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Georgien
Wunsch nach Assoziierungsabkommen

Georgien strebt eine Annäherung an die EU und die Aufnahme in die NATO an. Doch die Krise in der Ukraine schürt allerdings auch viele Ängste, denn russische Truppen sind bereits in den abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien präsent. Doch der Wille zur Westintegration findet sich auch bei weiten Teilen der Bevölkerung.

Von Gesine Dornblüth | 24.04.2014
    Die georgische Landesfahne und die Fahne der EU.
    Georgien will von der Assoziierung profitieren. (dpa / Ralf Hirschberger)
    Als in Georgien vor anderthalb Jahren der prowestliche Präsident Micheil Saakaschwili die Macht verlor, vermuteten viele, nun werde sich das Land wieder Russland zuwenden. Schließlich wurde mit Bidzina Iwanischwili ein Mann an die Staatsspitze gewählt, der lange in Russland gelebt und dort Milliarden gemacht hat. Doch die außenpolitische Kehrtwende Georgiens ist ausgeblieben. Auch die jetzige Führung bekennt sich, wie die Vorgängerregierung, offen zur EU und zur NATO. Staatsminister Alexi Petriaschvili spricht von einer historischen Wahl.
    "Russland will Einflusssphären aufteilen, will die für Russland ärgerliche östliche Partnerschaft der EU beenden und einen Schlusspunkt unter unsere Integrationsbemühungen setzen. Aber ich denke, das ist zu spät. 85 Prozent der Georgier wollen ihr Land in der EU sehen, mehr als 80 Prozent in der NATO."
    Zur Mitgliedschaft haben Georgien weder die EU noch die NATO eingeladen. Doch im Juni will die EU mit Georgien immerhin ein Assoziierungsabkommen unterzeichnen. Vor allem darum wird es heute bei dem Besuch der Außenminister Steinmeier und Fabius in Tiflis gehen. Dass Steinmeier zugleich immer wieder auf das Gespräch mit Russland setzt, stößt in Tiflis auf Skepsis. Der deutsche Außenminister hatte bei einem Treffen der EU-Troika vor drei Wochen gesagt, man müsse Lehren aus der Ukraine-Krise ziehen. Man dürfe die östlichen Partner nicht mehr vor die Wahl stellen, sich entweder der EU anzunähern, oder eng mit Russland zusammenzuarbeiten. Dazu Staatsminister Petriaschwili:
    "Nach der Unterzeichnung werden wir gern mit den Russen diskutieren, wie sie von der Assoziierung Georgiens mit der EU profitieren können. Wir sind da mehr als offen. Aber auf keinen Fall vor der Unterzeichnung. Es geht um unsere souveräne Entscheidung, das ist eine bilaterale Angelegenheit zwischen der EU und Georgien."
    Der Oppositionspolitiker Davit Dartschiaschwili sieht das genauso.
    "Die EU und besonders Deutschland haben enorm viel Energie aufgebracht, um den Russen zu erklären, dass nichts in der Außenpolitik der EU gegen Russland oder Russlands Interessen gerichtet ist. Es hat nie funktioniert."
    Viele Georgier fühlen sich durch die Präsenz Russlands bedroht
    Vielen Georgiern sind die Europäer nicht entschlossen genug in der Unterstützung Georgiens. Der Krieg mit dem Nachbarn Russland ist noch keine sechs Jahre her. Seitdem stehen russische Soldaten in den abtrünnigen Regionen Georgiens. Es sind mindestes 5.000 Mann. Georgien fühlt sich dadurch bedroht. Marina Lapatschi lebt in Gori. Die Kleinstadt wurde 2008 von russischen Flugzeugen bombardiert.
    "Ich mag Russland sehr. Jetzt habe ich Angst vor Russland."
    Die Frau ist Lehrerin und seit Jahren arbeitslos. Sie hofft vor allen Dingen, dass sich ihr Leben verbessert, dass sie Arbeit findet. Sie trauert den alten Zeiten nach und fragt sich insgeheim, ob es mit Russland am Ende nicht vielleicht doch besser wäre.
    "Wenn Russland zivilisiert mit uns umgehen würde, könnte man darüber nachdenken. Ich hatte eine sehr gute Kindheit in der Sowjetunion. Ich hatte eine Datscha, ich habe Moskau gesehen, Petersburg, Vilnius, in den Ferien waren wir in Sotschi. Meine Kinder haben nichts von all dem."
    Einige Beobachter meinen, dass vor allem konservativ-religiöse Kreise in Georgien Stimmung gegen die EU und für Russland machen könnten. Die Georgier sind wie die Russen christlich-orthodox. Patriarch Ilja ist Umfragen zufolge der Mensch, dem die meisten Georgier vertrauen – mehr als 90 Prozent. Doch auch Ilja hat sich zur EU bekannt. Bei einem Besuch von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle in Tiflis Anfang März sagte er, die georgische Kirche werde alles tun, damit Georgien EU-Mitglied werde.