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Geplanter Verschleiß
Ausstellung warnt vor kurzlebigen Produkten

Viele Produkte werden mit eingebautem Ablaufdatum hergestellt - das behaupten zumindest viele Verbraucherschützer. Die Industrie dementiert diesen Vorwurf. In Berlin zeigt der Verein "Murks? Nein Danke!" nun eine Ausstellung solcher Produkte.

Von Susanne Arlt | 05.03.2014
    Ob Firmen wirklich bewusst so konstruieren, das Produkte möglichst schnell kaputt gehen ist umstritten. Wissenschaftliche Forschungen zu dieser sogenannten "geplanten Obsoleszenz" fehlen bislang noch. Stefan Schridde, Gründer des Berliner Vereins "Murks? Nein Danke!" ist davon jedoch fest überzeugt. Als Beweis sammelt er darum seit einigen Jahren ganz unterschiedliche Produkte, die eines gemeinsam haben: Sie sind alle kaputt und müssten durch ein neues Produkt ersetzt werden. Einige Beispiel sind jetzt im Murks-Showroom zu sehen.
    "Wir wollen damit zeigen, wir brauchen eine Diskussion in den Betrieben. Denn ich gehe davon aus, dass dieser Murks an der Werkbank nicht von den Mitarbeitern gewollt ist, die das machen. Deswegen brauchen wir das Gespräch, wir müssen es plastisch machen, greifbar machen, direkt zeigen, an welchen Stellen die Hersteller scheitern."
    An plastischen Beispielen fehlt es in Ausstellung nicht. In einer Ecke des etwa 60 Quadratmeter großen Raumes stehen mehrere Drucker übereinandergestapelt. Sie sind alle noch intakt. Das Problem seien die Tonerkartuschen, sagt Stefan Schridde. In der Bedienungsanleitung wurde erklärt, dass man mit einer Kartusche etwa 1.500 Seiten drucken kann. In Wirklichkeit aber wurden damit knapp 5.000 Seiten gedruckt, weil der eingebaute Zähler immer wieder auf null gestellt wurde.
    "Der Hersteller täuscht uns offensichtlich, weil er das nicht damit erklären kann."
    150 Euro für ein Neugerät statt 1,50 Euro für Reperatur
    In der Mitte des Raumes steht auf einem schmalen Podest aus Holz ein schicker Milchaufschäumer. Die zylindrische Form fasst sich gut und ist aus Plastik. Als das Gerät nicht mehr funktionierte, brachte es der Kunde zur Reparatur. Den Gang hätte er sich sparen können, meint Schridde. Obwohl im Boden des Geräts Schrauben verankert waren, ließ sich das Gerät nicht öffnen. Die Plastikteile waren alle miteinander verklebt. Um also zu erfahren, was im Inneren defekt war, musste der Schäumer aufgesägt werden.
    "Das Teil, was drinnen kaputt war, ist dieses kleine Relais gewesen. Das ist ein Ersatzteil, das kostet 1,50 Euro. Reparatur nicht möglich, der Kunde muss sich den neuen Milchaufschäumer für 150 Euro kaufen, weil ein Teil von 1,50 Euro nicht tauschbar, weil der Boden verklebbar."
    Auf der gegenüberliegenden Seite sind ein Handmixer, ein Stabmixer, ein Multizerkleinerer ausgestellt. Sie sehen alle intakt aus. Der Teufel liege im Detail, meint Schridde. Denn Merkmal dieser Produkte sei ihr Kurzzeitbetrieb. Auf der Verpackung steht es nicht, dafür aber in den jeweiligen Bedienungsanleitungen. Der Multizerkleinerer darf beispielsweise nur 20 Sekunden beansprucht werden. Danach muss er mindestens zwei Minuten ausgestellt werden, sonst überheizt sich das System. Auch wer mit dem Handmixer einen Kuchenteig rühren möchte, braucht Geduld.
    "Dass der drei Minuten lang genutzt werden darf, dann braucht er zehn Minuten Pause. Jeder, der mal einen Kuchen gemacht hat, weiß, in drei Minuten kriege ich den nicht fertig. Und das Interessante ist, der Hersteller erreicht damit, dass er sogar schon in der Gewährleistungszeit nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, wenn dann ein Schaden entsteht, wenn man mal vier Minuten für einen Kuchen gebraucht hat."
    Umweltbundesamt untersucht Überprüfbarkeit der Lebensdauer
    Den Kurzzeitbetrieb dieser Geräte als gewollten Verschleiß zu bezeichnen, sei abwegig, meint Werner Scholz. Er arbeitet für den Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie in Frankfurt am Main und ist dort Geschäftsführer der Hausgerätefachverbände. Genauso absurd sei die These der geplanten Obsoleszenz.
    "Also ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen, die Hersteller würden sich da ins eigene Fleisch schneiden. Denn die Qualität ist ein extrem wichtiges Kaufkriterium, gerade für den deutschen qualitätsbewussten Verbraucher, und die Qualität beeinflusst ganz, ganz stark die Markentreue."
    Seinem Verband liegen keine statistischen Zahlen vor, die auf eine geplante Obsoleszenz hinweisen, sagt Scholz. Licht ins Dunkel bringt da vielleicht die neue Studie des Umweltbundesamtes. Sie untersucht, wie man eine verlässliche und überprüfbare Lebensdauer von Produkten sinnvoll garantieren kann. Die Ergebnisse liegen aller Voraussicht nach erst im Frühjahr 2015 vor.