil für sie für Großwildjäger eher uninteressant ist, wird die Giraffe nicht zu den "Big Five" Afrikas gezählt. Dabei gehört sie zu den größten und schönsten Tieren des Kontinents. Auch in der Forschung blieb sie lange eher unbeachtet. Erst jetzt haben Frankfurter Wissenschaftler ihr Erbmaterial genauer untersucht und entdeckt, dass es nicht nur eine Giraffen-Spezies gibt.

Von Michael Lange | 09.09.2016
    Sechs Giraffen sind im Krüger Nationalpark (Südafrika) zu sehen
    Wie jetzt festgestellt wurde, gibt es vier unterschiedliche Giraffen-Arten (imago stock&people)
    Unterwegs im Krüger Nationalpark in Südafrika. Drei sechs Meter große Giraffen und ein Jungtier laufen mit raumgreifenden Schritten durch die Savanne. Irgendwie schlaksig, aber auch kraftvoll und elegant
    Die Zahl dieser wunderbaren Tiere sinkt von Jahr zu Jahr. Noch leben in Afrika etwa 90.000 Giraffen in freier Wildbahn. Bisher glaubte man: Sie gehören alle zu einer Spezies. Nach dem Muster auf ihrem Fell konnten Zoologen sie in neun Unterarten unterteilen.
    Mitarbeiter der kleinen Naturschutzorganisation Giraffe Conservation Foundation haben nun über hundert Gewebeproben aller Unterarten gesammelt. Die genetische Analyse erfolgte dann im genetischen Labor in Frankfurt am Main.
    "Was ich hier mitgebracht habe und ihnen zeige, ist ein so genannter Biopsie-Pfeil."
    Der Leiter der Untersuchung Axel Janke vom Senckenberg-Biodiversität und Klima-Forschungszentrum legt einen fingergroßen Gegenstand auf den Tisch: Eine Art Patrone mit einem dünnen Hohlrohr an der Spitze:
    "Die wird aus einem Gewehr abgeschossen mit einer kleinen Treibladung und dringt dann in die Haut der Giraffe ein, stanzt eine kleine Probe heraus, fällt ab von der Haut und die Giraffe läuft weiter."
    Giraffen-Spezies unterscheiden sich genetisch wie Eis- und Braunbär
    Die Naturschützer sammelten über 100 Biopsie-Pfeile mit Gewebeproben aus verschiedenen Teilen Afrikas und schickten sie nach Frankfurt zu Axel Janke:
    "Wir haben diese Proben genetisch untersucht, und da ist uns gleich aufgefallen, dass die genetischen Unterschiede in den Unterarten sehr groß sind. Das hat dazu geführt, dass wir gesagt haben: Das schauen wir uns genauer an. Denn das sieht nicht so aus wie eine Art. Da könnte mehr dahinter stecken."
    Die Forscher schauten sich bestimmte Positionen im Erbgut der Tiere an: so genannte Marker und genetische Veränderungen, genannt Mutationen. Alle untersuchten Erbgutbereiche der Giraffen ließen sich in vier Gruppen einteilen. Ohne Überschneidungen, berichtet Janke:
    "Wir sehen bei der Südgiraffe zum Beispiel ein bestimmtes Mutationsmuster, das wir bei keiner anderen Giraffengruppe sehen. Das würden wir sehen, wenn die Giraffen sich untereinander paaren würden als wäre es eine Art. Die Artdefinition sagt ja: Zwei verschiedene Arten können sich nicht miteinander fortpflanzen. Sie sind also genetisch voneinander getrennt."
    In ihrer Genetik unterscheiden sich vier Giraffen-Spezies etwa so deutlich wie Braunbär und Eisbär. Die Daten belegen: Die genetisch verschiedenen Giraffen haben sich nicht miteinander fortgepflanzt, obwohl sie es könnten, wie man von Zootieren weiß.
    Zwei der vier Giraffen-Arten vom Aussterben bedroht
    Damit steht fest: Es gibt vier Giraffen-Arten - die Nord-Giraffe, die Massai-Giraffe, die Netz-Giraffe und die Süd-Giraffe. Die Wissenschaftler haben mit Hilfe der Gen-Daten bereits einen Stammbaum erstellt. Demnach spaltete sich vor etwa zwei Millionen Jahren erstmals eine Art ab. Die jüngste Giraffen-Art ist nur circa 400.000 Jahre alt. Das ist genug, um eine neue Art entstehen zu lassen, erklärt Axel Janke. Eine Art zu vernichten geht deutlich schneller.
    Zwei der neuen Arten sind bereits bedroht, weil ihr Lebensraum immer weiter eingeschränkt wird und weil ihr Fleisch als Bush-Meat begehrt ist, so Janke:
    "Zwei dieser Arten, von denen gibt es nur noch 4.000 beziehungsweise 8.000 Individuen. Das ist eine sehr geringe Zahl. Das zeigt, dass hier ein sehr guter Schutz notwendig sein wird, um diese Arten zu erhalten."