Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Geplante Osram-Übernahme
"David will den Goliath übernehmen"

Das Traditionsunternehmen Osram steht zum Verkauf, auch wegen einer verfehlten Unternehmenspolitik. Hauptinteressent ist der österreichische Sensorhersteller AMS. Ob er die Mindestannahmeschwelle der Aktien erreicht, ist offen, so Dlf-Wirtschaftsredakteur Klemens Kindermann.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 02.10.2019
Zwei Ampeln zeigen vor der Zentrale der Firma Osram grünes Licht.
Osram-Zentrale in München (picture alliance)
Jörg Münchenberg: Seit Wochen tobt eine Bieterschlacht um eines der bekanntesten und ältesten deutschen Industrieunternehmen: Osram. Heute Nacht um 24.00 Uhr ist die Frist abgelaufen, innerhalb derer sich die Aktionäre für die Annahme eines Übernahmeangebots entscheiden konnten. Frage an Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion: Wer übernimmt denn nun Osram?
Klemens Kindermann: Das wissen wir und die 26.000 Mitarbeiter heute Morgen und aktuell zur Stunde noch nicht. Der Grund ist die sehr hohe Zahl der Aktionäre von Osram. Der Konzern war lange eine Tochter von Siemens, 2013 dann abgespalten. Siemens-Aktionäre erhielten automatisch Osram-Aktien, viele haben die gehalten. Daher gibt es heute etwa 440.000 Einzelaktionäre.
Und das wiederum bedeutet, dass es einen Augenblick braucht, um herauszufinden, wie viele Aktionäre ihre Osram-Aktie verkauft haben und ob die auf 4,5 Milliarden Euro taxierte Übernahme geklappt hat.
Die Banken, die deren Depots führen, haben seit 24.00 Uhr jetzt 48 Stunden Zeit, um die Ergebnisse zu übermitteln.
Münchenberg: Welcher Bieter könnte sich durchgesetzt haben?
Kindermann: Wenn er genügend Aktien zusammenbekommen hat, dann wahrscheinlich der österreichische Sensorhersteller AMS. Der hat zum Beispiel Chips für die Weltraummission Deep Space 2 zum Mars entwickelt. Gestern Abend meldete AMS, an der Börse knapp 20 Prozent der Osram-Aktien direkt erworben zu haben. Vom anderen großen Bieter, dem Finanzinvestor Bain Capital, der sich mit AMS die Bieterschlacht lieferte, hörte man jetzt kein neues beziffertes Angebot.
Münchenberg: Warum steht Osram überhaupt zum Verkauf?
Kindermann: Gewinnwarnungen, Umsatzrückgänge, sinkender Aktienkurs, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Auch die Fähigkeit, richtige Prognosen für das eigene Unternehmen abzugeben, überfordert das Management offenbar. Symptomatisch dazu der Vorstandschef Olaf Berlien auf der Hauptversammlung zum letzten Geschäftsverlauf:
"Auch ich bin mit dem Geschäftsjahr 2018 und dem Aktienkurs nicht zufrieden. Und wir haben auch Fehler gemacht. Die Kritik an unserer Prognosequalität ist berechtigt."
Ein Vorstandschef in Sack und Asche also – ist selten.
Münchenberg: Macht die Übernahme denn überhaupt Sinn?
Kindermann: Auf den ersten Blick natürlich schon: Da schließen sich führende Anbieter von Lichterzeugung und Lichtsensorik zusammen. Lampen und Sensoren aus einer Hand, das könnte für die Autoproduktion oder Smartphones interessant sein.
Allerdings ist es hier David, der Goliath übernehmen will: Denn das Unternehmen aus der Steiermark ist wesentlich kleiner als Osram, hat gerade mal 9.000 Mitarbeiter und nur ein Drittel des Umsatzes von Osram.
AMS hat sich für die Übernahme hoch verschuldet. Und daher ist die Befürchtung der Beschäftigten, dass hier nach einer Übernahme erst einmal verschlankt wird, dass Unternehmensteile verkauft werden, um Kasse zu machen.
Münchenberg: Wie geht es jetzt weiter – wann wissen wir Bescheid, wie der Bieterkampf ausgegangen ist?
Kindermann: AMS braucht 62,5 Prozent der Osram-Anteile für die Übernahme – das ist die Mindestannahmeschwelle. Wie gesagt, die Banken schauen in die Depots und melden. Die Kleinaktionäre haben immerhin 27 Prozent des Grundkapitals von Osram. Das könnte wegen des Feiertags morgen am Ende sogar dazu führen, dass wir erst am Freitag Gewissheit haben werden, ob das über 100 Jahre alte Traditionsunternehmen Osram jetzt österreichisch wird oder nicht.