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Geoblocking in der EU
Punktsieg für die Produzenten

Während die meisten Schlagbäume innerhalb der EU abgebaut sind, bleiben in der digitalen Welt auch in Europa noch etliche Grenzen bestehen. Eine neue EU-Verordnung soll das ändern. Doch Filmschaffende wollen das verhindern - und erreichen ein Etappenziel.

Von Thomas Otto | 21.11.2017
    Ein junger Mann lässt sich eine Seite der Videostreaming-Firma Netflix auf einem Laptop und auf einem Fernsehbildschirm zeigen.
    Ein junger Mann schaut auf das Angebot der Videostreaming-Firma Netflix auf einem Laptop und einem Fernsehbildschirm. (dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Urheberrechte an Film- und Fernsehproduktionen werden in der EU national gehandelt. Das bedeutet: Wer einen Film in Deutschland und Frankreich zeigen will, braucht dafür jeweils eine eigene Lizenz, für die gesamte EU 28 Lizenzen. Eine Ausnahme davon gibt es seit den 90er-Jahren für Rundfunkanbieter. Da TV- und Satellitensignale nicht an Grenzen Halt machen, dürfen Sender auch grenzüberschreitend ausstrahlen, auch wenn sie nur ihre nationale Lizenz dafür erworben haben.
    Dieses Prinzip soll auf das Internet ausgeweitet werden, so die Pläne der Kommission, die auch der zuständige Berichterstatter Tiemo Wölken unterstützt. Eigenproduktionen, vollständig finanzierte Auftragsproduktionen und lizensierte Werke in den Mediatheken sollen in jedem EU-Land zugänglich sein, fordert der SPD-Mann: "Und damit haben wir am Ende des Tages – und das ist das Wichtige – mehr grenzüberschreitenden Zugang für europäische Bürgerinnen und Bürger und damit einen Mehrwert für Verbraucherinnen, die einfach und mehr Zugang zu europäischem Kulturgut und Nachrichtensendungen bekommen können."
    Mehr Informationen aus anderen Ländern
    Denn oftmals gebe es gar keine legale Möglichkeit, bestimmte Inhalte vom Ausland aus zu sehen. So konnte beispielsweise das Kanzlerduell von Belgien aus nicht auf herkömmlichen Weg im Internet verfolgt werden. Profitieren sollen von der Reform einerseits sprachliche Minderheiten, zu denen in der EU 55 Millionen Menschen gehören. Aber auch jeder, der sich über die Entwicklungen in anderen EU-Ländern informieren will oder Urlauber, die auch vom Ausland aus ihre gewohnten Programme sehen wollen.
    Angelika Niebler sieht in dem Vorschlag hingegen eine Gefahr für die europäischen Filmemacher. Deshalb lehnt die CSU-Abgeordnete den Vorschlag ab. "Die Filmemacher, die komplette Allianz der kreativen Industrie in Europa hat davor gewarnt, wenn wir uns anders entscheiden und dem Kommissionsvorschlag folgen, dann wäre eben Filmemachen in Europa sehr schwierig geworden, weil man eben die Finanzierung nicht mehr sicherstellen kann."
    Die Vielfalt des europäischen Films wäre gefährdet, so die Befürchtung.
    Julia Reda, Abgeordnete der Piraten-Partei, kann das nicht nachvollziehen: "Wenn es tatsächlich wichtig ist für die Finanzierung eines bestimmten Films, dass man die Rechte territorial trennt und einzeln verkauft, dann ist das nach der Rundfunkverordnung weiterhin möglich. Es steht explizit in dieser Verordnung, dass vertraglich vereinbart werden kann zwischen dem Rechteinhaber und dem Rundfunkanbieter, dass der Inhalt nur für ein Land verfügbar gemacht wird. Insofern ist diese Sorge eigentlich an den Haaren herbeigezogen."
    Außerdem sehe der Entwurf einen Vergütungsanspruch dafür vor, dass Produktionen auch für andere Länder zugänglich gemacht werden, so Reda.
    Kein Zugang zu anderen Online-Mediatheken
    Die Kritiker des Vorschlages fürchten allerdings eine Machtverschiebung hin zu den Sendern, was die Verhandlungsposition der Produzenten schwächen könnte. Dann würde auch der Vergütungsanspruch wenig nützen.
    Dazu wird es vorerst aber nicht kommen. Der Rechtsausschuss lehnte den Vorschlag von Berichterstatter Tiemo Wölken mit einer Mehrheit von Konservativen und Liberalen ab und strich den Geltungsbereich zusammen: "Der Ausschuss hat sich darauf verständigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mehr Zugang zu Online-Mediatheken aus anderen Ländern bekommen. Es ist schade, hier wurde eine Chance vertan. Und man muss ganz ehrlich sagen, dass sich die Lobby der großen Filmindustrie durchgesetzt hat."
    Angelika Niebler von der CSU spricht hingegen von einer Stärkung der europäischen Filmindustrie. Europa lebe von der Vielfalt seiner Kulturen und um die zu erhalten, müssten Filmemacher ihre Lizenzen auch national vermarkten können. Außerdem gebe es eine Ausnahme, so Niebler: "Also für alles, was im Bereich Nachrichten läuft, haben wir ja freigegeben, dass man ein vereinfachtes Rechteclearing machen kann. Das es also auch für die Online-Angebote einfacher wird."
    Öffnung für nachrichtliche Inhalte
    So könnte eine Sendung wie das Kanzlerduell möglicherweise doch in der ganzen EU verfügbar gemacht werden. Die Regeln hierfür sind allerdings etwas schwammig.
    Das Parlament könnte mit der Position des Rechtsausschusses nun in die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten gehen. Allerdings besteht noch die Möglichkeit – bei genug Unterstützern – Änderungsanträge einzubringen und im Plenum aller 751 Abgeordneten darüber abzustimmen. Dann könnte sich die Position des Parlaments noch einmal ändern. Berichterstatter Tiemo Wölken will das nun versuchen.