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Geologische Spezialitäten

Der Begriff Geotop war bis vor wenigen Jahren nur Fachleuten geläufig. Mittlerweile ist er auch in den Tourismus eingezogen. Wenn ein Gebiet als "Geopark" ausgewiesen ist, dann kann man sicher sein, dort etwas besonderes zu finden: Gebiete, in denen man erdgeschichtliche Prozesse gut nachvollziehen kann.

Von Eva Firzlaff | 18.09.2011
    Der Blick in die Erdgeschichte reicht weit zurück: Vor 150 Millionen Jahren war dort das Jura-Meer, in dem sind dem Korallen-Riffe gewachsen.

    "Man kann es sich nicht so vorstellen wie das Great Barrier Reef in Australien, ein kompletter Riff-Komplex über 2500 Kilometer. Sondern hier waren Flecken-Riffe. Knn die Größe von Tischtennisplatten gehabt haben, kann 50 oder 100 Meter lang gewesen sein. Und je nach dem, wo die Schichten heute angeschnitten werden, kommen sie an die Oberfläche."

    Wenn der Bauer gepflügt hat, findet Ralf Schwarz bei Gerstetten auf dem Acker Erdbatzen, in denen sich kleine Korallen-Klumpen verstecken, und in Baugruben ganz große. Das Besondere: Hier sind die Korallen verkieselt, er kann deshalb mit verdünnter Salzsäure die Ablagerungen ringsum lösen, übrig bleiben die Korallen.

    "Die Korallen gibt es zwar europaweit. Es fängt an in Portugal, Rumänien, eigentlich die ganze Donau entlang kann man sie finden. Nur dass sie so körperlich erhalten herauspräpariert werden können, das ist einmalig auf der ganzen Welt."

    Das Riff-Museum im früheren Bahnhof Gerstetten zeigt Korallen-Schätze.

    "Der Nachbau eines Korallenriffs aus dem Weißen Jura. Alles mit Originalstücken, die hier in und um Gerstetten gefunden wurden. Das Zeug ist 150 Millionen Jahre alt. Man hält eigentlich ein Stückchen Zeit in der Hand. Es sind viele Taucher schon da gewesen, die sind immer fasziniert."

    Zum Vergleich sieht man auch derzeit lebende Korallen. Die Formen sind die gleichen, nur dass den Fossilien die Farben fehlen.

    Am Rand von Bad Boll bei Göppingen liegt ein kleiner Steinbruch. Hier wird Jura-Schiefer per Hand abgebaut, gemahlen und mit Wasser zu Fango gerührt. So wie woanders Vulkangestein. Fango ist italienisch und heißt Schlamm. Der Bagger wurde aus der Grube verbannt, denn man findet reichlich Fossilien. Deshalb kommen auch Schulklassen, Kurgäste und pickern. Wir sind im gleichen Meer, wie im Riff-Museum mit seinen Korallen, sagt Anton Hegele vom Naturkundemuseum Göppingen.

    "Wir sind im gleichen Meer, aber einige Jahrmillionen vorher. Zu der Zeit, als diese Schichten abgelagert wurden, ist der Austausch mit dem Weltozean unterbrochen gewesen. Sozusagen ein abgeschnürtes Meeresbecken, ähnlich wie das Schwarze Meer oder die Ostsee. Und da kommt es eben dazu, dass kein Sauerstoff auf dem Boden ist, dass hier Faulschlamm entsteht."

    Und dieser Faulschlamm hat sich in dünnen Schichten abgelagert, dazwischen Muscheln, Schnecken, Würmer und größeres Getier.

    "Normalerweise tritt Verwesung ein oder Aasfresser fressen Tiere, die hier drin sind. Das war hier nicht der Fall. Deshalb sind hier auch Saurier schön erhalten oder Ammoniten und Schalen von Muscheln, die ansonsten zerstört worden wären."

    Die Schiefer-Schichten lassen sich leicht abspalten. So verlässt kein Besucher die Grube ohne einen Fund.

    Im Göppinger Ortsteil Jebenhausen draußen am Naturkundemuseum läuft aus einem Wasserhahn das gleiche Wasser wie das Mineralwasser, das nebenan abgefüllt wird. Und nur die Jebenhausener dürfen sich hier bedienen. Verbrieftes Recht seit 250 Jahren.

    "Die Mineralstoffe in diesem Wasser stammen aus diesem Jura-Meer. Und die Kohlensäure stammt aus einem Vulkan, dem sogenannten schwäbischen Vulkan, der hier so vor 16 bis 20 Millionen Jahren aktiv war. Die hat sich in diesem Wasserleiter angereichert."

    Eine andere Besonderheit ist der Karst. Im Jura-Meer haben sich dicke Kalkschichten abgelagert. Als sich die Alb gehoben hat, entstanden Risse. Eindringendes Wasser hat den Kalk gelöst und Höhlen ausgewaschen. So ist auch die Laichinger Tiefenhöhle entstanden mit tiefen Schächten, Gängen und Hohlräumen. Rolf Riek:

    "Die Höhle hat insgesamt - ich glaube - 13 Schächte, über 1000 m Ganglänge, wovon ein Drittel für die Besucher zugänglich ist. Die großen Räume sind zugänglich über Treppen, große Halle, kleine Halle. Die kleine Halle ist dann auch der tiefste Punkt für die Besucher, in 55 m Tiefe. Ab hier geht es dann wieder aufwärts."

    Das Wasser hat ähnliche Formen ausgespült, wie wir sie aus Schluchten im Gebirge kennen. Runde Auswaschungen an Felswänden oder unter einem Wasserfall.

    "Das ist ähnlich wie im Gebirge - die Gletschermühle. Auch hier war das fließende Wasser mit Stein und Geröll zugange und hat die Wände glatt geschliffen und hat die Gletschermühle gebildet."

    Das Wasser, das hier versickert, läuft durch ein weit verzweigtes Höhlensystem, bis in den Blautopf von Blaubeuren. Ein gewaltiger Trichter, in dessen Tiefe die Quelle sprudelt, so sehr sprudelt, dass sie einst am Wehr ein Wasserrad angetrieben hat.

    Gegen Korallen-Riffe und Faulschlamm ist der Meteoritenkrater von Steinheim recht jung. Erst 15 Millionen Jahre. Man nimmt an, dass sich von dem Meteoriten, der das Nördlinger Ries geschlagen hat, dass sich von diesem ein Teil abgetrennt hat und weiter westlich eingeschlagen ist. Der Batzen war vermutlich 100 Meter groß und hat einen Krater von 2,5 Kilometer Durchmesser hinterlassen. In der Mitte der Zentralhügel entstand, als nach dem Einschlag der Boden zurück federte. Peter Seidel:

    "Das ist der Vorteil von Steinheim. In Steinheim sieht man viel schöner, dass das ein Meteoritenkrater ist. In Nördlingen muss man es eigentlich wissen, weil es viel zu groß ist."

    Im Meteor-Museum wird der Einschlag erklärt und werden Fossilien gezeigt: Tiere, die in den früheren Kratersee gefallen waren, zum Beispiel der Urhirsch, so groß wie ein mittlerer Hund, die Figur wie ein kleines Reh, hat schon Hufe, aber noch kein Geweih, dafür Reißzähne wie ein kleiner Tiger. Und draußen führt ein Wanderweg durch und um den Krater.

    "Der besucht bevorzugt diese Orte, die noch darstellen, was hier geschehen ist, wie die Gesteine verändert worden sind, wie die Schichtungen durcheinander geworfen sind und wo man schöne Aussichtsplätze hat. Wo man den Zentralhügel und den Kraterrand sieht."

    Und wir finden geschmolzenen Stein - Suevit. Solcher Stein - allerdings aus dem Nördlinger Ries - wurde beim Bau der Staufer-Burg Katzenstein verwendet, deshalb gehört auch diese zum Geopark. Anhand dieses Steins hatte der amerikanische Astronom Eugen Shoemaker erkannt, dass das Nördlinger Rieß kein Vulkankrater ist - wie erst angenommen.

    "Weil die Gesteine so charakteristisch sind, dass er gleich gesehen hat, dass ist kein vulkanisches Gestein. Das ist einfach ein Schmelzgestein, ein Mischgestein aus Granit, Gneis und Kalk, wie es eben typisch ist für einen Meteoriteneinschlag, der die Gesteine so durcheinander wirbelt und ganz neu wieder verbindet."

    Die Burg Katzenstein ist jetzt Museum, romantisches Hotel und Gastwirtschaft.
    Das Lonetal bietet sich an für eine Radtour, denn es ist für Autos weitgehend gesperrt und zum Wandern recht lang. Im Gebüsch verbergen sich die Eingänge zu Höhlen, in denen man kleine Figuren gefunden hat, zu sehen im Höhlenhaus in Hürben. Eduard Geiser:

    "Das sind die ältesten figürlichen Kunstfunde der Menschheit überhaupt. Gefunden hier im Lonetal in der Vogelherdhöhle. Es gibt ja mehrere Höhlen im Lonetal, und die waren alle bewohnt beziehungsweise um diese Höhlen herum haben Menschen gewohnt. Die Höhlen waren der letzte Unterschlupf. Gelebt haben sie unter Felsvorsprüngen, haben sich hier solche Äste drüber gelegt, oder Baumstämme, und haben darin gehaust. Dass sie mit dem Rücken zu Wand waren. Das war für sie sicherer. So etwa muss man sich das vorstellen. Und sie waren nicht sesshaft, also das waren Nomaden, die sind immer mal wieder woanders hin gegangen."

    35.000 Jahre - so alt sind die Figürchen aus Mammut-Stoßzahn. Pferdchen, Bison, Löwe, ein Mensch mit Löwenkopf. Doch ein Stoßzahn lässt sich nicht so einfach bearbeiten wie Holz oder Speckstein, das kann man selbst probieren - kratzen mit Feuerstein.

    Vom Höhlenhaus steigen wir bergan zum Eingang der Charlottenhöhle. Als um 1900 in der Gegend viele Höhlen entdeckt wurden, stieg der Oberförster mit noch drei Mann in eine Schindergrube, in die man bis dahin kranke und verendete Tiere geworfen.

    "Und sehen sie, das ist das Loch da oben. Man sieht noch ein bisschen Tageslicht rein scheinen. Da sind die herunter gestiegen. Dann kamen sie hier in diesen Hohlraum, diese Halle und sahen vor sich gleich diesen riesigen Tropfstein. Sie sehen hier sehr schöne Formationen von Tropfsteinen, da hängen sie runter wie Eiszapfen, und hier sehen sie ganz anders aus. Das sind so genannt Sintervorhänge."

    In dieser Höhle ist es zu kalt, als dass hier Menschen gelebt hätten. Dafür haben hier Bären gehaust und Höhlenlöwen. Deren Knochen hat man gefunden und die von Beutetieren. Man sieht auch Stellen an der Höhlenwand, wo sich wohl Bären den Pelz geschubbert haben.