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Gentechnik in der Landwirtschaft

Meine Beobachtung ist: Wenn etwas nach einer sinnvollen Technologie für die Entwicklungsländer aussieht, dort hin gebracht wird und das geht dann schief, dann liegt es in der Regel daran, dass wir, die Technologen aus den entwickelten Ländern das Problem nicht verstanden haben, das wir lösen wollten. Wir haben uns die Zeit dafür nicht genommen.

von Grit Kienzlen | 13.10.2003
    Die Probleme in der Dritten Welt sind komplex, betont Prof. John Gibson, ein Brite, der heute am internationalen Züchtungsforschungsinstitut in Nairobi/Kenya Projekte koordiniert. Mit der hiesigen industrialisierten Tierhaltung hat die Wirtschaftsweise eines Hirten in Ostafrika rein gar nichts zu tun. Unser Vieh soll viel Milch geben, Fleisch ansetzen oder Eier legen. Die Ziege eines armen Kleinbauern muss vor allem Infektionen und magere Zeiten aus eigener Kraft überstehen können, denn sie ist eine Form von Rücklage für ihren Besitzer. Sie ist die Sicherheit auf seinem Bankkonto. Wer nicht versteht, wie die Armen in den Entwicklungsländern wirtschaften und warum, der wird Ihnen nicht sinnvoll helfen können. Dafür gibt John Gibson ein Beispiel eines diesmal gelungenen Hilfsprojektes. In großen Teilen der Welt, vor allem in Südostasien, kämpfen die Schafe mit Wurminfektionen im Magen-Darm Trakt. Sie wachsen schlecht und viele Tiere sterben daran. Nun gibt es verschiedene, neuere Züchtungen wurmresisitenter Schafe:

    Der erste Impuls des Genetikers war dann: Ja da geben wir den Dörfern einfach die neuen Schafzüchtungen und alles wird gut. Zum Glück ist es so nicht gekommen. Sondern wir haben ein Team mit Leuten beschäftigt, die sich wirklich mit den Produktionssystemen kleiner Tierhalter auskennen. Sie machten sich auf in die Dörfer und stellten schnell fest, dass es Probleme mit dem gesamten Produktionssystem gab.

    Verschiedene Wege mit dem Wurmproblem umzugehen, wurden überdacht. Nur einer davon waren die neuen Schafkreuzungen. Die Dorfgemeinschaften selbst entwarfen Experimente, bei denen sie ihre Schafe mal gegen die Würmer behandelten, ihnen Futterzusätze gaben oder sie schlicht nicht mehr dort grasen ließen, wo sie sich die Würmer holten. Die Wissenschaftler standen ihnen dabei beratend zur Seite:

    Die Forscher verbrachten viel Zeit damit, von den Dorfbewohnern zu lernen und nach wenigen Jahren hatten diese Bewohner selbst herausgefunden, was die beste Lösung für sie war. Im Ergebnis fiel die Sterblichkeit der Lämmer von 45 Prozent auf 5 Prozent.

    Deshalb wird das in neun Ländern laufende Projekt, an dem John Gibson auch beteiligt war, nun in weitere Regionen ausgeweitet. Wie bisher wird es dabei sehr unterschiedliche Lösungsmodelle geben. Mal werden die neuen Schafrassen eingeführt, mal tut es auch die Umstellung der Füttermethoden.

    Das ist die wichtigste Botschaft: Wir Technologen tendieren immer dazu eine einzige Lösungen zu suchen, dabei haben diese Systeme vielfache Lösungen.

    Das Projekt ist beispielhaft für den Technologietransfer in die Entwicklungsländer. Weil die Menschen vor Ort ihre Probleme selbst am besten verstehen, gehen die Bestrebungen internationaler Organisationen wie der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO, oder auch der Internationalen Stiftung für Wissenschaft, IFS, dahin, dass nicht fertige Techniken transferiert werden. Sondern die Menschen vor Ort müssen selbst nach der jeweiligen technischen Lösung für die Schwierigkeiten in ihrem Land suchen. Dann kommt es darauf an, dass sie ausländische Firmen oder Institute gewinnen können, die sich an aussichtsreichen Projekten beteiligen.
    Aber damit sie dabei erfolgreich sein können, muss die entwickelte Welt diese Technologien in ihre Hände legen. Sie brauchen ihre eigenen Labors und ihre eigenen Forscher, die die individuellen Probleme der Entwicklungsländer in Angriff nehmen.