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Geplante Staatsanleihenkäufe
Draghis Plan und Deutschlands Risiko

Mit Spannung wird die erste EZB-Direktoriumssitzung am 22. Januar erwartet: EZB-Chef Mario Draghi hat bereits weitere Staatsanleihenkäufe angekündigt. Doch die Bundesbank warnt vor den Folgen dieses Schritts. Und das aus gutem Grund - aus deutscher Sicht.

Von Jule Reimer | 02.01.2015
    Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), äußert sich am 05.06.2014 während der EZB-Pressekonferenz in Frankfurt am Main (Hessen) vor Journalisten.
    Mario Draghi treibt die Sorge um, Europa könne in eine gefährliche Abwärtsspirale geraten, in der weder Unternehmen investieren noch Verbraucher konsumieren. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Bislang verleiht die EZB den Banken Geld fast zum Nulltarif, kauft Pfandbriefe, zudem hat sie ein weiteres - an Bedingungen geknüpftes - Kreditprogramm für Banken aufgelegt, damit diese ihrerseits leichter Darlehen an Unternehmen vergeben. Draghis Absicht: Die Bilanzsumme der EZB auf drei Billionen Euro auszuweiten, soviel wie im Euro-Krisenjahr 2012.
    Draghi treibt die Sorge um, Europa könne in eine gefährliche Abwärtsspirale geraten, in der weder Unternehmen investieren noch Verbraucher konsumieren, weil alle denken, die Preise können nur noch fallen. So eine Situation hielte auch der Ökonom Guntram Wolff für gefährlich, der die Denkfabrik Bruegel in Brüssel leitet:
    "Die eigentlichen Inflationszahlen liegen ja knapp über der Null und insofern haben wir in der Tat ein Deflationsrisiko und ein Niedriginflationsproblem."
    Risiko für die gesamte Weltwirtschaft
    Bundesbankpräsident Jens Weidmann reagierte auf zuletzt 0,3 Prozent Inflationsrate im Euroraum entspannt. Schon im Oktober ließ Weidmann sich nicht von Ökonomen des Internationalen Währungsfonds beeindrucken. Die hatten eindringlich gewarnt, die schwächelnde Konjunktur im Euroraum sei ein Risiko für die gesamte Weltwirtschaft.
    "Wir reden ja nicht über einen konjunkturellen Einbruch, sondern über eine konjunkturelle Abschwächung, wo sich die deutsche Volkswirtschaft weiter im Bereich der Normalauslastung befindet."
    Und das krisengeplagte Südeuropa? Diese Staaten sollten am besten ihre Bürokratien entschlacken, die Arbeitsmärkte reformieren und Staatsverschuldung abbauen, Geldpolitik könne da nicht helfen, forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble - assistiert von Jens Weidmann - am Rande der IWF-Herbsttagung:
    "Es hängt ja nicht an günstigen Finanzierungskonditionen. Sondern es hängt an rentablen Investitionen."
    Auch EZB-Chef Draghi fordert den Südländern mehr Reformen ab.
    Verluste nicht ausgeschlossen
    Klar ist: Um die drei Billionen Euro Bilanzsumme zu erreichen, wird die EZB ab 2015 ihre Aufkäufe ausweiten und beschleunigen, englisch als "QE" - als "Quantitative Easing" bezeichnet.
    Und wenn es nach Draghi und einer wahrscheinlichen Mehrheit im EZB-Direktorium geht, wird sie auch Anleihen der Eurostaaten zukaufen: Für Zentralbanken in den USA und in Großbritannien als Instrument der Geldpolitik völlig normal.
    Bundesbankpräsident Weidmann warnt vor indirekter Staatsfinanzierung durch die EZB und auch Wirtschaftswissenschaftler Guntram Wolff sähe lieber, wenn die EZB vorerst mehr Unternehmensanleihen aufkaufen würde. Das helfe der Wirtschaft und:
    "Wenn die EZB in großem Stil Staatsanleihen kaufen würde und dann würde ein Staat von einem Tag auf anderen entscheiden, dass er diese Staatsanleihen nicht mehr bedienen, dann säße natürlich der Rest der Eurozone auf diesen Staatsanleihen fest und würde Verluste machen."
    Wenn nämlich die EZB die Papiere kauft, würden Verluste nach dem Kapitalschlüssel der Euro-Länder verteilt. Deutschland würde am stärksten belastet. Insidern zufolge wird in der EZB nach Lösungen gesucht, die Krisenstaaten stärker an Verlusten zu beteiligen.
    Mit Spannung wird deshalb die erste EZB-Direktoriumssitzung am 22. Januar erwartet. Mario Draghi hat bereits angekündigt, dass ihm eine Mehrheitsentscheidung der 25 Direktoren für Staatsanleihenkäufe ausreiche – auch gegen die Stimmen der Deutschen.