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Gepfefferte Kritik aus dem Exil

Kurz vor der Machtergreifung durch Adolf Hitler hatte die "Pfeffermühle" ihre erste Vorstellung. Das politisch-literarische Kabarett wurde von Erika und Klaus Mann in München ins Leben gerufen, musste jedoch bald in die Schweiz fliehen. Mit hintergründigem Humor kritisierten die Exil-Komödianten das Nazi-Regime..

Von Michael Langer | 01.01.2008
    Der Name "Die Pfeffermühle" stammte von Thomas Mann. Gegründet wurde das legendäre politisch-literarische Kabarett von seinen ältesten Kindern Erika und Klaus gemeinsam mit dem Musiker Magnus Henning und der Schauspielerin Therese Giehse. 29 Tage vor Hitlers Machtergreifung war Premiere im Revuetheater "Bonbonniere”, der Anfang vom Ende im Exil. Erika Mann:

    "Ich hatte ja schon in München zu einem aparten Datum - nämlich am 1. Januar 1933 - die ’Pfeffermühle’ eröffnet, hatte dort bis zum 1. März, also inklusive Reichstagsbrand, noch mit großem Jubelerfolg gespielt und war dann nach den Wahlen im März mit einem Gutteil meiner Truppe weggegangen. Und ich hatte die Chance, weil die Truppe beieinander blieb, dass ich die ’Pfeffermühle’ bereits am 1. Oktober 1933 in Zürich wieder eröffnen konnte."

    In der Schweiz hatte das Ensemble unerwartet großen Erfolg, der weitere gefeierte Gastspiele in anderen Ländern Europas nach sich zog:

    "Wir wirkten auf Leute, die da hingingen, um sich gut zu unterhalten, zunächst einmal. Wir hatten auch Tänzerinnen immer dabei, die zu unserem Stil passten, Grotesktänzerinnen und so weiter, Lotte Goslar, eine ausgezeichnete Tänzerin - und die Leute hatten großen Spaß. Wir hatten zum Beispiel auch nicht versucht, um einen größeren Namen herbeizuzitieren, Brechtisch zu wirken. Es war das Gegenteil von Lehrstücken, was wir aufführten. Wir blieben unterhaltend und wenn wir politisch waren, waren wir doch meistens grotesk-komisch. Und ein Publikum, das gar nicht auf uns eingestellt war, sondern einfach Spaß haben wollte, ist indirekt von uns beeinflusst worden, ohne dass die das selber so gemerkt haben. Und ich glaube, dass das das Beste von uns war."

    Das Lied der Frau X, sang damals Therese Ghiese. Die meisten Texte der "Pfeffermühle" schrieb Erika Mann, die die Rolle des Conférenciers übernahm, als weißer Clown auftrat oder auch als "Prinz vom Lügenland" erschien, in schwarzer Uniform samt Helm und Peitsche:

    "Nun war die ’Pfeffermühle’ von Anfang an so angelegt, denn schon im Januar 1933 in München konnte man ja nicht mehr direkt sein, also: Wir waren indirekt. Wir haben alles gemacht mit Märchen, Parabeln, Gleichnissen aller Art. Wir haben nie einen Namen genannt, auch kein Land genannt. Wir waren indirekt völlig eindeutig für unser Publikum, aber immer so, dass wir nachweisen konnten: Wir haben politisch direkt nichts gesagt. Und das war unsere Rettung, auch nach den großen Schießereien und furchtbaren Tumulten, die es in Zürich gegeben hat. Wir sind zwar anschließend dann doch im ganzen Kanton Zürich verboten worden, leider, was sehr schlimm für uns war."

    Der Schweiz kehrte das Ensemble 1934 den Rücken und begab sich zwei Jahre lang auf Tournee durch die Tschechoslowakei und die Beneluxländer, bis schließlich die "Nazidiplomatie" und der Druck der Zensurbehörden der Gastländer weitere Auftritte unmöglich machten. 1937 löste sich die "Pfeffermühle" nach ihrer 1034. Vorstellung im amerikanischen Exil auf.