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Geplantes Werk in Grünheide
Das Schweigen des Autobauers Tesla

Tesla will ab Juli 2021 Jahr in Brandenburg Elektroautos bauen. Bedenken gibt es bei Bürgern unter anderem wegen des immensen Wasserverbrauchs der Gigafactory. Der öffentlichkeitsscheue Autobauer hatte Bürger nun zu einer Infoveranstaltung eingeladen - die Kritiker überzeugte dies aber nicht.

Von Christoph Richter | 06.02.2020
Ein Schild mit der Aufschrift "Dialog Probleme Lösen Welcome Tesla" steht an einem Elektrofahrzeug der Marke Tesla am Rande einer Kundgebung von Anwohnern, die sich für den Bau der geplanten Tesla-Fabrik einsetzen.
Bau der Gigafactory in Grünheide: Tesla such in Brandenburg den Dialog (Archivbild) (dpa / Patrick Pleul)
"Ich spreche heute nicht mit der Presse." Der aus Bayern stammende Alex Riederer schüttelt den Kopf, lächelt amüsiert über Journalisten, die ihm versuchen Fragen zu stellen. "Ich hab alles gesagt, was zu sagen ist."
Riederer ist Mitte 20, Projekt-Manager und einer von etwa einem Dutzend Tesla-Mitarbeitern, die am gestrigen Abend zu einer Informationsveranstaltung in Hangelsberg bei Grünheide eingeladen haben. Ein lauschiger Ort, umgeben von Seen, am südöstlichen Stadtrand von Berlin. In der Nähe soll demnächst ein Autowerk entstehen, später sollen jährlich bis zu 500.000 Autos vom Band rollen.
Zu kritischen Fragen der Anwohner will sich jedoch keiner der Mitarbeiter des US-Autobauers äußern. Obwohl es heißt: "Lerne Tesla kennen".
Schnell wird deutlich: Es hat etwas von einer Show-Veranstaltung, um das Unternehmen im besten Licht zu präsentieren. Gekommen sind etwa einhundert Menschen aus Grünheide und der näheren Umgebung.
Tesla informiert über Jobchancen
Mitarbeiter erklären die Firma, ihre Philosophie, informieren über Jobchancen. Immer wieder ist von einer Mission die Rede. Und: Man sucht – wie es heißt – junge dynamische Mitarbeiter. Nur: Die Zuhörer der Tesla-Informationsveranstaltung in Grünheide sind in der Mehrheit Pensionäre und Rentner.
"Ne Werbeveranstaltung für Tesla. Hervorragend. Aber mehr nicht."
Er habe sich wie auf einer Tupper-Party gefühlt, sagt der frühere U-Bahn-Mechaniker Manfred Schleus. Dabei habe er erwartet, dass Tesla auf die Menschen zugehe, dass man einen Dialog mit den Anwohnern suche, doch stattdessen war man nur Teil einer PR-Show. Schleus winkt ab.
"Es läuft doch viel besser, wenn man weiß, was da gebaut wird, wie wird das arbeiten. Wie wird die Infrastruktur gelöst werden. Offenheit würde dem Projekt helfen. Und einfach so zu tun, als wenn die, die Fragen stellen, die Verhinderer sind. Das stimmt so nicht."
Der in Grünheide lebende und im benachbarten Erkner praktizierende Kinderarzt Jens Köhler kann die rigide Informationspolitik von Tesla durchaus nachvollziehen. Denn zu viel Öffentlichkeit könne dem Projekt bei der Umsetzung schaden. Und Tesla biete eine einmalige Chance für die Region, so Köhler weiter.
"Viele gehen weg, weil, hier ist nichts. Wir haben 30 Jahre lang gehofft, dass etwas wächst, das etwas herkommt. Es hat 30 Jahre nicht geklappt, jetzt haben wir eine gute Chance. Und natürlich müssen wir die, so gut es geht, packen und hoffen, dass das Gemeinwohl dadurch angehoben wird."
Immenser Wasserbrauch sorgt für Irritation
Für massive Irritationen unter den Anwohnern sorgt der immense Wasserverbrauch, den der US-Autobauer für sein Autowerk in Grünheide angemeldet hat. Es ist die Rede – laut Projektbeschreibung - von stündlich 372.000 Litern. Das entspräche dem jährlichen Bedarf einer 60.000 Einwohner großen Stadt. Das passe nicht mit der problematischen Wassersituation vor Ort zusammen, heißt es. Befürchtungen, die bei Tesla-Mitarbeitern abprallen. Eine Reaktion: Fehlanzeige. Stattdessen schrieb kürzlich Tesla-Chef Elon Musk in einem Tweet beim Kurznachrichtendienst Twitter:
"Tesla werde nicht an jedem Tag so viel Wasser verbrauchen". Es sei möglicherweise ein seltener Fall einer Spitzennutzung, aber nichts, was jeden Tag vorkomme, so Elon Musk weiter.
Ein Argument, mit dem der niederbayrische Förster Johann Bradtka wenig anfangen kann. Er nennt gegenüber dem Deutschlandfunk den angepeilten Wasserverbrauch als "furchterregend". Weshalb der "Verein für Landwirtschaftspflege und Artenschutz in Bayern" erwäge, gegen das Tesla-Vorhaben Klage zu erheben, so der Vereinsvorsitzende Bradtka. Und man unterstütze auch die Tesla-Proteste in Grünheide. Organisator dort ist Frank Gersdorf. Ein drahtiger Mann, Mitte 50. "Elektroautos kann man produzieren, aber der Standort in einem Trinkwasserschutzgebiet ist der denkbar ungünstigste."
Als der US-Elektroautoherstellers Tesla verkündet hat, man werde in Brandenburg, im Speckrand von Berlin, Europas erste Autofabrik bauen, war die Euphorie groß. Es war, als stünde Brandenburg ein leuchtendes 21. Jahrhundert bevor. Doch mittlerweile macht sich Ernüchterung breit. Denn die Ankündigung Teslas, man werde umweltverträglich bauen, wird angezweifelt. In einer Projektbeschreibung ist von einem benötigten Gaskraftwerk die Rede, ebenso von einem immensen Wasserbedarf.Am Wochenende gab es die ersten Proteste in Grünheide gegen die Ansiedelung von Tesla. Januar 2020
Proteste gegen Tesla in Brandenburg im Januar 2020 (deutschlandradio / Christoph D. Richter)
SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke bittet nun die Kritiker um Geduld. Aber nervös - wegen möglicher Klagen - sei man nicht, heißt es in der Potsdamer Staatskanzlei gegenüber dem Deutschlandfunk. Alles laufe nach Plan. Arne Christiani, der parteilose Bürgermeister der Gemeinde Grünheide und einer der Teilnehmer der Tesla-Informationsveranstaltung, nickt mit dem Kopf.
"Wenn die Bundeskanzlerin sagt, sie möchte zehn Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen haben und ein Großteil kann dann hier produziert werden, das erfüllt uns schon mit Stolz."
Waldstück bereits an Tesla verkauft
Aber: Die Zeit drängt. Das 300 Hektar große Waldstück in Fangschleuse bei Grünheide ist zwar bereits an Tesla verkauft. Doch um den Wald zu roden, müsse das Gelände von den Munitions-Altlasten beräumt werden, die Entsorgung von Müll abgeschlossen sein. Dann erst könne man die Bäume fällen. Das muss wegen des Beginns der Vegetationszeit bis Ende Februar, mit einer Ausnahmegenehmigung allerspätestens bis Mitte März passieren. Ansonsten würde sich das Projekt um ein knappes Jahr verzögern. Doch, ob Tesla da mitmacht, selbst in der Potsdamer Staatskanzlei hat so mancher bei diesem Gedanken Bauchschmerzen. Und Angst davor, dass Tesla noch abspringt.
Deren Ziel ist ambitioniert: Denn 2021 sollen bereits die ersten Autos vom Band rollen.
Mit den Klagen der Anwohner, dass Tesla-Mitarbeiter nicht offen reden, kann Bürgermeister Christiani nichts anfangen. Sagt er und schaut – während der Informationsveranstaltung - mit einem zuversichtlichen Lächeln zu den öffentlichkeitsscheuen Tesla-Mitarbeitern.
"Wenn es dem Vorhaben dient, dann ist die Strategie die Richtige."