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George Bush ruft "Operation Wüstenschild" aus

Von einem stabilen, sicheren und demokratischen Staat ist der Irak immer noch weit entfernt. Formal betrachtet leben die Iraker seit dem Ende der Diktatur 2003 zwar in einem freien Land, doch der Alltag ist ein täglicher Kampf.

Von Tobias Mayer | 08.08.2010
    Nach wie vor sterben im Irak täglich Menschen bei Anschlägen, die Arbeitslosigkeit ist hoch, Korruption ist allgegenwärtig. Fast sieben Jahre ist der Sturz Saddam Husseins nun schon her. Fast in Vergessenheit geraten ist, dass jener Saddam Hussein, der ehemalige Hauptfeind der USA, bis zur Besetzung Kuwaits 13 Jahre zuvor noch ein Wahrer amerikanischer Interessen am Persischen Golf war.

    Lange Zeit bestritt der Irak die Legitimität des Staates Kuwait. Saddam Hussein bezeichnete in den 80er-Jahren die Region bisweilen als südirakische Provinz. Nach der Unabhängigkeit Kuwaits von Großbritannien 1961 wurde der Grenzverlauf durch die Wüste nie genau bestimmt. Daraus entwickelte sich ein Dauerkonflikt, denn genau in diesem Gebiet entdeckte man riesige Ölvorkommen. Durch den Krieg gegen Iran in den 80er-Jahren hatte der Irak hohe Schulden. Kuwait einzuverleiben schien für Saddam die Lösung aller Probleme.

    Signale seines alten Bündnispartners USA, dass man den Konflikt zwischen Irak und Kuwait als innerarabisches Problem ansehen würde, interpretierte der irakische Präsident als Freifahrtschein. Am 2. August 1990 drang die irakische Armee in Kuwait ein. Der kuwaitische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Nasir as-Sabah, berichtete:

    "Die Situation in Kuwait ist ernst. Sie haben alle wichtigen Einrichtungen in Kuwait besetzt, einschließlich der Ministerien."

    Die kuwaitische Herrscherfamilie der Sabah floh, Saddam Hussein setzte eine Marionettenregierung ein. Offenbar hatten die Amerikaner nicht glauben wollen, dass Saddam Hussein, den sie jahrelang im Krieg gegen Iran unterstützt hatten, eine solche Dreistigkeit begeht, nun ließen sie ihn fallen. Der UN-Sicherheitsrat forderte in der Resolution 660 den sofortigen Rückzug der irakischen Truppen. Am 8. August 1990 kündigte US-Präsident George Bush die "Operation Wüstenschild", Desert Shield, an:

    "Auf meinen Befehl sind heute wichtige Teile der 82. Luftlande-Division sowie der Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten nach Saudi-Arabien verlegt worden, um dort eine Verteidigungsposition einzunehmen."

    Bush sprach vom Beistand für eine verbündete Nation. Er verschwieg aber auch nicht, worum es eigentlich ging: um die Sicherung der Ölproduktion in Saudi-Arabien:

    "Unser Land muss fast die Hälfte seines konsumierten Öls importieren. Unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit könnte einer großen Bedrohung ausgesetzt werden."

    "Greifen die USA ein, machen wir aus Kuwait einen Friedhof",

    ... drohte Saddam Hussein. Die gesamte westliche Welt und auch fast alle arabischen Staaten wandten sich vom irakischen Diktator ab. Der UN-Sicherheitsrat beschloss ein umfangreiches Wirtschaftsembargo. Saddam suchte die offene Konfrontation:

    "Ich rufe zum Heiligen Krieg gegen die Anwesenheit der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien auf!"

    Saddam Hussein schreckte vor nichts zurück. Er nahm Hunderte von Ausländern im Irak und in Kuwait als Geiseln und verbrachte sie an strategisch wichtige Positionen wie Kasernen, Waffenarsenale oder Ministerien - als sogenannte menschliche Schutzschilde. In bespiellosen Erniedrigungsgesten reisten Repräsentanten westlicher Staaten nach Bagdad und bettelten um die Freiheit ihrer Mitbürger, darunter auch Alt-Bundeskanzler Willy Brandt. Saddam Hussein ignorierte unterdessen weiter alle Forderungen der Staatengemeinschaft. Die UN-Resolution 678 setzte schließlich eine letzte Frist bis zum 15. Januar 1991:

    Der Sicherheitsrat (...) ermächtigt die Mitgliedstaaten (...) alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um der Resolution 660 und allen danach verabschiedeten einschlägigen Resolutionen Geltung zu verschaffen und sie durchzuführen und den Weltfrieden und die internationale Sicherheit in dem Gebiet wiederherzustellen. (...)

    Einen Tag nach Ablauf des Ultimatums gab US-Präsident Bush am 16. Januar 1991 den Befehl zur "Operation Wüstensturm", Desert Storm:

    "Gerade finden Luftschläge gegen militärische Ziele im Irak statt. Wir sind entschlossen, Saddam Husseins Atomwaffenpotenzial zu vernichten. Wir werden ebenfalls seine Chemiewaffenanlagen zerstören. Saddam Husseins Streitkräfte werden Kuwait verlassen. Die legitime Regierung Kuwaits wird wiederhergestellt an seinem rechtmäßigen Ort. Und Kuwait wird wieder frei sein."

    Nur sechs Wochen später war die irakische Armee vernichtend geschlagen. Kuwait war befreit, doch die Iraker hatten buchstäblich verbrannte Erde zurückgelassen. Die Löschung der brennenden Ölquellen dauerte noch Monate. Saddam Hussein stürzte man nicht, er galt trotz allem immer noch als Garant für Stabilität im Irak, noch weitere 13 Jahre - bis zum nächsten Golfkrieg.

    Weitere Informationen:
    Hintergrund, 2. August 2010: Die Mutter aller Schlachten
    Vor 20 Jahren: Der irakische Überfall auf Kuwait und der Krieg am Golf (DLF)

    Deutsche Welle: Erinnerungen an die Operation "Desert Storm" - DW-Redakteur Emad M. Ghanim erlebte den Krieg als 15-jähriger im Süden des Landes